Immer wieder sind in Luxemburg ansässige Finanzakteure in dubiose Geschäfte, ja manchmal gar in kriminelle Aktivitäten wie den Cum-Ex-Steuerbetrug verwickelt. Das liegt auch an einer mangelhaften Aufsicht. Ein Kommentar.

Zur Abwechslung ist die Luxemburger Steuerverwaltung das Opfer. Um über zehn Millionen Euro soll sie der Brite Sanjay Shah betrogen haben, so die Recherchen von REPORTER. Luxemburg war zwar ein Testfeld für Shahs dubiose Aktiengeschäfte, doch alle Warnsignale wurden offenbar ignoriert.

Dabei hätte Luxemburg einen europaweiten Griff in die Staatskassen verhindern können. Den Mitarbeitern von Alter Domus – Shahs hiesigem Dienstleister des Vertrauens – hätte 2012 auffallen können, dass sie Firmen mit verwalten, deren Geschäfte wirtschaftlich keinen Sinn machen. Die Steuerbeamten hätten die drei wesensgleichen Firmen bemerken können, die Aktien in Milliardenhöhe handelten. Die Banken hätten misstrauisch werden können, als Shah über seine Luxemburger Holdings regelmäßig hohe Beträge ins Ausland verlagerte.

Selbst als es der Luxemburger Steuerverwaltung zu dumm wurde und sie die Zahlungen an Shahs Firmen bereits 2013 stoppte, geschah … nichts.

Luxemburg ist zwar ein bedeutender Finanzplatz, doch die Verantwortung, die damit einhergeht, nehmen weder die Politik, noch die Wirtschaft ernst.“

Das Finanzministerium ist unfähig oder nicht willens, herauszufinden, wie hoch der Schaden insgesamt durch Cum-Ex-Geschäfte in Luxemburg ist. Anders als die Presse seien die Behörden seit Langem am Dossier dran, hieß es großspurig vom Finanzminister Pierre Gramegna (DP) in einer Antwort auf eine parlamentarische Frage. Doch offenbar ist es keine Priorität, die Bürger über diese Arbeit zu informieren.

Großer Finanzplatz, große Verantwortung

Im Fall Shah wäre eine Warnung aus Luxemburg in Kopenhagen bares Geld wert gewesen: Die dänische Steuerbehörde zahlte noch im Juli 2015 500 Millionen Dollar an das Netzwerk des Briten aus. Und man stelle sich vor: Luxemburg hätte positive Schlagzeilen in einer Steueraffäre gemacht.

Hätte, hätte, Fahrradkette. War aber nicht so. Der Grund: Luxemburg ist zwar ein bedeutender Finanzplatz, doch die Verantwortung, die damit einhergeht, nehmen weder die Politik, noch die Wirtschaft ernst. Trotz aller Beteuerungen, man wolle einen sauberen Finanzplatz: Im Zweifel will niemand es so genau wissen.

Enormer Aufholbedarf

2017 musste jeder Steuerbeamte pro Jahr im Schnitt 1.200 Steuererklärungen von Unternehmen prüfen. Bei den Beteiligungsgesellschaften schaue man deshalb nur, ob das Prinzip stimme, aber nicht jede einzelne Einnahme, erklärte der frühere Steuerdirektor Guy Heintz gegenüber dem „Luxemburger Wort“.

Noch desolater ist die Lage bei der „Cellule de renseignement financier“, die Finanzdienstleister über Verdachtsfälle von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung informieren müssen. Dort arbeiten 20 Personen, davon fünf Magistrate und acht Finanzanalysten, die jährlich über 30.000 Meldungen (Stand 2016) bearbeiten. Zwar soll die Anti-Geldwäsche-Einheit um einen weiteren Magistrat verstärkt werden, doch Staatsanwalt Jean-Paul Frising warnte, es sei alles andere als eine attraktive Karriere.

Dass solche Fälle immer wieder möglich sind, ist problematisch für alle Unternehmen und Investoren, die ehrliche und seriöse Geschäfte am Finanzplatz machen.“

Die Finanzaufsichtsbehörde CSSF und auch die Steuerverwaltung stellten in den letzten Jahren massiv Personal ein. Das ist ein wichtiger Impuls von Finanzminister Pierre Gramegna (DP).

Doch die Risiken sind enorm und der Nachholbedarf riesig. Ein weiteres Beispiel: In einer der größten Geldwäsche-Affären weltweit floss fast eine halbe Milliarde Euro über eine Bank in Luxemburg.

Der Ruf ist alles, was Luxemburg hat

Dass solche Fälle immer wieder möglich sind, ist problematisch für alle Unternehmen und Investoren, die ehrliche und seriöse Geschäfte am Finanzplatz machen. Ihnen – der überwältigenden Mehrheit – droht, dass jede Beziehung zu Luxemburg für hochgezogene Augenbrauen bei Geschäftspartnern und ausländischen Behörden sorgt. Und das ist für Luxemburg ein untragbares Risiko.

Es sollte ein Lektion sein, dass Sanjay Shah so unbeschwert seinen Geschäften in Luxemburg nachgehen konnte. Ja, auch in anderen Ländern waren Banken, Anwälte und Investoren an Cum-Ex-Geschäfte beteiligt. Doch der Finanzplatz und sein Ruf sind das Herz der Luxemburger Wirtschaft. Jede Herzrhythmusstörung kann tödlich sein.


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