Eigentlich kennt Luxemburg keine Berufspolitiker. Einige Abgeordnete leben jedoch ausschließlich von ihrem Mandat und erhalten dafür vom Parlament noch eine zusätzliche Vergütung. Selbstständige und Berufslose mussten diesen Betrag nicht öffentlich machen – bis jetzt.

„Es ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss. Wir müssen noch Anpassungen vornehmen, wenn wir sehen, wie sich der Text in der Praxis bewährt“, sagte Alex Bodry (LSAP) 2014 während der Debatte über den Verhaltenskodex der Abgeordneten. Sechs Jahre nach der Rede musste zwar nicht der Text, sondern dessen Interpretation angepasst werden.

Laut Geschäftsordnung des Parlaments müssen die Abgeordneten alle Einnahmen offenlegen, die sie aus Tätigkeiten neben ihrer parlamentarischen Arbeit beziehen. Allerdings führte dies zu einer Ungleichbehandlung zwischen den Parlamentariern, denn nicht alle Gehälter mussten angegeben werden.

Selbstständige, Arbeitnehmer im Privatsektor und Berufslose erhalten zusätzlich zu ihrem Abgeordnetengehalt einen sogenannten „congé politique“. Die wenigsten Abgeordneten gaben diesen Betrag jedoch in der Erklärung an. Das soll sich nun ändern. Laut der Parlamentsverwaltung sei eine Anpassung des Reglements nicht nötig. Die Kompensation gilt allerdings jetzt als Vergütung, die die Abgeordneten neben ihrem Parlamentsmandat beziehen – und somit veröffentlichen sollen.

Alte Regeln, neue Interpretation

22 Abgeordnete, die als „selbstständig“ gelten, wovon neun es nicht sind: Recherchen von Reporter.lu wiesen im Februar auf Probleme bei der Umsetzung des „Code de conduite“ der Abgeordneten hin. Mehrere Volksvertreter reichten unvollständige Erklärungen ein, andere taten sich mit der Interpretation des Textes schwer. „Im Moment haben wir es mit einem Mischmasch von Angaben zu tun, die für die Öffentlichkeit und selbst für manche Politiker schwer nachzuvollziehen sind“, sagte Josée Lorsché (Déi Gréng) nach der Veröffentlichung der Recherchen.

Ich habe nach der Diskussion über die Nebeneinkünfte selbst beschlossen, das Gehalt einzutragen.“
Marc Spautz, CSV-Abgeordneter

Im Zentrum der Kritik standen sowohl die Regeln für Berufslose und Selbstständige als auch die Anteile, die Abgeordnete am Kapital von Firmen wie einer „Société civile immobilière“ (SCI) besitzen. Die Abgeordneten Yves Cruchten (LSAP) und Laurent Mosar (CSV) sprachen sich hier für Nachbesserungen aus. Der CSV-Abgeordnete äußerte sich allerdings zurückhaltend bei der Frage, ob die Abgeordneten alle Anteile in einer Firma angeben müssen. Er selbst würde sich dies überlegen, am 1. Oktober reichte er eine neue Erklärung ein, die allerdings keine Beteiligung an einer Firma aufzeigt.

Wenige Tage nach Veröffentlichung der Recherchen von Reporter.lu hat der Vorstand des Parlaments („Bureau“) sich über eine mögliche Anpassung des Reglements ausgetauscht. Laut der Parlamentsverwaltung hielten die Abgeordneten in der Sitzung Anfang März fest, keine Änderungen am Verhaltenskodex vorzunehmen. In Absprache mit dem beratenden Gremium für ethische Fragen wurde allerdings entschieden, den „Congé politique“ sowie die Kompensation für Selbstständige oder Berufslose in das bestehende Formular einzutragen. „Das war bei uns gar keine größere Diskussion“, sagt Fernand Etgen (DP) im Gespräch mit Reporter.lu.

Transparenzlücken bestehen weiter

Die Gelegenheit wurde jedoch nicht genutzt, um mehr Transparenz bei den Firmenanteilen von Abgeordneten zu schaffen. „Natürlich wird den Abgeordneten empfohlen, alle Anteile anzugeben, aber es bleibt nicht verpflichtend“, sagt Marc Spautz (CSV) auf Nachfrage von Reporter.lu. Er könne sich auch nicht erinnern, dass unmissverständlich festgelegt wurde, das Kompensationsgehalt anzugeben. „Ich habe nach der Diskussion über die Nebeneinkünfte selbst beschlossen, das Gehalt einzutragen“, so der Abgeordnete, der auch Mitglied des Parlamentsvorstandes ist.

Eine Einschätzung, die auch von Djuna Bernard (Déi Gréng) geteilt wird. Die Parteipräsidentin der Grünen ist ebenfalls Mitglied des „Bureau“, kann sich allerdings auch nicht entsinnen, eine klare Regelung festgelegt zu haben. „Wir haben innerhalb unserer Partei beschlossen, dies klarer zu regeln. Soweit ich weiß, wurde allerdings keine formale Entscheidung im Parlament getroffen“, so die Abgeordnete. Die Parlamentsverwaltung bestätigt allerdings, dass der Punkt am 2. März auf der Tagesordnung des „Bureau“ stand und dort vereinbart wurde, den Text neu zu interpretieren.

Die neue Richtlinie wurde jedoch nicht von allen Parteien umgesetzt. Alle Abgeordnete der Grünen haben inzwischen die Leitlinie der Partei umgesetzt und geben das zusätzliche Gehalt von mehr als 60.000 Euro jährlich in ihrer Erklärung an. Bei den anderen Parteien zeigten die Abgeordneten bisher aber noch nicht die nötige Sorgfalt.

Nur wenige Parlamentarier bessern nach

Die Zahl der Abgeordneten der anderen Parteien, die ihre Erklärung angepasst haben, ist allerdings gering. Unter den Berufspolitikern erklären lediglich Marc Spautz, Serge Wilmes (beide CSV) und Gusty Graas (DP) mehr als 50.000 Euro jährlich als „congé politique“ oder für ihre Arbeit als „Selbstständige“ zu erhalten. Unter ihnen ist Marc Spautz der Einzige, der dies erst nach Veröffentlichung der Recherchen von Reporter.lu im Februar getan hat. Die anderen „berufslosen“ Politiker haben noch keine neue Erklärung eingereicht.

Die drei CSV-Abgeordneten Aly Kaes, Marco Schank und Michel Wolter sowie Lydia Mutsch (LSAP) und David Wagner (Déi Lénk) haben demnach die Empfehlung noch nicht umgesetzt. „Ich wurde darüber auch nicht informiert“, sagt David Wagner auf Nachfrage von Reporter.lu. Seine Partei ist nicht im Vorstand des Parlaments vertreten.

Le Comité estime que le congé politique devrait faire l’objet d’une publication dans la catégorie C) de la déclaration des intérêts financiers des députés.“Comité consultatif sur la conduite des députés

Unter den tatsächlichen Selbstständigen sind es wiederum nur die beiden Grünen Abgeordneten Stéphanie Empain und Marc Hansen als auch der Pirat Sven Clement und Laurent Mosar, die eine neue Erklärung eingereicht haben. Der grüne Abgeordnete gehört somit auch zu den Topverdienern des Parlaments. Neben der jährlichen Kompensation für Selbstständige und Berufslose erwirtschaftet Marc Hansen mehr als 100.000 Euro jährlich als Apotheker. Der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar hat die Anpassung allerdings erst am Donnerstag vorgenommen. Am gleichen Tag erinnerte die Parlamentsverwaltung die Abgeordneten daran die Erklärungen zu aktualisieren.

Die anderen Anwälte im Parlament haben jedoch noch keine neue Erklärung eingereicht. Roy Reding (ADR), Carole Hartmann (DP), Pim Knaff (DP) und Léon Gloden (CSV) weisen nicht auf das Kompensationsgehalt hin. Nur der Bürgermeister von Grevenmacher arbeitet als Angestellter in einer Anwaltskanzlei. Demnach bezieht er von seinem Arbeitgeber einen „congé politique“, den er allerdings auch nicht in seiner Erklärung aufführt. Auch Marc Baum (Déi Lénk), Felix Eischen (CSV) und Marc Goergen (Piratepartei) haben die Anpassung noch nicht umgesetzt.

Klare Ansage des Ethikrats

Die Ungleichbehandlung, die Laurent Mosar bereits im Februar kritisiert hat, besteht also weiter. Während die früheren Beamten im Parlament ihre Nebenverdienste („traitement d’attente“ oder „pension spéciale“) explizit eintragen müssen, werden bei Selbstständigen und Berufspolitikern weiterhin beide Augen zugedrückt. Mosar erklärte damals selbst, dass die 60.000 Euro bereits in seinem Anwaltsgehalt eingerechnet seien. Erst jetzt führt er beide Beträge getrennt in seiner Erklärung auf.

Das Beispiel veranschaulicht, dass nicht jeder Abgeordnete gleich mit den Regeln umgeht. Zudem gibt Sven Clement an, einen Gehaltbonus von weniger als 50.000 Euro zu erhalten. „Ich habe damals bei der Verwaltung nachgefragt und die erklärten mir, man müsse das steuerpflichtige Einkommen angeben“, sagt der Piratenabgeordnete im Gespräch mit Reporter.lu. Entgegen der Empfehlung des „Bureau“, listeten die anderen Abgeordneten jedoch den Bruttobetrag auf. Eine Neuinterpretation scheint demnach nicht auszureichen, klarere Regeln sind nötig.

Um diese allerdings umzusetzen, müssten die Abgeordneten in erster Linie über die Änderungen informiert werden. Da der Text nicht weiter angepasst wurde, scheinen sich die wenigsten ihrer neuen Pflicht bewusst zu sein. Zumindest die Interpretation des Artikels hat sich demnach in der Praxis noch nicht bewährt. Der Weisheit letzter Schluss, wie es Ex-Parlamentarier Alex Bodry bei der Verabschiedung des Verhaltenskodex formuliert hatte, wurde also noch nicht gefunden.

Die Parlamentsverwaltung hat nun am 1. Oktober in einer E-Mail alle Betroffenen erneut darauf hingewiesen, eine aktualisierte Fassung ihrer Erklärung einzureichen. In der E-Mail wird auf eine Stellungnahme des „comité consultatif sur la conduite des députés“ verwiesen: „Le Comité estime que le congé politique devrait faire l’objet d’une publication dans la catégorie C) de la déclaration des intérêts financiers des députés.“ Die Verantwortung, dies zu tun, liegt laut der geltenden Fassung des Verhaltenskodex jedoch allein bei den Abgeordneten.


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