Als Pilotprojekt tauchten Schnelltests in Schulen erst Ende März auf, demnächst könnten sie flächendeckend zum Einsatz kommen – oder auch nicht. Schnelltests gelten als Hoffnungsträger in der Pandemiebekämpfung. Luxemburg hat ihren Nutzen allerdings erst spät erkannt.
Als Weg aus der Krise werden Antigen-Schnelltests in der sogenannten Modell-Stadt Tübingen bezeichnet. Vor dem Gastronomiebesuch oder dem Einkauf ist ein negatives Testergebnis nötig. Durchgeführt werden die Tests an mehreren Orten in der baden-württembergischen Universitätsstadt. Damit war Tübingen bis vor Kurzem noch eher die Ausnahme, als die Regel. „Lassen Sie uns alle hoffen, dass es in Tübingen gut läuft, dann können auch andere Städte im Land von den Erfahrungen profitieren und sie übertragen“, sagte Oberbürgermeister Boris Palmer kürzlich im Interview mit dem „SWR“.
Tatsächlich wurden nun auch im Saarland und in Rheinland-Pfalz Lockerungen durch eine neue Teststrategie beschlossen. Das Experiment geriet zuvor allerdings unter Druck, da die Infektionszahlen auch in Tübingen erneut stiegen. „Testen statt Lockdown“ sei Wunschdenken, genau wie „Abnehmen durch Essen“, schrieb etwa SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach auf Twitter.
In Luxemburg hat die Diskussion über den Einsatz von Schnelltests trotz bereits bestehender Lockerungen gerade erst begonnen. Das Bildungsministerium prüft zurzeit etwa, ob Schnelltests systematisch in Schulen eingesetzt werden sollen. Eine ausgearbeitete Strategie lässt allerdings weiter auf sich warten. Vor allem die Möglichkeit, regelmäßig flächendeckend zu testen, könnte einen wesentlichen Beitrag in der Pandemiebekämpfung leisten.
200.000 Schnelltests im Regal
Bereits Anfang Dezember hat die Regierung erste Schnelltests gekauft. Geplant war ursprünglich der Einkauf von 900.000 Tests. Die Bestellung wurde allerdings angepasst, so dass nur 550.000 Tests des Pharmakonzerns „Roche“ geliefert wurden. Jedoch kamen von der Bestellung lediglich 350.000 zum Einsatz. Diese wurden sowohl in Krankenhäusern und Pflegeheimen als auch in Sportstätten, Kultureinrichtungen und Schulen genutzt, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Damit wartet ein Großteil der Bestellung weiterhin in den Regalen der „Santé“ auf seinen Einsatz. „Die Nachfrage ist nicht so groß, wie wir es uns erwartet haben“, sagte Ministerin Paulette Lenert (LSAP) vor einigen Wochen.
Das Problem: Die Tests mussten von ausgebildetem Personal durchgeführt werden. Im Vergleich zu einem PCR-Test ist demnach nur das schnelle Resultat ein Vorteil. Vor einer weiteren Bestellung wartete das Gesundheitsministerium zuerst die Überprüfungen der Tests durch das „Laboratoire national de la santé“ ab. Dieses sollte feststellen, ob die erhofften Qualitätskriterien auch tatsächlich erfüllt würden. Erst vor wenigen Wochen fiel die Entscheidung, Selbsttests zu kaufen, die mit einem Abstrich im vorderen Teil der Nase durchgeführt werden können.

Die Teststrategie der Regierung beruht allerdings weiterhin auf Schnelltests, die von medizinischem Personal durchgeführt werden müssen. Demnach sollten die Tests in erster Linie in der Notaufnahme oder bei Pflegepersonal, das während der Arbeit leichte Symptome entwickelt, genutzt werden. Das Ministerium begründet die begrenzten Einsatzmöglichkeiten mit dem geringen Mehrwehrt der Tests. Diese wären erst sinnvoll, wenn die Kapazitäten der PCR-Testung ausgelastet sind. „Allerdings ist Luxemburg weltweit einmalig mit PCR-Testmöglichkeiten ausgestattet“, so Paulette Lenert in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Martine Hansen und Claude Wiseler (beide CSV).
Erst am 23. Februar weitete das Gesundheitsministerium die Nutzung der Tests aus. Per „Lettre Circulaire“ erklärte der Direktor der Gesundheitsbehörde, Jean-Claude Schmit, dass die Tests den Ärzten für die Untersuchung von Patienten frei zur Verfügung gestellt würden. Demnach könnten Menschen mit Symptomen oder Patienten vor einem medizinischen Eingriff, bei dem viel Aerosole ausgestoßen werden, auch in Praxen von Ärzten getestet werden.
Ein Test mit Lücken und Tücken
Dabei wird in anderen Ländern bereits seit Monaten systematisch auf Schnelltests gesetzt. In Österreich wird seit Dezember letzten Jahres jeder Schüler zweimal wöchentlich getestet. Wer den Test verweigert, darf nicht am Präsenzunterricht teilnehmen. Doch trotz regelmäßiger Tests, Schichtbetrieb, Maskenpflicht und weiteren Hygieneregeln stieg die Inzidenz auch bei Schülern in Österreich vor den Osterferien an.
Im Verdacht für den plötzlichen Anstieg stehen sowohl eine nicht vollständige Umsetzung der Regeln, als auch die britische Variante des Coronavirus. Um einer Schließung der Schulen vorzubeugen, soll nun bereits in zwei Fällen eine gesamte Klasse in Quarantäne. Zudem erhöhte das österreichische Gesundheitsministerium die Frequenz der Tests. Dreimal wöchentlich müssen die Schüler sich nun testen.
Das Beispiel zeigt die Grenzen der Schnelltests im Kampf gegen die Pandemie. Die Tests sind ein komplementäres Mittel zur Beilegung der Krise, aber kein Ersatz für andere Maßnahmen. Ein Grund für den Anstieg der Infektionen ist nämlich auch die Ungenauigkeit der Antigentests. Laut der Weltgesundheitsorganisation sollen die Tests mindestens 80 Prozent der Infizierten entdecken und nur bei drei Prozent ein falsch-positives Ergebnis liefern. Mittlerweile liefern viele Schnelltests bereits bei 90 Prozent aller Covid-19-Erkrankten ein positives Ergebnis.
Problematisch sind allerdings vor allem falsch-positive Ergebnisse, da diese bei Schnelltests weitaus häufiger vorkommen, als bei einem PCR-Test. Dennoch konnten auch hier die Testverfahren verbessert werden, so dass nur rund ein Prozent aller Tests ein falsch-positives Ergebnis liefert. Anschließend muss das Ergebnis eines positiven Tests in Luxemburg ohnehin per PCR-Test bestätigt werden.
Doch selbst diesen besseren Tests entgeht somit einer von zehn Fällen. Zudem nimmt die Genauigkeit durch die Selbsttestung weiter ab. Dies erwies sich auch in Österreich als Problem. Durch die höhere Infektiosität der britischen Variante können die betroffenen Schüler schnell Ausbrüche verursachen. Doch genau aus diesem Grund wird die Testfrequenz in den österreichischen Schulen erhöht.
Frequenz ist wichtiger als Genauigkeit
In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Martine Hansen und Jean-Marie Halsdorf (beide CSV) erklärten das Gesundheits- und das Bildungsministerium, dass eine erste Bestellung von 500.000 Selbsttests zu einem Stückpreis von 2,39 Euro getätigt wurde. Damit sind sie deutlich billiger als etwa ein PCR-Test (etwa 60 Euro pro Probe). Der günstige Kaufpreis erlaubt es deshalb auch, die Tests großflächig und in hoher Frequenz einzusetzen.
Demnach könnte eine Infektionswelle, ersten Berechnungen zufolge, bei einer Testbereitschaft von 75 Prozent und Tests an jedem dritten Tag innerhalb von sechs Wochen gestoppt werden. Selbst bei einer Testbereitschaft von 50 Prozent kommt laut einer Studie von US-Forschern das Infektionsgeschehen nach etwa zehn bis zwölf Wochen zum Erliegen.
Diese Berechnungen zeigen, dass die Frequenz ausschlaggebend ist. Je länger das Intervall zwischen den Tests wird, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit eines unentdeckten Ausbruchs. Häufiges Testen sei demnach wichtiger als eine hohe Genauigkeit des Tests, erklären die Autoren der genannten Studie. Zurzeit setzt die Regierung allerdings mit dem „Large Scale Testing“ vor allem auf hohe Genauigkeit. Nur einzelne Berufsgruppen werden alle zwei Wochen getestet.

Bei den Daten handelt es sich jedoch lediglich um Modellrechnungen. Beim „Large Scale Testing“ haben sowohl in der ersten als auch in der zweiten Phase etwa die Hälfte der Bevölkerung die Einladung angenommen. Mit einer vergleichbaren Bereitschaft müsste über mehrere Monate getestet werden, um die erwünschten Resultate zu erzielen.
Bis jetzt besteht in Luxemburg allerdings weder eine Test- noch eine Meldepflicht für einzelne Personen, falls ein Schnelltest positiv ausfallen sollte. Für ein sechswöchiges Programm mit entsprechend hoher Beteiligung und Tests zweimal wöchentlich würde die Regierung etwa 5,7 Millionen Schnelltests benötigen. Sollen auch alle Grenzgänger getestet werden, müssten mindestens 7,5 Millionen Tests bestellt werden. Auf Nachfrage von Reporter.lu bestätigt das Gesundheitsministerium, bereits 7,951 Millionen Kits bestellt zu haben. Wie diese allerdings eingesetzt werden sollen, ist noch unklar. Die letzte Lieferung soll spätestens Anfang Mai eintreffen.
Pilotprojekt in Luxemburgs Schulen
Bereits jetzt wurden in einer Pilotphase in vier Grund- und zwei Sekundarschulen 9.000 Selbsttests eingesetzt. In der ersten Woche sollten die Schüler sich zu Hause und in der zweiten Woche in der Schule testen. Durch einen ersten Test im familiären Umfeld „sollten den Schülern mögliche Ängste genommen werden“, erklärt das Bildungsministerium auf Nachfrage von Reporter.lu. Außerdem hätten die Schulen „konkrete Informationen und eine Gebrauchsanweisung des Tests erhalten“, so das Bildungsministerium.
Die Testung sei zudem freiwillig. Bis jetzt ist die Bereitschaft offenbar groß. Immerhin 95 Prozent der Schüler und Lehrer aus der Pilotphase haben sich selbst getestet. Kommende Woche soll das Ministerium nun entscheiden, ob die Strategie ausgeweitet wird. Inwiefern sich diese Beteiligungsquote bei einer Ausweitung auf alle Schulen über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten lässt, muss sich dann noch zeigen.
Nicht bekannt ist dagegen, was das eigentliche Ziel dieses Projekts ist. In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Martine Hansen und Claude Wiseler erklärt Bildungsminister Claude Meisch (DP), dass man zuerst feststellen wolle, welchen Einfluss die Testung auf den schulischen Alltag habe. Zudem sollten logistische Hürden untersucht werden. Das Eindämmen des Infektionsgeschehens wird offiziell nicht als Ziel erwähnt.
Auf die Inzidenz kommt es an
„Die weitestgehende Strategie wäre dann, dass man zweimal pro Woche testet, unabhängig von Symptomen und von sonstigem Verhalten. Das hat sicherlich einen größeren Effekt. Aber es muss einem auch klar sein, dass das in der Schule zu Problemen führen kann“, sagte die Virologin Sandra Ciesek kürzlich im „NDR-Podcast“. Der Grund seien mögliche falsch-positive Ergebnisse.
Wird zum Beispiel eine Schule mit 1.000 Schülern getestet, sind bei den meisten Tests im Schnitt zehn Ergebnisse positiv, obwohl die Betroffenen nicht infiziert sind. Sind gleichzeitig nur wenige Schüler tatsächlich erkrankt, können diese falschen Ergebnisse den Eindruck erwecken, dass die Tests sinnlos seien. Zudem müssten die Schüler in Isolation, bis sie ein negatives Ergebnis eines PCR-Tests vorzeigen könnten. Der Schulalltag könnte durch die Testung also wesentlich beeinträchtigt werden.
Allerdings sind die Infektionszahlen in Luxemburg konstant auf einem hohen Niveau, so dass die Zahl der falsch-positiven Ergebnisse vermutlich nicht ins Gewicht fällt. Wie hoch der tatsächliche Einfluss falscher Ergebnisse ist, hängt auch von der Testvariante ab.
Per Erlass veröffentlichte das Ministerium am Dienstag eine Liste mit Selbsttests, die in Luxemburg zugelassen sind. Aus dem Text geht hervor, dass ein Teil der 1,5 Millionen Tests, welche die „Santé“ bereits bestellte, vom chinesischen Hersteller „Guangzhou Wondfo Biotech Co., Ltd“ stammen. Mit diesem Test konnten bis jetzt gute Erfahrungen gesammelt werden. In einer Studie mit 327 Teilnehmern lieferte der Selbsttest kein einziges falsch-positives Ergebnis. In 85 Prozent der Fälle konnte er die Infektion korrekt nachweisen. Auf Nachfrage bestätigt das Gesundheitsministerium, dass es sich beim zweiten Test um einen Selbsttest von „Beijing LEPU Medical Technology Co. Ltd“ handelt.
Das Gesundheitsministerium habe die Schnelltests gekauft, um Lieferengpässen vorzubeugen. Für ihren Einsatz könnte laut dem Gesundheitsministerium auch die Inzidenz ausschlaggebend sein. „Zum Beispiel, wenn die Infektionszahlen wieder exponentiell steigen, dann könnten wir die ganze Bevölkerung einmal testen, so dass die Zahlen wieder abnehmen“, sagte Thomas Dentzer vom Gesundheitsministerium gegenüber „Radio 100,7“. Sollten die Zahlen allerdings nicht erneut rasant ansteigen, könnte diesen Schnelltests das gleiche Schicksal blühen wie ihren Vorgängern: Sie würden in den Regalen des Gesundheitsministeriums liegen bleiben. Die kürzliche Veröffentlichung einer Liste der zugelassenen Tests deutet jedoch darauf hin, dass das Ministerium aktiv an einer Strategie arbeitet.
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