Die neue Verfassung sollte mit alten Problemen aufräumen – allen voran der unklaren Rolle des Großherzogs. Doch aus dem großen Reformvorhaben wurde ein Reförmchen, das dafür keine Lösungen bringt. Jetzt zeigt sich: Das war ein grober Fehler der Politik. Ein Kommentar.
War es ein Hilferuf? Ein Aufschrei? Eine Zurechtweisung der Presse? Egal wie man zum Brief des Großherzogs steht: Es ist offensichtlich, dass es zwischen den Institutionen knirscht. Premierminister Xavier Bettel (DP) wurde vom Staatschef erst gar nicht über sein Vorhaben informiert. Ein unerhörter Vorgang.
Der Waringo-Bericht über die Personalpolitik des Hofes sorgt für Spannungen zwischen dem Großherzog und dem Premierminister. Dass der Regierungschef sich gezwungen sah, einen Aufpasser ins Palais zu schicken, ist erstaunlich. Dieses angespannte Verhältnis zwischen Staatsminister und Staatschef rüttelt mittlerweile an den wackligen Grundfesten des Landes.
Denn die Verfassung enthält eine enorme Machtfülle für den Großherzog – etwa das Recht, das Parlament aufzulösen. Seit knapp 100 Jahren gilt, dass dies reine Fiktion ist und der Großherzog sich doch bitte auf Repräsentationszwecke beschränken soll. Doch was ist, wenn er aus dieser Rolle ausbricht? An Staatsminister und Hofmarschall vorbei eine mehr oder weniger politische Botschaft international verbreitet?
Ein fataler Rückschritt
Erst im Dezember einigten sich die CSV und die Regierungsparteien auf eine Verfassungsreform auf Sparflamme. Der Entwurf eines neuen Grundgesetzes war endgültig tot – aus Angst vor einem Referendum. Doch damit erlosch gleichzeitig der Wille, die Rolle des Großherzogs völlig neu zu denken. Das rächt sich nun.
2009 legte das Parlament einen Entwurf für eine neue Verfassung vor, der die (fiktive) Macht des Großherzogs radikal beschnitt. Dass Henri sich im Dezember 2008 geweigert hatte, das Euthanasiegesetz zu unterschreiben, war ein wesentlicher Grund dafür.
Der Großherzog darf und kann keine Privatperson sein, sowie es Henri jetzt vorgibt zu sein.“
Doch jetzt will eine Mehrheit im Parlament an vorgeblich symbolischen Kompetenzen des Großherzogs festhalten. Er soll weiterhin die Parlamentssession eröffnen und schließen. Er soll auch künftig Richter ernennen. Warum, das kann keiner der Beteiligten erklären.
Eine rückständige und gefährliche Fiktion
Die aktuelle Verfassung atmet das Staatsverständnis des 19. Jahrhunderts. Der Monarch ist der Staat, er verkörpert das Land. „Je jure fidelité au Grand-Duc“ – dieser Schwur der Abgeordneten ist nur ein Beispiel für diese gefährliche Fiktion. Die Reform will daran nichts ändern.
Der Großherzog darf und kann keine Privatperson sein, sowie es Henri jetzt vorgibt zu sein. Er tritt in Konflikt mit der Verfassung, wenn er sich selbst privat äußert. Genauso wie er das Land in eine Krise stürzte, als er das Euthanasiegesetz aus persönlichen Gründen nicht unterschreiben wollte. Und ebenso gefährlich wird es in den nächsten Monaten, wenn es um die vermeintliche Vermischung von öffentlichen und privaten Mitteln am Hofe geht. Aus Sicht der Verfassung ist der Unterschied unwesentlich – der Steuerzahler sieht das aber anders.
Endlich Klarheit schaffen
Was hat das Zaudern der Politik erreicht? Nur, dass jetzt die internationale Klatschpresse und französische B-Promis sich für den Luxemburger Streit interessieren. Und dem Großherzog bringt es wenig, dass er in den Widersprüchen der Verfassung gefangen ist.
Sein Brief ist ein verzweifelter Versuch aus diesem Kokon auszubrechen. Das sollte der Politik Warnung genug sein: Für falsche Rücksichtnahme ist es längst zu spät.
Es wird Zeit für eine moderne Verfassung, klare Regeln für eine repräsentative Monarchie und ein Ende der Machtbefugnisse des Großherzogs. Nur so gibt es eine Zukunft für die Monarchie.
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