Die Regierung plant Mehrausgaben und Steuersenkungen in Höhe von mehreren Hundert Millionen Euro. Gleichzeitig hofft sie auf anhaltendes Wachstum. Die aktuellen Wirtschaftsdaten geben dieser Politik kurzfristig recht. Doch die Legislaturperiode dürfte lang werden.
Die Staatsfinanzen sind stabil. Das Wachstum ist wieder da. Das sind die beiden Grundpfeiler, auf denen die Dreierkoalition ihre Politik der kommenden fünf Jahre aufbaut. Dass die finanzielle und wirtschaftliche Situation aktuell günstig ist, bestätigen diverse Experten und Statistiken. Doch sie deuten auch darauf hin, dass sich die Lage ziemlich rasch zum Schlechten verändern kann.
So heißt es auch im neuesten Bericht des „Comité économique et financier national“. Das Gremium, in dem sich Experten aus dem Finanzministerium, dem Statec und weiteren staatlichen Verwaltungen versammeln, verfasste dieses Jahr die berühmte „Note au formateur“. Das Dokument liefert traditionell die ökonomischen und finanziellen Daten für die Koalitionsverhandlungen. Dieses Jahr werden darin eine Reihe von wirtschaftlichen „Risiken und Ungewissheiten“ aufgelistet, welche die positive Grundstimmung der Koalitionäre in Zukunft etwas trüben könnten.
Günstige Ausgangslage, unsichere Aussichten
Zu den kurzfristigen Risiken zählen die Autoren der Notiz insbesondere den zunehmendem Protektionismus, Handelskonflikte, geopolitische Unsicherheiten sowie die Folgen des Brexit und der Finanzlage Italiens. Hinzu komme eine „fiebrige Schieflage“ der Finanzmärkte, die sich unmittelbar auf den für Luxemburg überlebenswichtigen Sektor der Finanzdienstleistungen auswirken könnte. Dabei verringere insbesondere der Trend zur harmonisierten Unternehmensbesteuerung (BEPS, ATAD, CCCTB) den Handlungsspielraum der luxemburgischen Politik.
Der makroökonomische Kontext bleibe zwar generell günstig, so der Bericht. Die Stärke der luxemburgischen Wirtschaft zeige sich nach wie vor in einem dynamischen Arbeitsmarkt, der pro Jahr 3,0 bis 3,5 Prozent neue Arbeitsplätze schaffe. Allerdings habe die konjunkturelle Entwicklung einen Höhepunkt erreicht und das Wirtschaftswachstum werde in den kommenden Jahren voraussichtlich schwächer ausfallen als in der vorherigen Legislaturperiode. Auch das Statec hatte seine Wachstumsprognosen für 2018 und 2019 in den vergangenen Tagen schon nach unten revidiert.
Ebenso berge die Fortschreibung des Luxemburger Wachstumsmodells das grundlegende Risiko, dass das Land bei der Erweiterung und Modernisierung der Infrastrukturen nicht nachkomme bzw., dass die entsprechenden Mehrausgaben längerfristig das Gleichgewicht des Staatshaushalts gefährden.
Mehrausgaben von Hunderten Millionen Euro
Grundsätzlich günstig, aber mit ungewisser Perspektive: Ganz ähnlich stellen die Experten die Lage der Staatsfinanzen dar. Bei unveränderter Politik („à politique inchangée“), wie diese Prognosen stets aufgestellt werden, gebe es zwar keine Gründe zur Sorge. Demnach würde der Gesamthaushalt einen konstanten jährlichen Überschuss von 1,5 bis 2,2 Prozent des BIP ausweisen. Und auch das Defizit im Zentralstaat, also ohne Berücksichtigung der Budgets von Gemeinden und Sozialversicherung, würde bei unveränderter Politik – also ohne weitere Belastungen des Haushalts – langsam abnehmen.
Gleichzeitig gebe es aber eine Reihe von Risiken. Dazu gehören natürlich die besagten internationalen ökonomischen Faktoren. Hinzu kommen aber auch eine Reihe von hausgemachten Herausforderungen. So seien bereits beschlossene Mehrausgaben des laufenden Jahres (etwa die Gehaltserhöhungen im Öffentlichen Dienst oder Infrastrukturprojekte) in Höhe von 250 Millionen Euro in der Prognose noch nicht eingerechnet.
Ebenso wurden die vorhersehbaren Ausgaben des Koalitionsprogramms (Gratis-Transport, Mindestlohn und andere Steuermaßnahmen, Infrastrukturen…) noch nicht offiziell beziffert. Laut Informationen von REPORTER hat das Finanzministerium jedoch im Vorfeld der Verhandlungen einige Maßnahmen durchgerechnet. So werde allein die für Anfang 2019 geplante steuerliche Befreiung des Mindestlohns den Staat bis zu 70 Millionen Euro kosten. Die Abschaffung von kostenpflichtigen Tickets im öffentlichen Transport wird von den Verwaltungen auf über 60 Millionen Euro pro Jahr geschätzt. Die Senkung der Betriebssteuern kostet vermutlich weitere 100 Millionen Euro. Das blau-rot-grüne Programm enthält zudem weitere Ankündigungen von Steuersenkungen und Gratis-Leistungen. Die Frage der Gegenfinanzierung ist dagegen noch weitgehend offen.
Von der „politique inchangée“ zur Realität
Schließlich werden durch die Notion der „politique inchangée“ weitere mögliche Einflüsse nicht berücksichtigt. Die Autoren der „Note au formateur“ sprechen von erheblichen Folgen für das Staatsbudget und listen insgesamt vier Punkte auf: 1. Eine verringerte Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der Besteuerung von Unternehmen. 2. Ein möglicher höherer Beitrag zum Budget der EU. 3. Die Konsequenzen einer Reform auf EU-Ebene, wonach Luxemburg zur Auszahlung des Arbeitslosengeldes an Grenzgänger verpflichtet wird. 4. Die Haushaltskosten, die aus den Engagements in der internationalen Klimapolitik resultieren.
Unter dem Strich bleiben eine Reihe von potenziellen Kosten, die kombiniert durchaus das aktuelle Gleichgewicht der Staatsfinanzen ins Wanken bringen könnten. Im Gegensatz zu 2013 wird die „Note au formateur“ dieses Mal aber nicht zum Anlass einer dezidierten „Sparpolitik“ genommen. Blau-Rot-Grün setzt andere Prioritäten. Die Prognosen geben der politischen Ausrichtung von DP, LSAP und Déi Gréng durchaus recht: Zumindest kurzfristig gibt es wenig Grund zur Sorge.
Lesen Sie weiter zum Thema: Die Widersprüche blau-rot-grüner Steuerpolitik