Seit 2014 sind die Mitglieder des Luxemburger Parlaments verpflichtet, ihre Nebenverdienste offen zu legen. Wie Recherchen von REPORTER ergeben, nehmen einige Abgeordnete diese Auskunftspflicht jedoch nicht immer ernst. Über die Grenzen der Transparenz.

„Aus Gründen der Transparenz“ sollen alle Abgeordnete ihre finanziellen Interessen offenlegen. So heißt es im Verhaltenskodex des Parlaments, der seit 2014 in Kraft ist. Spätestens 30 Tage nach ihrer Vereidigung müssen die Parlamentarier dazu eine schriftliche Erklärung abgeben, die dann auf der Webseite der Abgeordnetenkammer veröffentlicht wird.

Aus den Erklärungen geht hervor, was die Mitglieder des Luxemburger Parlaments neben ihrem Abgeordnetenmandat noch verdienen. Verpflichtend sind dabei jegliche Angaben zu Einkommen außerhalb des politischen Mandats sowie laut Verhaltenskodex „jedes andere finanzielle Interesse, das die Ausübung der Funktion des Abgeordneten beeinflussen könnte“.

Im Prinzip halten sich Luxemburgs Parlamentarier an den Kodex und haben jeweils ihre „Déclaration d’intérêts financiers“ veröffentlicht. REPORTER-Recherchen haben jedoch ergeben, dass nicht jeder Abgeordnete alle seine Nebenverdienste deklariert. Das belegen etwa Nachforschungen im Handelsregister und in Jahresberichten von Unternehmen sowie Nachfragen bei Betroffenen und der Parlamentsverwaltung.

Zudem existieren wesentliche Grauzonen in den parlamentsinternen Regeln. Diese führen dazu, dass bestimmte Einkommen und finanzielle Interessen von Abgeordneten der Öffentlichkeit vorenthalten bleiben.

Intransparente und vergessene Einkommen

Ein Beispiel ist Lydie Polfer. Als Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg verdient die DP-Abgeordnete monatlich etwa 7.000 Euro zusätzlich zum Abgeordnetengehalt. Hinzu kommt ein Posten im Aufsichtsrat des deutschen Versicherungsunternehmens FWU, weitere kommunale Ämter und ein Verwaltungsratsposten in der Philharmonie. Ihre Mitgliedschaft im Verwaltungsrat bei Luxtram führt sie allerdings in ihrer Erklärung nicht auf – eine Lücke, die sie sich selbst auf Nachfrage von REPORTER nicht erklären kann. 2019 erhielt sie laut eigener Aussage für dieses Mandat 4.113 Euro.

Eine regelkonforme, aber nicht unbedingt transparente Angabe macht die CSV-Abgeordnete Viviane Reding. Die langjährige EU-Kommissarin hält regelmässig bezahlte Reden im Ausland. Interessenten können sie etwa über das „London Speaker Bureau“ buchen. Wer ihre Reden bezahlt und wie hoch die Vergütung ist, taucht nicht in ihrer Erklärung auf. Der Grund: Die Einnahmen aus diesen Aufträgen fließen an ihre Consultingfirma „VivReConsult S.à r.l.“, die sie vor knapp einem Jahr gründete.

Diese Firma gibt sie tatsächlich auch an, allerdings mit dem Zusatz, dass sie daraus keine Einkünfte erziele. Aktuell würden die Einnahmen die Kosten für zahlreiche unbezahlte Auftritte gerade so decken, erklärt Viviane Reding auf Nachfrage von REPORTER. Sie schließt aber nicht aus, dass die Firma in Zukunft einmal Gewinn abwerfen könnte.

Das Gehalt eines Abgeordneten

Das Grundgehalt eines Parlamentariers wird im Wahlgesetz festgehalten und beläuft sich aktuell auf rund 7.500 Euro brutto im Monat. Die Hälfte des Betrages gilt dabei als „frais de représentation“ und ist somit von der Einkommensteuer befreit. Fraktionschefs erhalten eine zusätzliche Vergütung in Höhe von rund 4.000 Euro pro Monat. Dem Parlamentspräsidenten steht zusätzlich zum Abgeordnetengehalt ein Bonus von knapp 6.000 Euro pro Monat an „frais de représentation“ zu. Alle Mitglieder des Parlaments erhalten zudem Sitzungsgelder („jetons de présence“) für ihre Teilnahme an Sitzungen im Plenum und in Ausschüssen. Dieser Teil des Gehalts variiert je nach Präsenz in den Ausschüssen und nach der Anzahl von Sitzungen während eines Monats. Die Abgeordneten müssen einen Teil ihres Abgeordnetengehalts an die Partei abtreten. Hinzu kommen jedoch weitere Vergütungen.

Michel Wolter (CSV) saß letztes Jahr noch im Vorstand vom CGDIS und Dan Biancalana (LSAP) im Vorstand der „Cogénération Dudelange – Brill“. Beides ist nicht in den Erklärungen der Abgeordneten zu finden. Der Bürgermeister von Dudelange erhält zudem eine Sonderrente als Kriminologe, wie hoch diese ausfällt, hat er nicht angegeben. Im Gespräch mit REPORTER, sagt er, dass er für den Vorstandsposten keine Vergütung erhalte und seine „pension spéciale“ bei weniger als 5.000 Euro monatlich liege.

Auch bei Roy Reding zeigt sich auf den ersten Blick eine Lücke in seiner Erklärung: Der ADR-Politiker hält laut „Registre des bénéficaires effectifs“ weiterhin 50 Prozent der Immobiliengesellschaft „www. Domaine de Linger S.A.“, gibt sie aber nicht an. Der Grund: Er sei inzwischen nicht mehr Teilhaber der Firma, sagt Reding gegenüber REPORTER. Der neue Besitzer habe den Eintrag im Register nicht aktualisiert – überprüfen lässt sich das nicht.

Gummiparagraphen und fehlende Kontrolle

Die Verwaltung des Parlaments empfiehlt den Abgeordneten, ihre Erklärung jährlich zu erneuern und gegebenenfalls anzupassen. Die Rechtsabteilung begutachtet anschließend mit den Parlamentariern jeweils die Angaben. Jedoch könne man nur auf Lücken aufmerksam machen, wenn diese der Öffentlichkeit bekannt sind, heißt es von der Verwaltung der Abgeordnetenkammer auf Nachfrage von REPORTER.

Doch selbst dann kann von wirklicher Kontrolle keine Rede sein. Lydie Polfer gab ihren Posten bei Luxtram in ihrer vorletzten Erklärung an. Ein Vergleich beider Erklärungen hätte gereicht, um festzustellen, dass diese Angabe aktuell fehlt. Laut der Verwaltung des Parlaments gibt es keine Garantie, dass die Angaben vollständig sind. Die Verantwortung, eine vollständige Erklärung abzugeben, liege alleine bei den Abgeordneten.

Für viele Parlamentarier ist jedoch nicht klar, wie weit die Transparenz gehen soll. Wer eine wesentliche Beteiligung an einem Unternehmen hat, muss diese auflisten. Gleiches gilt, wenn bereits ein kleiner Anteil an Aktien einen Einfluss auf die eigenen politischen Positionen hat.

Was eine „wesentliche Beteiligung“ ist und wie stark der Einfluss auf die Politik sein muss, sollen die Abgeordneten nach „âme et conscience“ entscheiden. Die Fraktion der Grünen hat beschlossen, alle Aktien anzugeben – unabhängig davon, wie viele es sind. Andere Fraktionen haben offenbar keine internen Vorgaben festgelegt.

Abgeordnete und ihre Immobilienfirmen

Offen zurückhaltend sind die Abgeordneten, wenn es um die Angabe ihres Immobilienbesitzes geht. Klar ist, dass Häuser oder Grundstücke, die ein Abgeordneter persönlich besitzt nicht offenzulegen zu sind. Es gibt aber offenbar unterschiedliche Auslegungen, ob Abgeordnete ihre Anteile an einer sogenannten „Société civile immobilière“ (SCI) angeben müssen. Diese Gesellschaftsform dient zur einfachen Verwaltung von privatem Immobilienvermögen.

Parlamentspräsident Fernand Etgen (DP) und die grüne Abgeordnete Stéphanie Empain geben ihre jeweilige SCI in ihren „Déclarations d’intérêts financiers“ an. Es gehe schließlich um Transparenz, sagt Stéphanie Empain im Gespräch mit REPORTER: „That’s the point, right?“

Ihr Parteikollege Charles Margue hat das allerdings anders verstanden. Er ist zu 50 Prozent an der französischen „Société civile I&C Company“ beteiligt. Doch diese Gesellschaft taucht in seiner Transparenzerklärung nicht auf. „Das ist so im Formular nicht vorgesehen“, sagt er auf Nachfrage von REPORTER.

Doch genau dieser Punkt ist strittig. Denn im Formular steht, dass es um die Angabe jeder Beteiligung in einer Kapital- oder Personengesellschaft geht, in welcher der Abgeordnete eine wesentliche Rolle spielt. Zudem hielt der Ethikrat des Parlaments 2015 fest, dass jede Form von Gesellschaft unter den Verhaltenskodex fällt. Das Gremium beantwortete damals explizit die Frage nach der Handhabung einer SCI. Das ist auch der aktuelle Standpunkt der Verwaltung, wie das Generalsekretariat des Parlaments auf Nachfrage von REPORTER bestätigt.

Es gibt demnach keinen nachvollziehbaren Grund, warum ein Abgeordneter diese Beteiligungen verschweigt. Auch die Abgeordneten Lydie Polfer (DP), Guy Arendt (DP) und Laurent Mosar (CSV) geben ihre jeweiligen Immobiliengesellschaften nicht an. Es gehe um einen „rein familiären Besitz“, betont Lydie Polfer auf Nachfrage. Die Angabe dieser SCIs sei ihrer Auffassung zufolge nicht notwendig. Sie habe aber auch kein Problem damit, dies offenzulegen, wenn es denn gefragt sei, so die Bürgermeisterin der Hauptstadt weiter.

Update: Laut eigener Aussage ist der ADR-Abgeordnete Roy Reding nicht mehr Teilhaber der Firma „www. Domaine de Linger S.A.“ – trotz anderen Informationen im „Registre des bénéficiaires effectifs“ . Redings „déclaration des intérêts financiers“ wäre demnach vollständig.


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