Das Lobbyregister des Parlaments besteht seit einem Jahr. Doch weiterhin bleiben Treffen von Abgeordneten und Interessenvertretern wenig transparent. Die Politiker fühlen sich für die Umsetzung der Regeln nicht verantwortlich. Eine Reform ist unumgänglich. Eine Analyse.
Die ehemalige Vizepräsidentin des Europaparlaments soll sich als Gegenleistung für einen Betrag im sechsstelligen Bereich im Parlament für Katar eingesetzt haben. Der Korruptionsskandal um die griechische Abgeordnete Eva Kaili und den ehemaligen italienischen Abgeordneten des Europaparlaments Pier Antonio Panzeri rückte erneut die intransparente Beeinflussung von Politikern ins Rampenlicht. Während es sich hier mutmaßlich um Korruption und Bestechung handelt, versuchen andere Akteure, die Politik auf legalem Weg zu beeinflussen. Dabei gelten die Regeln des Lobbyregisters – sowohl im EU-Parlament als auch im Luxemburger Parlament. Die Anforderungen in Luxemburg liegen jedoch weit tiefer als in Brüssel.
„Lobbyisten fordern transparenteres Luxemburg“, titelte das „Tageblatt“ Anfang Dezember. Was wie eine überraschende Forderung klingt, ist eigentlich den Lücken der parlamentarischen Geschäftsordnung geschuldet. Denn zurzeit erfüllt das Register der Abgeordnetenkammer kaum seine Aufgabe: Die Angaben sind unvollständig und fehlerhaft. Die Organisation „Letzpact“, ein Zusammenschluss von Lobbyisten in Luxemburg, fordert deshalb, das Register an die europäischen Regeln anzupassen. Denn das Misstrauen gegenüber Lobbyisten habe sich seit der Einführung des Registers kaum verändert.
Die vielen Zusatzregister
Wie gering der Nutzen des parlamentarischen Registers ist, zeigt sich bereits bei der Anzahl von parallel geführten Registern der Parteien. Die Piraten, die Grünen und die DP veröffentlichen jeweils ein Register, in dem die Treffen mit Interessenvertretern in chronologischer Reihenfolge aufgelistet werden. Die LSAP will ihr Register für das Jahr 2022 nun Anfang 2023 veröffentlichen, erklärt Fraktionschef Yves Cruchten im Gespräch mit Reporter.lu. Aus diesen Listen geht hervor, wer sich wann mit Vertretern der Fraktion getroffen hat. Die Piraten und die Grünen geben zudem das Gesprächsthema und die anwesenden Parteimitglieder an. Im Register des Parlaments sind diese Informationen nicht verfügbar.
Während der zweijährigen Arbeit im Geschäftsordnungsausschuss wurde kurz vor der Verabschiedung des Lobbyregisters der politische Konsens von CSV und DP beendet. Der anschließende Kompromiss behielt nicht viel von der ursprünglichen Idee zurück. Es blieb die Pflicht für Interessenvertreter, sich in das Register einzutragen, bevor sie einen Politiker kontaktieren. „Das Register ist zurzeit eine teure Kopie des Telefonbuchs“, kritisiert Sven Clement im Gespräch mit Reporter.lu.
Wir sind nicht dafür verantwortlich, dass Lobbyisten sich im Register eintragen.“Josée Lorsché, Fraktionsvorsitzende von Déi Gréng
Der Piratenabgeordnete hätte es auch als fehlerhafte Kopie bezeichnen können. Die Schülervertretung (CNEL) kommt etwa doppelt im Register vor. Manche Organisationen geben derweil nur ihre Abkürzung an, andere den vollständigen Namen ohne Akronym. Eine Suche im Register ist dadurch mit viel Aufwand verbunden. Zudem müssen die Interessenvertreter lediglich den Namen ihrer Organisation eintragen, ohne jedoch ihre Positionen anzugeben und wen sie wann getroffen haben. Das Register liest sich zurzeit demnach wie eine Liste der aktivsten Vereinigungen Luxemburgs sowie von ein paar Unternehmen, die sich darin verirrt haben. Der Mehrwert einer solchen Liste hält sich in Grenzen.
Dennoch werden selbst diese einfachen Regeln von manchen missachtet. Durch die alternativen Register wird sichtbar, welche Interessenvertreter sich trotz eines Treffens mit Abgeordneten nicht im Register des Parlaments eingetragen haben. Dazu zählen etwa die Consultingfirma „Deloitte“, der „Fräie Lëtzebuerger Bauereverband“, der Hanfproduzent „Cannadour“ oder der „National Council of Resistance of Iran“. Insgesamt konnte Reporter.lu in 36 Fällen feststellen, dass ein Interessenvertreter sich trotz eines Treffens mit einer Partei nicht im Register eingetragen hat.
Das betrifft lediglich Treffen, die in den Registern der Fraktionen geführt werden. Da CSV, Déi Lénk, ADR und bis dato auch die LSAP keine eigenen Listen führen, ist die Zahl wohl weit größer. „Wir sind nicht dafür verantwortlich, dass Lobbyisten sich im Register des Parlaments eintragen“, sagt die grüne Fraktionsvorsitzende Josée Lorsché auf Nachfrage zum Treffen zwischen Deloitte und den Vorsitzenden ihrer Partei. Das ist nur einer der vielen Mängel des Instruments.
Folgenloses Missachten
Laut der Geschäftsordnung des Parlaments sind die Abgeordneten zumindest angehalten, Drittpersonen auf ihre Pflicht aufmerksam zu machen, sich einzutragen. Da die Unterredungen ohnehin in ihr eigenes Register eingetragen werden, habe man das bei den Grünen jedoch nicht für nötig befunden. Von den Piraten und Sozialisten heißt es immerhin, dass die Antragsteller nach einer Anfrage für ein Treffen stets auf die Einschreibungspflicht hingewiesen werden. „Jede Partei hat sich mit Drittpersonen getroffen, die sich nicht eingeschrieben haben. Das ist uns auch passiert. Wir sitzen alle im selben Boot“, sagt der Piratenabgeordnete Sven Clement. Erst kürzlich haben Fernand Etgen (DP) und Yves Cruchten (LSAP) beispielsweise „Amnesty International“ im Parlament empfangen. Auch dieses Treffen ist bisher nicht im Register eingetragen. Konsequenzen müssen allerdings weder Amnesty noch die Abgeordneten fürchten.
Es wäre gut zu prüfen, was bisher funktioniert hat und was nicht.“Yves Cruchten, Fraktionsvorsitzender der LSAP
Mit dem politischen Kompromiss nach der Blockade von CSV und DP fielen auch die Sanktionsmechanismen. Diese waren ursprünglich für Lobbyisten vorgesehen, die ihrer Pflicht nicht nachkommen. Da die parlamentarische Geschäftsordnung jedoch nur für Abgeordnete gilt, wurde der Text damals umgeändert – und die Abgeordneten in die Pflicht genommen. Doch das ging einigen zu weit. „Uns ist es wichtig, die Abgeordneten aus der Schusslinie zu kriegen und die Lobbyisten besser zu reglementieren“, sagte Simone Beissel (DP) damals im Gespräch mit Reporter.lu. Die Folge ist offensichtlich: Ohne Sanktionen befinden sich weder Lobbyisten noch Abgeordnete in der „Schusslinie“.
Dass es auch anders geht, zeigt Frankreich. Schreibt sich ein Interessenvertreter trotz eines Kontakts mit Politikern nicht in das Register ein, droht ihm eine Gefängnisstrafe von einem Jahr und eine Geldbuße von 15.000 Euro. In dem Nachbarland sind im Gegensatz zu Luxemburg auch weit mehr Unternehmen im Register eingetragen statt nur Verbände und Nichtregierungsorganisationen (NGOs)
Ein Fall für den Ethikrat
Die Piratenpartei wollte die Debatte um das Lobbyregister des Parlaments mit einer Pressekonferenz vor knapp einem Monat neu anstoßen. Gelungen ist es ihr nur zum Teil. Dabei verfolgen die Piraten seit Beginn der Arbeiten an einem Register eine langfristige Strategie. Der erste Entwurf geht auf Sven Clement zurück, dieser enthielt jedoch weit mehr Einschränkungen als die jetzige Version. Der Piratenabgeordnete wollte dafür sorgen, dass überhaupt ein Register eingeführt wird. Das Ziel sei von Anfang an gewesen, schrittweise nachzubessern. In der „Conférence des Présidents“ haben die Piraten nun versucht, den Ethikrat des Parlaments damit zu beauftragen, zu prüfen, wie mit fehlenden oder fehlerhaften Angaben im Register umzugehen ist. Doch zu dem Zeitpunkt war das Gremium bereits nicht mehr beschlussfähig und die Entscheidung wurde vertagt.
Sven Clement kann jedoch auf Unterstützung aus der Dreierkoalition rechnen. „Es wäre gut zu prüfen, was bisher funktioniert hat und was nicht“, sagt Yves Cruchten. Dazu gehöre auch die Frage der Sanktionen. Mit der LSAP haben ab diesem Jahr voraussichtlich alle Koalitionsparteien ihr eigenes „Registre des Entrevues“, wie das bereits für die Regierung und Beamte gilt. Dadurch könnte auch eingetragen werden, mit welchen Vertretern man sich getroffen habe. „Es macht einen Unterschied, ob ich einen Angestellten vom Groupement des Entrepreneurs du Bâtiment et des Travaux Publics oder ob ich Marc Giorgetti sehe“, sagt Sven Clement. Diese Angaben fehlen allerdings zurzeit auch im Register der Piraten.
Offen ist auch die Frage, wie mit staatlichen Vertretungen umzugehen ist. Der Korruptionsskandal im Europaparlament sei wohl auf Schmiergelder aus Katar zurückzuführen, berichtete unter anderen „Le Soir“. Diplomatische Vertretungen eines Landes müssen sich zurzeit jedoch nicht als Lobbyisten im Register des Luxemburger Parlaments eintragen. Als notwendig wird das ohnehin nicht erachtet. „Es würde mir das Leben schwerer machen. Ich hatte auch noch nie das Gefühl, dass es sich um Treffen handeln könnte, die einen Eintrag verdient hätten“, sagt Yves Cruchten. Als Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses hat er als Abgeordneter die meisten Treffen mit Botschaftern.
Doch im aktuellen Korruptionsfall in Brüssel flossen die Geldströme vermutlich an die Politiker zumindest zum Teil über Nichtregierungsorganisationen, die zum Netzwerk von Pier Antonio Panzeri gehörten. Bis zu einem Dutzend solcher vorgeblicher Menschenrechtsorganisationen könnten in den Skandal verwickelt sein, berichtete der „Stern“. Die fraglichen NGOs standen aber nicht im Transparenzregister des Europaparlaments – trotz strengerer Regeln.
Ein Skandal wie in Brüssel ist hierzulande wohl sehr unwahrscheinlich. Dennoch trägt das Register des Luxemburger Parlaments sicherlich nicht dazu bei, einen solchen Fall zu verhindern. Die Verantwortung liegt nun bei den Abgeordneten, das Register anzupassen, um solche Vorkommnisse zu erschweren.


