Der Gebrauchtwagenmarkt boomt – trotz Corona-Krise. Seit Jahren ist Luxemburg nicht mehr das Land der Neuwagenkäufer. Der nationale Fuhrpark wird immer älter. Dabei bleibt unklar, wie der Wandel auf dem Automarkt mit den Klimazielen der Regierung vereinbar ist. 

An den ersten Gebrauchten, den er verkauft hat, kann sich Guillaume Pereira noch genau erinnern: „Es war ein VW Polo und ich habe 50 Franken Gewinn gemacht. Das vergisst man nicht“, erzählt der Gebrauchtwagenhändler aus Zolwer. Damals, Anfang der 1990er, betrieb er mit seiner Frau eine Autowerkstatt in Bartringen. Das Gebrauchtwagengeschäft lief nur nebenbei, den Hauptumsatz machte Pereira mit Ölwechseln und Reparaturarbeiten.

Heute, rund 30 Jahre später, verkauft Guillaume Pereira zwar immer noch VW Polos, doch daneben stehen Ferraris, Mercedes-Benz und Porsches. Was die Autos gemeinsam haben: Es handelt sich ausschließlich um Gebrauchtwagen. „Ich will jedem Autokäufer etwas anbieten können“, erklärt der Händler die Vielfalt.

Rund 200 Autos hat Pereira im ständigen Angebot und der Betrieb wächst. Den Showroom in Zolwer hat Guillaume Pereira kürzlich um zwei Verkaufsflächen erweitert. Ein Teil der angebotenen Fahrzeuge steht auf einem Freiluftgelände nur wenige hundert Meter Luftlinie entfernt.

Gebrauchtwagen auf dem Vormarsch

Nicht nur bei der Garage Pereira stehen die Zeichen auf Wachstum. Generell boomt der Gebrauchtwagenmarkt in Luxemburg. Dies bestätigt im Gespräch mit Reporter.lu auch der Präsident der „Fédération des distributeurs d’automobiles et de la mobilité“ (Fedamo) Philippe Mersch: „Seit 2012 übersteigt die Zahl der jährlich zugelassenen Gebrauchtwagen jene der Neuwagen.“ Ein Trend, der sich in der Corona-Pandemie noch verstärkt hat, so Philippe Mersch.

„In der Pandemie ist der Neuwagenmarkt mit einem Rückgang von 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen. Bei den Gebrauchtwagenverkäufen war der Rückgang mit rund 3 Prozent weniger Zulassungen als im Vorjahr wesentlich geringer“, sagt der Präsident des Branchenverbandes.

Den größten Wertverlust erleiden Neuwagen in den ersten zwei Jahren. Wer einen Gebrauchtwagen kauft, erspart sich diesen Verlust.“Guillaume Pereira

Der Trend zum Gebrauchtwagenkauf lässt sich auch in den Statistiken zum Fuhrpark in Luxemburg feststellen. Denn die Autos auf den Straßen des Landes werden im Schnitt immer älter. 2020 waren knapp ein Viertel der in Luxemburg zugelassenen Fahrzeuge älter als zehn Jahre.

Das entspricht 103.963 der insgesamt 433.183 Fahrzeuge, die aktuell von der „Société nationale de contrôle et d’agrément (SNCA)“ erfasst sind. Zu diesen zählen auch Oldtimer und Youngtimer, die wohl in den wenigsten Fällen täglich bewegt werden und die Statistik demnach etwas verfälschen dürften.

Vorteile für Händler und Käufer

Doch der Anstieg bei der Zulassung älterer Fahrzeuge geht mit einem Rückgang bei den jungen Gebrauchten einher. Waren im Jahr 2001 noch rund 27 Prozent der Fahrzeuge jünger als zwei Jahre, ist dieser Schnitt über die Jahre stetig gesunken. 2020 machten diese nur noch 21 Prozent der in Luxemburg zugelassenen Autos aus.

Für Händler sind Gebrauchtwagen unter mehreren Gesichtspunkten attraktiv. „Zwar ist das Risiko für die Händler bei Gebrauchtwagen wegen der gesetzlichen Garantie etwas höher, doch gleichzeitig ist auch die Gewinnmarge im Vergleich zu Neuwagen größer“, erklärt Branchenvertreter Philippe Mersch. Zudem macht das Leasing-Geschäft den Gebrauchtwagenhandel attraktiv. Denn durch die Laufzeit der Leasing-Verträge haben Händler jederzeit einen Überblick, welche Fahrzeuge sie wann als Gebrauchte anbieten können.

Guillaume Pereira setzt auf Gebrauchtwagen und sein Betrieb „Garage Pereira“ wächst mit weiteren Verkaufsflächen. (Foto: Leslie Schmit)

Für die Käufer hat der Gebrauchtwagenkauf vor allem finanzielle Vorteile. Guillaume Pereira erklärt: „Den größten Wertverlust erleiden Neuwagen in den ersten zwei Jahren. Wer einen Gebrauchtwagen kauft, erspart sich diesen Verlust.“ Zudem würden Neuwagen an sich immer teurer, was den Gebrauchtwagenkauf noch attraktiver mache, so der Händler aus Zolwer.

Nicht nur älter, auch stärker

Die Entwicklung auf dem Markt der Gebrauchtwagen dürfte auch Folgen für die Klimaziele der Regierung haben. Zur Erinnerung: Rund zwei Drittel der CO2-Emissionen in Luxemburg sind auf den Straßenverkehr zurückzuführen. Auch wenn ein Teil der Emissionen auf Tanktourismus zurückzuführen ist: Der Trend zum Gebrauchtwagenkauf dürfte diese Werte noch verfestigen, denn je älter ein Auto, desto schlechter tendenziell auch die Abgaswerte.

Hinzu kommt, dass die Fahrzeugflotte nicht nur älter, sondern auch leistungsfähiger wird. Hatte das Luxemburger Durchschnittsauto 1990 nur rund 88 PS, verdoppelte sich dieser Wert bis 2017 auf 161 PS.

Bei Kleinwagen geht der Trend deutlich zum Benziner. Aber bei SUVs ist der Diesel nach wie vor attraktiv.“Philippe Mersch, Fedamo

Wohl wurden die Autos in dieser Zeit auch effizienter, doch konnte dies den Leistungszuwachs nur bedingt abfedern. Der Umweltverband „Mouvement écologique“ kritisierte jüngst den zu hohen CO2-Ausstoß bei neu zugelassenen Autos. Der Verband fordert deshalb einen Subventionsstop bei Hydrid-Fahrzeugen und eine Anpassung der Pkw-Steuer.

Mit Berufung auf Zahlen des Mobilitätsministeriums gibt der Umweltverband an, dass 2020 fast 65 Prozent der Neuanschaffungen pro gefahrenen Kilometer mehr als 110 Gramm CO2 ausstießen. Zum Vergleich: Die EU schreibt Herstellern einen Flottengrenzwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer vor.

Dieselskandal mit begrenzten Folgen

Grund für die erhöhten CO2-Werte dürfte auch der steigende Anteil an Benzinern bei den Zulassungen sein. Seit dem Diesel-Abgasskandel nimmt der Anteil an Benzinern in der Fahrzeugflotte stetig zu. So sind etwa seit 2018 auf den Straßen des Landes wieder mehr Autos mit Benzinmotor unterwegs.

Ein Trend, der sich auf dem Gebrauchtwagenmarkt nur teilweise widerspiegelt. Für Guillaume Pereira hatte der Abgasskandal nur zeitlich begrenzte Folgen für sein Geschäft: „Ein Jahr danach gab es einen deutlichen Rückgang der Nachfrage bei Diesel-Pkw. Aber mittlerweile hat sich das eingependelt.“

Weiterhin dominieren die Autos mit Verbrennungsmotor den Gebrauchtwagenmarkt, E-Autos spielen noch keine Rolle. (Foto: Leslie Schmit)

Für Philippe Mersch vom Branchenverband Fedamo hat die Wahl des Antriebs immer auch mit der Anwendung zu tun: „Bei Kleinwagen geht der Trend deutlich zum Benziner. Aber bei SUVs ist der Diesel nach wie vor attraktiv. Auch weil er auf langen Strecken effizienter ist als ein Ottomotor.“

Regierung setzt auf E-Mobilität

Die Luxemburger Regierung macht derweil das Erreichen der eigenen Klimaziele explizit vom Automarkt abhängig. Im Mai 2020 verabschiedete der Regierungsrat den nationalen Energie- und Klimaplan 2021-2030. Der Plan hält jene Maßnahmen fest, die die Regierung für das Erreichen der eigenen Klimaziele umsetzen will.

Im Autohandel ist 2030 eigentlich schon morgen. Ich halte die Ziele der Regierung deshalb für etwas unrealistisch.“Guillaume Pereira

Unter der Rubrik Mobilität wird darin erklärt: „Die verbleibenden Pkw werden konsequent von dem heutigen „fossilen“ Zeitalter (Diesel und Benzin) auf klimafreundliche Alternativen (Elektromobilität, Wasserstoff) umgestellt werden. Diese schnelle Umstellung ist ein wesentlicher Beitrag zur Erreichung der luxemburgischen und europäischen Klima- und Energieziele.“

Konkret will die Regierung den Anteil an Elektroautos in der Fahrzeugflotte auf 49 Prozent steigern. Dies entspräche beim heutigen Bestand 212.259 Fahrzeugen. Aktuell sind aber nur 4.444 rein elektrische Autos in Luxemburg zugelassen. Das entspricht knapp einem Prozent der Gesamtflotte.

Nischendasein bei Gebrauchten

Auf die Klimaziele der Regierung angesprochen, gibt sich Gebrauchtwagenhändler Guillaume Pereira skeptisch: „Im Autohandel ist 2030 eigentlich schon morgen. Ich halte die Ziele deshalb für etwas unrealistisch.“ Denn bei gebrauchten Wagen spiele das E-Auto fast keine Rolle, so der Händler. Für ihn ist der geringe Marktanteil ein Grund, wieso E-Autos nur einen Bruchteil der angebotenen Gebrauchtwagen ausmachen: „Beim Thema E-Autos herrscht einfach noch zu viel Ungewissheit. Etwa, was die Akkus betrifft und was ein Defekt nach Ablauf der Garantie bedeutet.“

Ein Blick auf die angebotenen Fahrzeuge in Gebrauchtwagenportalen zeigt: Gebrauchte E-Autos sind noch ein Nischenprodukt. Von rund 13.041 angebotenen Fahrzeugen haben lediglich 311 einen rein elektrischen Antriebsstrang. Die überwiegende Mehrheit des Angebots besteht aus Wagen mit Verbrennungsmotor.

Auch Philippe Mersch von Fedamo bestätigt: „Das E-Auto spielt derzeit noch keine Rolle auf dem Gebrauchtwagenmarkt.“ Der Ansicht von Guillaume Pereira, dass E-Autos schwerer zu verkaufen seien, widerspricht Mersch allerdings: „Wenn ein gebrauchtes E-Auto zum Verkauf angeboten wird, findet es in der Regel sehr schnell einen Käufer.“

Hoffen auf die Zukunft

Zudem ist Philippe Mersch überzeugt, dass die E-Autos, die jetzt zugelassen werden, in wenigen Jahren attraktive Gebrauchtwagen abgeben werden. Dies liege nicht zuletzt an der Kaufprämie vom Staat: „Die Prämie überträgt sich natürlich auch auf den Gebrauchtwagenmarkt und wird in den Wertverlust einkalkuliert. Deshalb gehe ich davon aus, dass Kaufinteressenten in ein paar Jahren günstige, gebrauchte E-Autos erwerben können.“

Ob die staatliche Förderung allein jedoch ausreicht, um den Umstieg auf Elektromobilität zu schaffen, ist ungewiss. Einige Staaten haben deshalb bereits ein Auslaufdatum für neue Verbrenner beschlossen. So will Norwegen bereits 2025 keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zulassen. Erst vor zwei Wochen forderten neun EU-Mitgliedstaaten, darunter auch Luxemburg, die Europäische Kommission dazu auf, ein konkretes Auslaufdatum für Verbrenner zu beschließen.

Dass auch Luxemburg zu den Unterzeichnerstaaten zähle, sorgte derweil bereits für eine parlamentarische Anfrage des LSAP-Abgeordneten Mars di Bartolomeo.

Ein Verbot von neuen Verbrennern wird nicht ohne Folgen für den Gebrauchtwagenmarkt bleiben. Auch wenn fraglich ist, ob ein Verbot den Gebrauchtwagenmarkt nicht eher begünstigen könnte.