Seit sechs Monaten ist das Lobbyregister für Regierungsmitglieder und Beamte in Kraft. Das sogenannte „Registre des Entrevues“ soll für mehr Transparenz sorgen. Recherchen von Reporter.lu zeigen jedoch, dass es diesem Anspruch nur teilweise gerecht wird.

Das Lobbyregister zeigt bereits Wirkung. Wie das „Lëtzebuerger Land“ vergangene Woche berichtete, bemühte sich „ArcelorMittal“, eine Reform des EU-Emissionshandels aufzuhalten. Die entsprechenden Daten gehen aus dem sogenannten Gesprächsregister der Regierung hervor, das seit Mai dieses Jahres veröffentlicht wird. Demnach trafen sich Vertreter des Stahlkonzerns viermal mit den Ministern Xavier Bettel, Yuriko Backes (beide DP) und Joëlle Welfring (Déi Gréng) sowie mit Jeff Feller, dem Kabinettschef des Premierministers.

Der Grund der Unterredungen war die Abschaffung der kostenlosen Zuteilung von Emissionsrechten durch die Mitgliedstaaten. Ohne das neue Lobbyregister, über dessen Einführung Reporter.lu im März berichtete, wäre diese versuchte Einflussnahme nur schwer nachzuweisen gewesen. Dennoch zeigt sich bereits, dass nicht alle Minister und Beamte die Pflicht, das Register auszufüllen, im gleichen Maße ernst nehmen. Das liegt auch an Schlupflöchern im Verhaltenskodex der Regierung.

Die vertraulichen Kalender der Minister

Claude Meisch (DP) hat den Ruf, Entscheidungen im Alleingang zu treffen. Die Gewerkschaften werfen dem Bildungsminister regelmäßig vor, jeden Dialog zu verweigern. Während einer Pressekonferenz zum Beginn des Schuljahres nutzte der Minister die Gelegenheit, um auf die Kritik zu reagieren. Sein höchster Beamter sei ausnahmsweise bei der Pressekonferenz nicht präsent, weil er einen Raum weiter mit den Lehrergewerkschaften reden würde, erklärte der Minister. Im Lobbyregister seines Ministeriums findet sich allerdings für den besagten Tag kein Eintrag über eine Unterredung. Mehr noch: Laut dem Register hatten der Minister und seine Beamten in den vergangenen sechs Monaten kein einziges Treffen mit Interessenvertretern.

Das gilt auch für Marc Hansen (DP). Der Minister für die Digitalisierung sowie den öffentlichen Dienst und seine engsten Mitarbeiter hätten der Liste zufolge seit der Einführung des Registers ebenfalls keinen Kontakt mit Lobbyisten gehabt. Marc Hansen hatte jedoch nachweislich mindestens ein Treffen mit einer Gewerkschaft: Am 3. Juni tauschte sich eine Delegation des Syndikats Erziehung und Wissenschaft (SEW) des OGBL mit dem Minister aus. Thema waren unter anderem die Beförderungskriterien im öffentlichen Dienst.

Auch andere Minister verzichteten darauf, Treffen mit Gewerkschaften in dem Register einzutragen. Finanzministerin Yuriko Backes traf sich etwa Ende Juli mit der Staatsbeamtengewerkschaft CGFP, Mittelstandsminister Lex Delles (DP) Ende Juni mit dem LCGB und Anfang September haben Beamte des Mobilitätsministeriums sich ebenfalls mit dem christlichen Gewerkschaftsbund ausgetauscht. Die Begründungen der Ministerien für die fehlenden Angaben im Register sind unterschiedlich.

Keine einheitliche Handhabung

„Treffen mit Gewerkschaften, die im Rahmen des Sozialdialogs stattfinden, werden nicht auf der Liste eingetragen“, erklärt etwa die Pressestelle von Claude Meisch auf Nachfrage von Reporter.lu. Eine entsprechende Regelung findet sich denn auch im Deontologiekodex der Regierung wieder. Als Sozialdialog werden dort unter anderem explizit der Wirtschafts- und Sozialrat, das Konjunkturkomitee oder die Tripartite erwähnt. Für diese Gremien gibt es demnach keine Meldepflicht. Was allerdings sonst unter Sozialdialog zu verstehen ist, ist Auslegungssache.

Während für Claude Meisch oder Marc Hansen alle Treffen mit Gewerkschaften unter diese Regelung fallen, gilt das für andere Ministerien nicht. Als Arbeitsminister hat Georges Engel (LSAP) regelmäßig Kontakt mit den Gewerkschaften, die entsprechenden Treffen sind auch im Register aufgeführt. Auch François Bausch (Déi Gréng) listet in seiner Rolle als Verteidigungsminister mehrere Unterredungen mit Gewerkschaften auf. Selbst Beamte des von Claude Meisch geführten Hochschulministeriums trugen mehrere gemeinsame Treffen mit dem SEW und den Personaldelegierten der Forschungszentren „LIST“ und „Liser“ im Register ein.

Das „Registre des Entrevues“

Seit dem 1. Mai dieses Jahres sind die Regierung und ihre Beamten verpflichtet, Kontakte mit Drittpersonen in ein Lobbyregister einzutragen. Das Register geht auf eine Empfehlung der Staatengruppe gegen Korruption (Greco) zurück. Die Regierung versucht damit zu veranschaulichen, wer, wie und wann versucht hat, auf den legislativen Prozess Einfluss zu nehmen. Anders als etwa beim Register des Parlaments müssen in jenem der Regierung auch die Positionen der Interessenvertreter und das Gesetz, auf das sie sich beziehen, eingetragen werden. Ende des Monats soll die Greco einen ersten Zwischenbericht über die Umsetzung ihrer Empfehlungen veröffentlichen.

Finanzministerin Yuriko Backes führte indes mehrere Gespräche mit der Unternehmerseite. Darunter etwa der Verband der Fondsgesellschaften ALFI, der Unternehmerverband UEL, die Bankenvereinigung ABBL und der Industrieverband Fedil. Theoretisch könnten auch diese unter die Regelung des Sozialdialogs fallen. Warum also wurden diese Treffen eingetragen und die Unterredung mit der CGFP nicht? „Weil es streng genommen nicht um eine Gesetzesänderung ging, musste dies nicht eingetragen werden“, erklärt das Finanzministerium auf Nachfrage von Reporter.lu.

Die vielen Löcher der Deontologie

Laut den Verhaltensregeln müssen alle Treffen eingetragen werden, bei denen Drittpersonen versucht haben, den legislativen Prozess zu beeinflussen. Das gilt jedoch sowohl für bestehende Gesetzesprojekte als auch noch zu reglementierende Bereiche. Ein direkter Bezug auf ein Gesetz oder Gesetzesprojekt ist demnach nicht nötig. Laut der Mitteilung der CGFP ging es bei der Unterredung hauptsächlich um die Homeoffice-Regelung für Grenzgänger. Die Verträge müssten angepasst werden, da Beamte zum Teil ausgeschlossen wurden, so die Gewerkschaft. Das Finanzministerium hat demnach recht, dass „streng genommen“ keine Einflussnahme auf den legislativen Prozess stattfand. Die bilateralen Verträge müssen nicht vom Parlament verabschiedet werden. Die selbst auferlegten Regeln aber werden so ausgehöhlt.

Das sind zudem nicht die einzigen Möglichkeiten, die Transparenz einzuschränken. Das Register wird etwa in unregelmäßigen Abständen veröffentlicht. Die Daten sind demnach nicht stets auf dem neuesten Stand. Die Beamten haben eine Karenzzeit von sechs Wochen, um ein Treffen einzutragen. Für das Umweltministerium reichte das aber wohl nicht aus. Ministerin Joëlle Welfring traf sich am 11. August mit dem Institut für Biologische Landwirtschaft und Agrarkultur. Thema war dabei, die finanzielle Unterstützung für konventionelle Landwirtschaft zu verringern. Eingetragen wurde die Unterredung allerdings erst vor rund einer Woche – zwölf Wochen nachdem sie stattgefunden hat.

Das Eintragen des Treffens zwischen Beamten des Mobilitätsministeriums und dem LCGB über das Taxigesetz wurde indes schlicht „vergessen“, heißt es vom Ministerium. Dass es überhaupt möglich ist, nachzuvollziehen, welche Gewerkschaften sich mit der Regierung austauschen, ist indes nur deren Kommunikationsfreudigkeit geschuldet. Ansonsten ist man allein auf die Angaben der Ministerien angewiesen. Der Austausch mit Akteuren, die weniger Interesse haben, öffentlich über ihre Einflussnahme zu reden, kann demnach kaum überprüft werden. Denn anders als etwa in Frankreich sind die Kalender der Luxemburger Minister nicht öffentlich. Auf den französischen Webseiten kann seit Amtsantritt nachverfolgt werden, wann welches Regierungsmitglied wen getroffen hat. Was jedoch besprochen wurde, ist meistens nicht näher bekannt.

Schwer einschätzbare Einflussnahme

In dieser Hinsicht geht die Luxemburger Regierung auf den ersten Blick weiter als ihre französischen Kollegen. Der Verhaltenskodex für die Regierungsmitglieder und die Beamten sieht vor, dass die Positionen der Interessenvertreter im Register eingetragen werden müssen. Wie genau diese ausformuliert sein müssen, ist hingegen den jeweiligen Beamten überlassen.

Wir wurden zu einem Schüler, der nur das absolut Notwendige macht, um knapp den internationalen Anforderungen gerecht zu werden.“Jean-Jacques Bernard, „Stop Corrupt“

Wie unterschiedlich die Anforderungen ausgelegt werden, kann ebenfalls am besagten Beispiel des Treffens mit ArcelorMittal nachvollzogen werden. Im entsprechenden Eintrag des Premierministers heißt es unter „Position défendue“ lediglich „Refonte du système ETS“. Auch Yuriko Backes spricht nur von den „Herausforderungen für die Stahlindustrie durch die Vorschläge der EU für den Emissionshandel“. Lediglich durch den Eintrag der Umweltministerin wird deutlich, welche Position das Unternehmen vertrat. Dort heißt es, der Stahlproduzent „lehnt die Abschaffung der kostenlosen Emissionsrechte ab 2026 ab“.

Die Unterredung mit ArcelorMittal ist in der Hinsicht kein Einzelfall. Das Staatsministerium gibt stets nur an, über welches Thema diskutiert wurde, nicht welche Positionen die Interessenvertreter verteidigten. Diese Praxis ist auch im Agrar-, Energie- oder Hochschulministerium üblich. Lediglich die Minister Franz Fayot (LSAP) und Lex Delles haben bei den angegebenen Treffen stets vollständig die Position der Interessenvertreter wiedergegeben. In fast allen anderen Ministerien sind die Angaben zum Teil unvollständig.

Schlafende Wächter des Registers

Die unterschiedlichen Auslegungen sind auch im Staatsministerium aufgefallen. Seine juristische Abteilung habe den Beamten Fortbildungen angeboten. In letzter Zeit habe man „vor allem versucht, eine einheitliche Linie zu verfolgen“, erklärt Jeff Feller im Gespräch mit Reporter.lu. Eine klare Empfehlung, wie das Formular auszufüllen sei, gebe es allerdings nicht, so der Kabinettschef von Xavier Bettel. Die Artikel des Verhaltenskodex würden dies bereits klar regeln.

Probleme bei der Umsetzung der Regeln sieht die Regierung demnach nicht. Nicht weiter überraschend ist also, dass bisher kein Regierungsmitglied und auch kein Beamter den Ethikrat um eine Einschätzung zur Auslegung des Kodex befragt hat. Dieser hat selbst auch noch keine neuen Empfehlungen erstellt, antwortete Premier Xavier Bettel auf eine parlamentarische Anfrage von Myriam Cecchetti (Déi Lénk).

Die Vereinigung „Stop Corrupt“ hat deshalb bereits vor Jahren eine Aufwertung des Ethikrats gefordert. Man müsse aufhören, nur auf präventive Maßnahmen gegen Korruption zu setzen, sondern auch ein Gremium schaffen, das Sanktionen aussprechen kann, sagt Jean-Jacques Bernard im Gespräch mit Reporter.lu. In den vergangenen Jahren habe der Wille zur Transparenz bei der Regierung abgenommen, merkt der Direktor von „Stop Corrupt“ an: „Wir wurden zu einem Schüler, der nur das absolut Notwendige macht, um knapp den internationalen Anforderungen gerecht zu werden.“ Bei dem Lobbyregister sei das nicht anders.


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