Kann Wasserstoff eine klimaneutrale Alternative im Transport sein? Die Antwort auf diese Frage ist derzeit ein klares: Ja, aber. Entscheidend ist nicht nur die Produktion von Wasserstoff. Fraglich ist nach wie vor, inwiefern die Technologie Einzug in die heimische Garage hält.
Die vermeintliche Zukunft ist rot und steht in der Ecke. Sie ist fast fünf Meter lang und rund zwei Meter breit, hat vier Räder, eine Motorhaube und einen Kofferraum. Rein äußerlich unterscheidet sich jenes Auto, das an diesem Freitag gleich am Eingang der Messehallen in Kirchberg steht, nicht von den anderen Wagen, die auf der „Motorshow“ ausgestellt werden. Und doch ist es einzigartig. Nicht nur hier, sondern in ganz Luxemburg.
Denn der „Toyota Mirai 2“ von Besitzer Guy Breden ist das erste in Luxemburg offiziell zugelassene Brennstoffzellen-Auto. Seine Energie erzeugt das Fahrzeug mittels Wasserstoff. Das Prinzip: In der namensgebenden Brennstoffzelle reagieren Wasserstoff und Sauerstoff getrennt durch eine Membran. Der dabei freigesetzte Strom treibt den Wagen an. Rein technisch gesehen ist das Wasserstoff-Auto also auch ein Elektro-Fahrzeug.
Eigentlich wollte sich der 51-jährige Informatiker und CSV-Gemeindepolitiker aus Kehlen Anfang 2020 ein „Batterie-Auto“ kaufen. Doch im Gespräch mit seiner Frau, einer Chemikerin, sei langsam die Idee für ein Wasserstoff-Auto gereift. Ausschlaggebend dafür seien laut Guy Breden auch Bedenken gegenüber der Nachhaltigkeit in der Batteriezellenproduktion gewesen. Zunächst habe er den auf dem Markt verfügbaren Modellen jedoch nur wenig abgewinnen können. Doch mit dem neuen Modell von Toyota habe er den Schritt gewagt.
Seit er den Wagen Anfang 2021 für rund 70.000 Euro gekauft hat, hat Guy Breden etwa 7.000 Kilometer zurückgelegt. Der Wagen hat ungefähr eine Reichweite von 650 Kilometern und eine Nennleistung von 180 PS. Der benötigte Wasserstoff wird bei rund 700 Bar in drei separaten Spezial-Tanks gespeichert. Getankt wird über ein Ventil im Heckbereich, ein Tankvorgang dauert nur etwa fünf Minuten. Also deutlich kürzer als ein batterie-elektrisches Fahrzeug derzeit zum Laden benötigt. Das einzige Problem bei der täglichen Nutzung bleibt die Fahrt zur Tankstelle. Denn bis im kommenden Jahr die erste Wasserstoff-Tankstelle in Bettemburg eröffnet wird, muss Guy Breden zum Tanken bis nach Saarbrücken fahren.
Die Effizienzfrage
Bei so viel Enthusiasmus bleibt eine offensichtliche Frage: Wieso setzen Politik, Wirtschaft und Verkehrsverbände auf E-Autos und nicht auf die Brennstoffzelle? Immerhin sprechen kurze Tankvorgänge, eine mit dem Verbrenner vergleichbare Reichweite sowie ein einfacherer Einsatz im Winter, eigentlich für die Technologie. Und dennoch machen Brennstoffzellen-Autos laut Erhebungen der Internationalen Energieagentur (IEA) nur rund 0,01 Prozent des weltweiten Fahrzeugbestands aus. In Zahlen: Die Behörde geht davon aus, dass auf den Straßen der Welt derzeit etwa 40.000 Wasserstofffahrzeuge unterwegs sind. Zum Vergleich: Alleine Luxemburg hat einen Fuhrpark von rund 500.000 Fahrzeugen.
Ein Grund für die geringe Verbreitung des Brennstoffzellen-Autos liegt am Wasserstoff selbst. Denn dieser bleibt vorläufig ein rares Gut. 2021 wurden weltweit nur 90 Megatonnen produziert, die fast ausschließlich in der Industrie verwendet wurden. Hinzu kommt, dass der Großteil des derzeit produzierten Wasserstoffs einen fossilen Ursprung hat und in Ölraffinerien eingesetzt wird. Die IEA schätzt den CO2-Ausstoß durch die vorherrschende Wasserstoffproduktion mittels Dampfreformierung von Methan derzeit auf 900 Megatonnen jährlich.

Eine Lösung bestünde darin, den Wasserstoff aus Wasser zu gewinnen und nicht aus Methan. Also in der Wasserstoffgewinnung mittels Elektrolyse. Diese ist wiederum nur klimaneutral, wenn dafür ausschließlich erneuerbare Energien, wie Windkraft oder Sonnenenergie, genutzt werden. Das ist derzeit jedoch nicht der Fall. Nimmt man beispielsweise den durchschnittlichen globalen Strommix als Grundlage für die Erzeugung, wären die indirekten Emissionen fast dreimal so hoch wie bei der Methanreformierung. Grund dafür sind unter anderem die großen Umwandlungsverluste. Nur rund zwei Drittel der eingebrachten Energie wird bei der Elektrolyse zu Wasserstoff. Nach dem Transport des Wasserstoffs und der Nutzung im Brennstoffzellen-Auto kommt schlussendlich nur noch rund ein Drittel der eingesetzten Energie im Elektromotor des Wagens an.
Der „Champagner“ der Mobilität
Doch selbst bei einer hundertprozentigen Nutzung von erneuerbaren Energien in der Wasserstoff-Produktion bleiben batterie-elektrische Fahrzeuge den Brennstoffzellen-Autos überlegen. So geht aus einer Studie des „International Council for Clean Transportation“ (ICCT) hervor, dass Batterie-Autos selbst bei 100 Prozent grünem Wasserstoff voraussichtlich emissionsärmer bleiben als Brennstoffzellen-Fahrzeuge. Die Autoren der Studie begründen ihre These ebenfalls mit den für die Produktion von grünem Wasserstoff benötigten Zusatzkapazitäten. Denn berücksichtigt man die für die Produktion zusätzlich notwendigen Kapazitäten an erneuerbarer Strominfrastruktur, wie Windräder und Solaranlagen, verschlechtert sich die CO2-Bilanz von Wasserstoff entscheidend.
Die Energie-Ökonomin Claudia Kemfert vom „Deutschen Institut für Wirtschaft“ bringt das Problem im Gespräch mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ auf den Punkt: „Wasserstoff ist kostbar. Er ist quasi der Champagner unter den Energieformen. Die Herstellung von Wasserstoff erfordert drei- bis fünfmal so viel Energie, wie wenn man erneuerbare Energien direkt nutzen würde. Man wird Wasserstoff deshalb vernünftigerweise nur dort einsetzen, wo es keine andere Möglichkeit gibt.“ Als Beispiele nennt die Expertin die Stahlindustrie sowie den Schwerlast- und Schiffsverkehr.
Auch der Besitzer des Brennstoffzellen-Autos Guy Breden ist sich des Effizienzproblems beim Wasserstoff bewusst: „Batterien sind bei kleineren Autos durchaus besser. Ich bin auch nicht gegen das Elektro-Auto. Schließlich ist auch das Brennstoffzellen-Auto ein Elektro-Auto. Bei größeren Autos, die Zuglasten ziehen müssen, sowie bei Bussen und LKWs sehe ich aber einen klaren Vorteil beim Wasserstoff.“ Von der Regierung wünscht sich der Informatiker mehr Technologieoffenheit beim Wasserstoff. Denn da dieser von der Energieproduktion entkoppelt sei, eigne sich Wasserstoff hervorragend als Energiespeicher für überschüssigen Strom, so Guy Breden.
Wasserstoff im Schwertransport
Dabei gibt es durchaus Überschneidungen bei den Positionen von Guy Breden und der Strategie der Regierung. Zwar hat die Elektrifizierung in der Mobilität für das federführende Energieministerium Priorität. Dennoch sieht der für die Wasserstoffstrategie zuständige Beamte, Pit Losch, auch Anwendungen für Brennstoffzellen. „Für das Brennstoffzellen-Elektroauto ist es schwierig, eine Nische zu finden. Das liegt unter anderem daran, dass Batterie-Elektro-Autos billiger pro gefahrenem Kilometer, billiger im Unterhalt und effizienter sind.“

Größeres Potenzial sieht Pit Losch insbesondere beim Schwerlasttransport: „Wenn wir über das Auto hinausdenken, zum Beispiel an Lastwagen, Züge, Schiffe oder Flugzeuge, dann würden Batterien immer schwerer werden, sodass man irgendwann an physische Grenzen stößt. Da können Brennstoffzellen-Elektrofahrzeuge und wasserstoffbasierte, synthetische Kraftstoffe interessante Alternativen darstellen.“
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch eine Studie des deutschen „Fraunhofer-Instituts“ im Jahr 2019. Untersucht wurden dabei die Emissionen über das gesamte Produktionsleben von Brennstoffzellen-Fahrzeugen und batteriebetriebenen Autos. Darin enthalten waren also sowohl jene Emissionen, die bei der Produktion anfallen, als auch jene, die im Betrieb entstehen. Ein Ergebnis der Studie: Emissionsvorteile haben Batterie-Fahrzeuge vor allem bei einem kleinen Akku. Je größer die Batterie, desto geringer der Vorteil gegenüber der Brennstoffzelle. Ein Grund sind laut der Untersuchung jene Emissionen, die derzeit noch bei der Fertigung von Batterien anfallen.
Unterstützung für die Transformation
Auch bei den Kosten könnte Wasserstoff in den kommenden Jahren wettbewerbsfähig werden. Die Unternehmensberater von „McKinsey“ rechnen in einer Marktanalyse vor, dass niedrigere Herstellungskosten Wasserstoff bereits bis 2030 konkurrenzfähig zu fossilen Energieträgern machen könnten. Laut dem Bericht könnte der „Brennstoffzellen-Betrieb im Schwertransport bis 2028 preislich mit dem Diesel-LKW gleichziehen.“ Voraussetzung dafür wäre ein Wasserstoff-Preis von rund 4,5 Dollar pro Kilogramm an der Tankstelle. Darin enthalten wären sowohl die Wasserstoff-Produktion als auch das nötige Tankstellennetz.
In der Praxis sieht das 2021 jedoch noch anders aus. In der Schweiz läuft seit diesem Jahr ein Pilotprojekt mit Wasserstoff-Lastwagen des asiatischen Herstellers „Hyundai“. Deutsche Logistikunternehmer wollen nächstes Jahr ebenfalls ein Pilotprojekt mit Brennstoffzellen-Lastwagen starten. Die meisten europäischen Hersteller gehen jedoch erst für das Jahr 2025 von ersten marktreifen Modellen aus.
Luxemburger Fuhrunternehmen wünschen sich in diesem Bereich mehr Unterstützung von der Regierung. Beim Logistikunternehmen „Arthur Welter“ etwa bedauert man, nicht in die Wasserstoff-Strategie eingebunden gewesen zu sein. Finanzdirektor Ben Frin erklärt im Gespräch mit Reporter.lu: „Bis jetzt ist niemand von der Regierung an uns herangetreten. Dabei sind wir sehr an der Brennstoffzellen-Technologie interessiert. Bei der Umsetzung werden wir jedoch alleine gelassen.“
Zudem unterstreicht Ben Frin, dass Wasserstoff derzeit noch eine Zukunftstechnologie sei. „Aktuell gibt es keine Alternative zum Diesel. Wenn die Regierung uns bei der Transformation unterstützen will, dann muss sie uns dafür den nötigen Handlungsspielraum geben. Wie etwa durch Erleichterungen bei den Diesel-Akzisen“, erklärt er.
Das Energieministerium betont diesbezüglich, dass der Veröffentlichung der Wasserstoff-Strategie eine öffentliche Konsultation voranging an der sowohl Betriebe als auch die breite Öffentlichkeit teilnehmen konnten.
Guy Breden bleibt derweil überzeugt von der Wasserstoff-Technologie. Auf die Frage, ob er sich noch einmal ein Brennstoffzellen-Auto kaufen würde, antwortet er mit einem klaren Ja. Auch die Besucher der „Motorshow“ scheinen Gefallen an dem Wagen gefunden zu haben. Auf regeres Interesse stießen aber immer noch die ausgestellten Klassiker der Automobilgeschichte, allesamt mit Verbrennungsmotor.


