Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Immer freitags blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Hyperventilierende Politiker im Wahlrausch.
Wussten Sie, dass unsere Haut im Normalfall eine Temperatur von 35 Grad hat? Und dass wir deshalb einen Hitzeschlag riskieren, sobald es draußen stundenlang so warm ist? Wie diese Woche. Allerdings gibt es andere Symptome der Hitze, dass es in den letzten Tagen leicht zu warm war: heißblütige Minister und politische Risse (in der Koalition).
Dabei hatte Finanzminister Gramegna (DP) das doch so gut geplant, als er am vergangenen Freitag parlamentarische Fragen zu den berüchtigten „Stock options“ beantwortete. Geht sicher im Sommerloch unter … doch weit gefehlt.
Hitzige Twitter-Battle um „Stock options“
Als die ersten Artikel am Dienstag erschienen, twitterte LSAP-Fraktionschef Alex Bodry aus dem Urlaub und verkaufte es als LSAP-Erfolg, dass das Steuerprivileg für Manager „nur“ noch 60 Millionen Euro pro Jahr kostet. Kritische Nachfragen von Journalisten sind unerwünscht. Bodry ist schließlich „an der Vakanz“!
Ech stellen fest, dass ech an der Vakanz sin.Ech mellen mech fir 2 Wochen of.
PS: Fir Reformen ze maachen muss een nët onbedengt Gesetzer ännneren. Eng politesch Decisioun geet duer. pic.twitter.com/yXDbMMnYbp— Alex Bodry (@AlexBodry) 1. August 2018
Es ging dennoch hitzig weiter: Der grüne Parteipräsident Christian Kmiotek meinte, dass der kleinste Koaltionspartner schon immer die „Stock options“ abschaffen wollte – die LSAP sei umgefallen. Gar nicht wahr, meinte Franz Fayot (LSAP). Parteipräsident Claude Haagen stellte klar, man sei sich doch in der Koalition einig … nichts zu tun.
Innenminister Dan Kersch ergänzte, die Grünen seien einfallslos und hätten sich nie zu Wort gemeldet, wenn es um „Stock options“ ging. Trotz sozialistischem Trolling wissen wir allerdings noch immer nicht, warum die LSAP letztlich einknickte.
Der Minister, der schneller schießt als sein Schatten
Aber egal, denn die LSAP ist vor allem eins: die Index-Partei. Der Vizepremier Etienne Schneider schwebte über den Niederungen der „stock options“ und twitterte am Dienstag um 8:07 Uhr die frohe Botschaft der nächsten Indextranche. 8:44 Uhr – Schneiders Statistikbehörde Statec sputet sich und legt mit der offiziellen Pressemitteilung nach. Damit auch alle vom Geldsegen erfahren, zogen die (LSAP-geführten) Ministerien für Sozialversicherung und Arbeit nach und veröffentlichten die neuen Beträge für Mindestlohn, Renten etc.
Schneiders Index-Tweets sind unter Journalisten legendär. Sie kommen immer aus dem Blauen und die Artikel dazu bringen viele Klicks. Der Wirtschaftsminister liebt natürlich die Aufmerksamkeit. Noch vor einer Woche klagte er gegenüber Journalisten, wie schrecklich es sei, dass die Politik jetzt sechs Wochen Sommerpause macht. Nun, die Inflation rettete ihn.
Doch falls Schneider auf einen handfesten Index-Streit hoffte, wurde er enttäuscht. Im Patronatslager war Ruhe im Karton, selbst Berufspolterer Romain Schmit echauffierte sich lieber über die ungeliebte Datenschutzgrundverordnung. Auf nichts ist mehr Verlass.
Von aufgeplatzten Straßen und einem geplatzten Kragen
Überhaupt haben die Minister das Konzept Sommerloch nicht so recht verstanden. Eigentlich ist es die Stunde der Hinterbänkler, die sich etwa um vermisste Tiere sorgen.
LSAP-Arbeitsminister Nicolas Schmit ist das egal. Während die meisten Politiker gemütlich über das Meer schippern oder in den Bergen wandern, macht Schmit Urlaub zu Hause und streift durchs Müllerthal. Was ihm dort aufgefallen ist: Dass die aufgeplatzten Straßen zwischen Berdorf und Echternach seit den heftigen Unwettern im Juni immer noch nicht repariert worden sind. In einem Facebook-Post macht der Politiker seinem Ärger Luft – und vergisst im Eifer des Gefechts sämtliche Rechtschreibregeln.
Es reiche nicht, nur über Mobilität zu sprechen, es müsse auch gehandelt werden, greift Schmit den Regierungskollegen François Bausch mit einer vollen Breitseite an. Der antwortet per hochoffiziellem Presseschreiben: „Reaktioun vum François Bausch op politesch Aussoen an de soziale Medien“. Die Reparaturarbeiten im Müllerthal seien in vollem Gange und die Anschuldigungen des Ministers entsprächen nicht der Realität. Bausch kontert auch bei RTL: „Wenn ich einen Arbeitskollegen habe, den ich mindestens einmal pro Woche sehe, dann spreche ich ihn direkt darauf an.“
Blau-Rot-Grün wollen Gras geben
Vielleicht sollten François und Nicolas mal gemeinsam eine Friedenspfeife rauchen. Das kühlt selbst politische Alphatiere ab.
A propos Koalition und Rauch: Alex Bodry meinte im Gespräch mit REPORTER, dass es kein blau-rot-grünes Projekt mehr gebe. Vor allem jetzt, da im Wahlkampf sich jeder auf sein eigenes Programm besinne. Cannabis könnte dem Projekt wieder neues Leben einhauchen – sprechen sich doch alle drei Regierungsparteien mehr oder weniger klar für eine Legalisierung der Droge in Luxemburg aus. Doch genau wie bei den „Stock options“ ist wieder alles nicht so einfach …
Andere reißen die Fenster auf
Blau-Rot-Grün kündigt es seit Jahren an. Bei Temperaturen über 30 Grad ist der Zeitpunkt jetzt endlich gekommen, um durchzulüften und die Fenster ganz weit aufzureißen. Sogar der Großherzog wird abgesetzt.
Dumm nur, dass hier nicht die Rede vom frischen Wind der drei Regierungsparteien ist. Statt den Politikern sind es jetzt Bauarbeiter und Monteure, die im Parlament durchlüften. Kaum war die letzte Sitzung abgeschlossen, haben im Plenarsaal große Umbauarbeiten begonnen. Ganz nach dem Motto „Alles muss raus“ werden seitdem Türen aus den Angeln gehoben, Bilder abmontiert, Kabel neu verlegt, Mobiliar abtransportiert.

Bis Ende Oktober sollen die Arbeiten andauern. Und wenn die Fenster dann wieder alle geschlossen sind, dürfen nach den Wahlen die neu gewählten Parlamentarier im renovierten Plenarsaal Platz nehmen. Dann ist der Wahlkampf vorbei, die Gemüter abgekühlt und das Staatsoberhaupt ist auch wieder an seinem Platz.