Die Nebenverdienste der EU-Abgeordneten Viviane Reding schlugen in den letzten Tagen hohe Wellen. Doch auch in Luxemburgs Parlament verdienen manche neben ihrem Abgeordnetengehalt noch kräftig hinzu. Und das nicht immer transparent, denn die 2014 eingeführte Pflicht zur Offenlegung hat wesentliche Lücken.
Die Abgeordneten stimmen in voller Unabhängigkeit ab und haben nur das allgemeine Interesse des Großherzogtums im Blick, heißt es in der Verfassung. Da das politische System das Abgeordnetenmandat nicht als Vollzeitjob vorsieht, sind Nebentätigkeiten eher der Normalfall. REPORTER-Recherchen zeigen, dass manche von Luxemburgs Parlamentariern locker in der gleichen Liga wie Viviane Reding spielen, die laut unseren Recherchen zusätzlich zu ihrem Mandat als EU-Abgeordnete bis zu 120.000 Euro jährlich nebenher verdient.
Dass manche der Nebenverdienste in Luxemburgs Parlament bekannt sind, liegt am Verhaltenskodex, den die aktuelle Regierungsmehrheit vorschlug und der nun seit Ende 2014 gilt. Laut diesem Kodex müssen die Parlamentarier in einer Erklärung ihre beruflichen Aktivitäten und jegliche Nebenverdienste offenlegen, die nicht aus der Ausübung ihres Abgeordnetenmandats resultieren. Dazu gehören insbesondere auch Tätigkeiten in Vorständen oder Aufsichtsräten.
Über 100.000 Euro zusätzlich zum Grundgehalt
In den auf der Webseite der Abgeordnetenkammer veröffentlichen Dokumenten werden die Einkommen in verschiedene Kategorien unterteilt: Kategorie 1: 5.000 bis 10.000 Euro pro Jahr. Kategorie 2: 10.001 bis 50.000 Euro pro Jahr. Kategorie 3: von 50.001 bis 100.000 Euro pro Jahr. Kategorie 4: mehr als 100.000 Euro pro Jahr.
Letztere Kategorie ist nicht nur Dekor: Etwa die Abgeordneten Roy Reding (ADR), Michel Wolter (CSV), Léon Gloden (CSV) und Gilles Roth (CSV) geben Einkommen an, die deutlich über 100.000 Euro jährlich liegen. Wohlgemerkt zusätzlich zum regulären Gehalt eines Parlamentariers.
Ein Abgeordneter im luxemburgischen Parlament hat laut Gesetz ein Grundeinkommen von aktuell rund 7.200 Euro im Monat. Die Hälfte davon ist befreit von Steuern und Rentenbeiträgen. Die vier Fraktionsvorsitzenden von CSV, DP, LSAP und Déi Gréng erhalten eine zusätzliche Vergütung und kommen jeweils auf ein monatliches Grundeinkommen von rund 11.000 Euro. Der Parlamentspräsident wird nochmals gesondert vergütet und kommt monatlich auf fast 13.000 Euro.
Zusätzlich erhalten alle Abgeordneten Tagesgelder („Jetons de présence“) in Höhe von jeweils knapp 120 Euro für jede Sitzung im Plenum oder in parlamentarischen Kommissionen. Die Vergütungen jedes Parlamentariers variieren demnach je nach Präsenzquote und Anzahl von absolvierten Ausschusssitzungen. Weitere variable Boni wie Repräsentations- und Transportzuschüsse, Familienzulagen oder das 13. Monatsgehalt sind dabei noch nicht eingerechnet.
Besondere Rentenansprüche
Zum Vergleich: Das Bruttogehalt eines Regierungsmitglieds liegt aktuell bei rund 18.340 Euro (Minister) bzw. 16.300 Euro monatlich (Staatssekretär). Durch eine höhere Repräsentationspauschale verdienen Außenminister und Vizepremier laut Gesetz mit jeweils rund 23.000 Euro im Monat wesentlich mehr als ihre Kabinettskollegen. Spitzenverdiener in der Regierung ist schließlich der Premierminister mit einem regulären Monatsgehalt von knapp 25.700 Euro. Nebenverdienste sind für Regierungsmitglieder im Gegensatz zu Abgeordneten generell nicht erlaubt.
Bei den Nebenverdiensten der Abgeordneten fällt indes auf, dass eine Reihe von Parlamentsmitgliedern aus ihren früheren Tätigkeiten diverse Einkommen beziehen. Das gilt für die sogenannte „pension speciale“ von Staatsbeamten ebenso wie das weiter gezahlte Gehalt von Beschäftigten im Privatsektor im Rahmen des sogenannten „Congé politique“. Zudem verfügen eine Reihe von Abgeordneten bereits über einen oder mehrere Pensionsansprüche.
Die Geschäfte von Roy Reding
Die öffentlichen Erklärungen zu den finanziellen Interessen der Abgeordneten erlauben einen Einblick, wer zu den Spitzenverdienern gehört. Die hohen Einkommen speisen sich jedoch aus unterschiedlichen Quellen. Das zeigen die Fälle von Roy Reding, Michel Wolter, Léon Gloden und Gilles Roth.
Der ADR-Abgeordnete Roy Reding gibt ein Einkommen der Kategorie 4, also über 100.000 Euro jährlich, für seine Tätigkeit als Anwalt an. Zusätzlich führt er Einkünfte aus insgesamt 15 Gesellschaften an, in denen er entweder Anteile hält oder die er verwaltet. Auch diese Verdienste erreichen laut Redings Erklärung eine Höhe von über 100.000 Euro im Jahr. Seinen eigenen Angaben zufolge verdient er mit seinen Nebenjobs demnach mindestens 200.000 Euro im Jahr. Da die Kategorie 4 nach oben offen ist, wäre es reine Spekulation zu schätzen, wie hoch die Summe tatsächlich ist.

Zu den Gesellschaften, die Reding angibt, gehören Firmen mit Namen wie „King David“ oder „Queen Esther“. Folgt man diesem Geflecht, stößt man auf Immobiliengeschäfte, die er zusammen mit seiner Frau tätigt, der Notarin Karine Reuter.
Doch das Paar schätzt offenbar Vertraulichkeit, denn in den Handelsregistereinträgen dieser Firmen finden sich Offshore-Gesellschaften aus aller Welt, darunter die von der Wochenzeitung „Woxx“ genannte Gesellschaft „Chuck Morrison“ von den Seychellen. Doch das ist nur ein Teil der Geschichte: Es gibt auch die Panama-Firma Pentland Corp, die später durch Reding (Singapore) PTE. LTD. ersetzt wurde. Die in Singapur eingetragene Firma wurde allerdings im März liquidiert, einen Monat nachdem „Luxprivat“ über deren Existenz schrieb.
Bürgermeister und Geschäftsanwalt
Mit seinem weit verzweigten Geflecht an Gesellschaften ist Reding jedoch die Ausnahme in der Abgeordnetenkammer. Als Geschäftsanwalt ist er jedoch nicht allein unter den Top-Verdienern. Auch die CSV-Abgeordneten Léon Gloden und Gilles Roth erreichen Nebeneinkünfte von jeweils über 100.000 Euro im Jahr.
Andere Berufskollegen, wie Franz Fayot (LSAP) oder Laurent Mosar (CSV), bleiben laut offizieller Erklärung an den Parlamentspräsidenten unter dieser Marke. Im Fall von Laurent Mosar lässt sich der genaue Nebenverdienst allerdings schwer beziffern. Der CSV-Abgeordnete bezieht als Anwalt ein Einkommen zwischen 50.001 und 100.000 Euro pro Jahr und als Verwaltungsratsmitglied der „Bank of China“ eine jährliche Vergütung von bis zu 50.000 Euro.

Etwa klarer ist der Fall Léon Gloden: Als Partner der Anwaltskanzlei Elvinger Hoss Prussen hat der CSV-Abgeordnete laut eigenen Angaben ein jährliches Einkommen von über 100.000 Euro. Hinzu kommen knapp 16.000 Euro, die er jedes Jahr als Bürgermeister von Grevenmacher erhält. Zu diesem Amt gehören Mandate in den Verwaltungsräten von drei interkommunalen Syndikaten sowie dem Hafen in Mertert. Für die vier Posten gibt Gloden jeweils Verdienste von zwischen 5.000 und 10.000 Euro an. Insgesamt kommt er demnach auf mindestens 136.000 Euro pro Jahr, die er neben seinem Abgeordnetenmandat verdient.
In ähnlichen Höhen positioniert sich CSV-Kollege Gilles Roth. Für seine Anwaltstätigkeit gibt er Einkünfte der Kategorie 3 an, sprich maximal 100.000 Euro und mindestens 50.000 Euro pro Jahr. Als Bürgermeister von Mamer erhält er eine Vergütung von etwa 20.000 Euro pro Jahr. Dazu kommen Verwaltungsratsposten in Syndikaten, die mindestens 10.000 Euro einbrachten. Und schließlich bezieht Roth als früherer Erster Regierungsrat im Finanzministerium eine „pension spéciale“ von zwischen 50.000 und 100.000 Euro im Jahr. Nimmt man jeweils die unteren Grenzen der Verdienstkategorien hat er demnach ein Einkommen von mindestens 130.000 im Jahr – zusätzlich zum Abgeordnetengehalt versteht sich.
Die lukrativen Verwaltungsratsposten von Michel Wolter
Michel Wolter unterscheidet sich dagegen von seinen Parteikollegen. Als Bürgermeister von Käerjeng erhält er ein Gehalt von etwa 25.000 Euro jährlich. Doch das ist nur ein Bruchteil seines gesamten Einkommens, denn er hat insgesamt fünf Verwaltungsratsposten in Unternehmen inne. Das reicht von zwei Gesellschaften des Lebensversicherers The OneLife über das Privatjet-Unternehmen Global Jet und das Eisenbahnunternehmen CBRail bis zum Rückversicherer Compass Re.
Für die fünf Posten gibt Wolter eine Spanne von jeweils zwischen 10.000 und 50.000 Euro an. Da die Unternehmen nur Angaben über die Vergütungssumme des gesamten Verwaltungsrates angeben, lässt sich Wolters Verdienst in diesen Fällen nur schätzen. Für die beiden OneLife-Gesellschaften kommt man dann auf einen Gesamtbetrag von 47.000 Euro für 2017. Bei Compass RE wären es etwa 35.000 Euro, bei CBRail knapp 22.000 Euro. Global Jet macht keine Angaben. Nimmt man für Global Jet eine Vergütung von 20.000 Euro an, dann erreicht Michel Wolter neben seinem Verdienst als Abgeordneter mit den Verwaltungsratsposten und seinem Bürgermeisteramt ein jährliches Einkommen von knapp 150.000 Euro.

2017 war Wolter ebenfalls noch im Verwaltungsrat der GPB Asset Management S.A., einer Tochtergesellschaft der Gazprom Bank. Dieses Unternehmen gab an, einem Verwaltungsratmitglied 20.000 Euro gezahlt zu haben. Da Wolter das einzige unabhängige Mitglied war, ist anzunehmen, dass er diese Summe erhielt.
Dieses Engagement ist allerdings in der neuesten Fassung von Wolters Erklärung über seine Nebentätigkeiten nicht enthalten. GPB Asset Management wurde am 7. Juni 2017 offiziell aufgelöst. Am 21. Juni reichte Wolter eine neue Version seiner Erklärung beim Parlamentspräsidenten ein.
Lückenhafter Verhaltenskodex
Der Fall Wolter offenbart eine klaffende Lücke im Verhaltenskodex der Abgeordnetenkammer. Spätestens 30 Tage nach der Vereidigung des Abgeordneten muss die Erklärung in schriftlicher Form beim Parlamentspräsidenten eingereicht werden und wird dann auf der Webseite der Abgeordnetenkammer veröffentlicht. Veränderungen der finanziellen Situation müssen ebenso gemeldet werden. Dies führt allerdings dazu, dass etwa frühere Nebenverdienste von Abgeordneten nach der Aktualisierung nicht mehr in dem entsprechenden Formular auftauchen – wie bei Michel Wolter. Im Europaparlament ist das anders: Etwa für Viviane Reding kann man ganz genau nachverfolgen, welchen Posten sie wann annahm, weil alle Dokumente seit 2014 verfügbar sind.
Das erklärte Ziel des von der aktuellen Regierungsmehrheit vorgeschlagenen Kodex, die Transparenz, hat also seine Grenzen. Dazu kommt, dass manche Abgeordnete die Aktualisierung nicht allzu ernst nehmen. Die CSV-Abgeordneten Laurent Mosar und Serge Wilmes führen etwa ihre Ende 2017 ergatterten Schöffenratsposten nicht auf. Roberto Traversini (déi Gréng) führt sein Amt als Präsident von Pro-Sud nicht auf.
Dazu kommen weitere Einschränkungen. So sind Parlamentarier nur dann verpflichtet, Beteiligungen an Unternehmen anzugeben, wenn diese einen „wesentlichen Einfluss“ auf das Geschäft des betreffenden Unternehmens nach sich ziehen oder mögliche Auswirkungen auf „öffentliche Angelegenheiten“ haben könnten. Wer entscheidet, ob das der Fall ist? Der oder die Abgeordnete selbst. Jeder müsse „en son âme et conscience“ und in Eigenverantwortung prüfen, ob das der Fall sei, hieß es im ersten Bericht des „Comité consultatif sur la conduite des députés“. Man darf demnach davon ausgehen, dass nicht alle Nebenverdienste deklariert werden.
Ähnlich verhält es sich mit der Frage von Interessenkonflikten. Laut Verhaltenskodex sind die Abgeordneten eigenverantwortlich, eventuelle Interessenkonflikte zu melden und sich im Fall des Falles bei einer Abstimmung über ein Gesetz, dessen Inhalt im Zusammenhang mit ihren Nebentätigkeiten besteht, zu enthalten. Ob es sich um einen derartigen Konflikt handelt, entscheiden die Abgeordneten wohlgemerkt selbst.