Bei der Frage der Nebeneinkünfte von Abgeordneten geht es nicht wirklich um Geld, sondern um potenzielle Interessenkonflikte. Wie frei und unabhängig können Politiker sein, die diverse andere finanzielle Interessen verfolgen? Die Debatte ist überfällig. Ein Kommentar.
Über Geld spricht man nicht. Oder: Im Prinzip könnte es dem Volk ja egal sein, wie viel seine Vertreter verdienen, solange sie gute Arbeit leisten. Dieses oder ähnliche Argumente hört man oft, wenn es um das Thema Politikergehälter geht. An dem Argument ist auch etwas dran. Denn es geht letztlich nicht um das Geld und auch nicht nur um die Höhe der Verdienste von Politikern, sondern um die Frage, welche Interessen die gewählten Volksvertreter außer dem berühmten Gemeinwohl sonst noch vertreten.
Das Gehalt eines luxemburgischen Parlamentariers ist jedenfalls nicht das Problem. Und wenn man bedenkt, dass es sich bei seiner Tätigkeit formal um eine 20-Stunden-Woche handelt, ist es durchaus legitim, ja normal und systembedingt, dass die meisten Abgeordneten noch einen anderen Beruf ausüben. Dabei darf man bei aller legitimer Kritik auch nicht vergessen, dass viele von ihnen etlichen ehrenamtlichen und gemeinnützigen Tätigkeiten nachgehen.
Kann etwa ein Politiker, der im Verwaltungsrat einer Großbank sitzt – wie der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar bei der „Bank of China“ – noch frei von äußeren Interessen über die Rahmengesetzgebung für den Bankensektor abstimmen?
Dennoch lautet die zentrale Frage: Ist die Nebentätigkeit eines Politikers mit der gewissenhaften Ausübung seines politischen Mandats vereinbar? Diese Frage darf im Fall von demokratisch gewählten Amtsträgern erlaubt sein. Und sie lässt sich nur mithilfe von einem Mindestmaß an Transparenz beantworten.
Interessen vs. Expertenwissen
Kann etwa ein Politiker, der im Verwaltungsrat einer Großbank sitzt – wie der CSV-Abgeordnete Laurent Mosar bei der „Bank of China“ – noch frei von äußeren Interessen über die Rahmengesetzgebung für den Bankensektor abstimmen? Darf dieser Politiker bei vertraulichen Briefings über geplante Regulierungen des Finanzministeriums im zuständigen Ausschuss anwesend sein? Ist er nicht aufgrund seiner Verpflichtung, als Verwaltungsratsmitglied für das Wohl des betreffenden Unternehmens zu sorgen, als Parlamentsmitglied per se befangen?
Warum sitzen im Verwaltungsrat von CLT-UFA mit Alex Bodry (LSAP), Eugène Berger (DP) und Claude Wiseler (CSV) gleich drei Fraktionschefs im Mutterhaus von RTL? Und was sagt das über deren Unabhängigkeit bei Abstimmungen über finanzielle Hilfen an Medienhäuser aus?
Können praktizierende Rechtsanwälte, die nicht nur Privatpersonen, sondern mitunter auch Firmen beraten – wie Léon Gloden (CSV), Franz Fayot (LSAP) oder Joëlle Elvinger (DP) – noch mit Gesetzentwürfen befasst werden, welche die geschäftlichen Interessen ihrer Kunden betreffen? Welche Kunden und Interessen haben sie eigentlich? Und hat ein Anwalt, der nebenbei bei nicht weniger als 15 Firmen Anteile hält oder verwaltet – wie Roy Reding (ADR) – noch das Gemeinwohl oder doch eher Gesetzeslücken und eigene Vorteile im Blick?
Aktuell liegt es jedenfalls größtenteils im Ermessen des einzelnen Abgeordneten, ob er oder sie mögliche Interessenkonflikte offenlegt. Doch ob und wann man eine rote Linie überschreitet, sieht man im seltensten Fall selbst.“
Das gängige Gegenargument lautet, dass nur jener gute Gesetze schreibt, der etwas von der Materie kennt. Sprich: Wir brauchen Ärzte im Parlament, die etwas vom Gesundheitssystem verstehen, Lehrer, die im Bildungssystem zu Hause sind und Finanzexperten, die sich mit den Details der Steuer- und Regulierungspolitik auskennen.
Das Argument ist bis zu einem gewissen Grad auch stichhaltig. Allerdings liegt zwischen der für die Allgemeinheit nützlichen Expertise der Fachpolitiker und eigensinnig verwertbarem Insiderwissen eben nur ein schmaler Grat. Und vor allem mangelt es der Öffentlichkeit – nicht nur in Luxemburg – oft an Kontrollmöglichkeiten, um Grenzüberschreitungen zu bemerken, geschweige denn zu brandmarken.
Kontrolle ist nachweislich besser
Aktuell liegt es jedenfalls größtenteils im Ermessen des einzelnen Abgeordneten, ob er oder sie mögliche Interessenkonflikte offenlegt. Doch ob und wann man eine rote Linie überschreitet, sieht man im seltensten Fall selbst. Das ist so ähnlich wie im Fußball mit dem Abseits. Selbst wenn man es ahnt oder sogar weiß, will man es oft nicht wahrhaben. Und selbst wenn es klares Abseits ist, heißt das bekanntlich noch lange nicht, dass der Schiedsrichter pfeift.
Die seit 2014 verpflichtenden „Erklärungen zu finanziellen Interessen“ sind in diesem Sinne eine notwendige und nützliche Möglichkeit zur Kontrolle. Sie sind ein wesentlicher Fortschritt. Doch auch das auf Initiative von Blau-Rot-Grün eingeführte Transparenzsystem hatte von Beginn an gewisse Lücken. So müssen die Abgeordneten nur jene Unternehmensbeteiligungen angeben, die sie selbst für problematisch halten. Zudem werden die Formulare nur aktualisiert, wenn es den Mandatsträgern gerade passt. Grenzwertige Nebenjobs können so verschwinden, denn es wird nur jeweils die aktuelle Fassung veröffentlicht. Andere relevante Informationen fehlen indes völlig, denn Anwälte müssen und können verständlicherweise keine Auskunft darüber geben, welche Klienten sie beraten.
Das Parlament selbst sieht offensichtlich die Notwendigkeit, Licht in die mitunter dunkle Welt der Nebenjobs zu bringen. Sonst hätte es nicht den Verhaltenskodex auf den Weg gebracht, dessen Ziel eben die Aufdeckung und Vermeidung von Interessenkonflikten ist.“
Die Frage nach möglichen Interessenkonflikten wird indes nicht nur von Journalisten und Anti-Korruptions-Vereinen gestellt. Das Parlament selbst sieht offensichtlich die Notwendigkeit, Licht in die mitunter dunkle Welt der Nebenjobs zu bringen. Sonst hätte es nicht den Verhaltenskodex auf den Weg gebracht, dessen Ziel eben die Aufdeckung und Vermeidung von Interessenkonflikten ist.
Dabei sollte man sich nichts vormachen. Politik ist immer ein Ringen zwischen handfesten Interessen. Damit dieses Ringen nach nachvollziehbaren Regeln abläuft und die involvierten Interessen zumindest bekannt sind, braucht es jedoch Kontrolle von außen. Nur so können die Bürger selbstverantwortlich entscheiden, wem sie ihre Stimme und damit die Hoffnung auf ein kleines Bisschen Gemeinwohl anvertrauen können.