Mehr als ein halbes Jahr war die deutsche Kulturbranche im Lockdown. Wie haben Luxemburger Künstler in Berlin diese beispiellose Zeit erlebt? Schauspielerin Leila Lallali spricht über die eigene Kreativität und den Kontrollverlust, der mit der Pandemie einherging.

Etwas verspätet erscheint Leila Lallali in pinkem Blazer an der Spree, die weiße Bluse darunter flattert im unbeständigen Mai-Wind. Prompt entschuldigt sie sich, sie sei derzeit ein bisschen durcheinander. Das vergangene Jahr hat auch bei ihr Spuren hinterlassen.

Leila Lallali, 34 Jahre jung, ist Schauspielerin. Man kennt sie aus dem Theater und von der großen Leinwand, etwa aus Arbeiten von Anne Simon, Pol Cruchten, Andy Bausch, Filip Markiewicz und Gintare Parulyte. Als im März letzten Jahres der erste Lockdown ausgerufen wurde, sollte die Luxemburgerin Ende des Monats in der heimatlichen Philharmonie im Rahmen eines Projektes der „Solistes Européens“ auf der Bühne stehen. Der Rest ist bekannt. Alles war bis auf Weiteres abgesagt.

Sich der eigenen Prekarität bewusst werden

„Heute hat man vielleicht schon wieder ein bisschen vergessen, wie krass das zu Beginn war. Man wusste noch viel weniger als heute, was eigentlich passierte”, sagt Leila Lallali. Man merkt ihr wie den meisten Menschen an, dass sie die vergangenen 15 Monate geprägt haben. Sie sei zunächst nicht gut mit der Krise zurechtgekommen, habe erst einmal viel Angst gehabt, erzählt sie.

Regenwolken wechseln sich derweilen mit Sonnenstrahlen ab, der Fernsehturm funkelt hinter der Jannowitzbrücke wie auf einer Postkarte. „Einerseits war da natürlich diese existenzielle Angst – aber ich bin mir auch der Prekarität meines Jobs stärker bewusst geworden, und wie sehr mein berufliches Leben von externen Faktoren abhängt.”

Darüber, wie viele Projekte man als Künstler im Jahr bekommt, hat man auch im Normalfall nur bedingt Kontrolle. Für viele ist es sowieso schon hart. Dieses Gefühl nochmal im Extremfall zu erleben – die Aufträge in der Schauspielbranche für die folgenden sechs Monate sind Leila Lallali weggebrochen – fand sie so unbehaglich, dass sie sich kurzerhand wieder stärker einer weiteren Leidenschaft widmete: der Malerei. Die Rückkehr in die Kunst habe ihr sehr gut getan, sagt sie. „Wenn ich male, habe ich die Kontrolle darüber, was ich wie und wann produziere. Dadurch konnte ich mir letztes Jahr eine Struktur schaffen, als die äußere wegfiel.“

Luxemburg – London – New York – Berlin

Denn auch wenn irgendwann wieder Proben anfingen und die Theater Vorkehrungen trafen, war sie erst einmal verunsichert, verängstigt. Wie sollte sie mit dieser Angst ihre Arbeit ordentlich machen? Die kleineren Engagements, etwa eine Reprise von „Rabonzel“ im Großen Theater in Luxemburg, und Lesungen fühlten sich da sicherer an als Großprojekte.

Dabei ist sie seit der Kindheit gewohnt, ständig auf Achse zu sein. Als Tochter eines Piloten reiste sie schon früh um den Globus. Heute ist ihr viel stärker bewusst, was für ein Privileg das war. Ihren Namen, der so klangvoll wie ein Künstlername daherkommt, hat sie übrigens von ihrer algerischen Mutter übernommen – bis vor Kurzem hieß sie noch Leila Schaus.

« Was will ich eigentlich machen, was macht mich glücklich? » Unter dem Pseudonym Leila Saint James widmet sich die Schauspielerin Leila Lallali der Malerei.

Leila Lallali zog es früh aus dem beschaulichen Großherzogtum in die weite Welt. Nach dem Abitur am Lycée Robert Schuman zog sie zunächst zum Kunststudium nach London, bevor sie drei Jahre in New York verbrachte, wo sie am Lee Strasberg Institute die Schauspielerei erlernte. Nach einer kurzen Rückkehr nach London und einem Aufenthalt in Paris lebt die Künstlerin nun seit drei Jahren in Berlin.

« Alles total surreal »

Mit dem Rumreisen und Ständig-Unterwegs-Sein war dann letztes Jahr plötzlich schlagartig Schluss. Sie erinnert sich noch gut, wie sehr sich die deutsche Hauptstadt plötzlich veränderte, als das Virus ausbrach. „Leergefegte Straßen – alles total surreal”. Aber es habe sich zu Beginn auch ein Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Menschen entwickelt, und der ewige Leistungsdruck, produktiv zu sein, sei für kurze Zeit verschwunden. Das hatte auch seine gute Seiten, findet sie.

Und die Solidarität, die man anfangs gespürt hatte, war ja auch eine finanzielle: „Ich bin wahnsinnig dankbar für die Unterstützung vom Staat und von den Theatern, die ich bekommen habe”. Allerdings wurden natürlich nur die Projekte kompensiert, die auch abgesagt wurden. Die kleinen, kurzfristigen Engagements, wie etwa spontan etwas aufzunehmen, konnten weder ersetzt noch kompensiert werden. „In der Kultur gibt es im Gegensatz zu anderen Bereichen keine starke Lobby, die Druck machen kann”, sagt sie.

Sie wolle ihr Leben einfach nicht dem Zufall überlassen – sich wieder in der bildenden Kunst zu entfalten, hat sie in diesem Gefühl bestärkt. Neu ist ihr die Malerei keineswegs: Mit 12 Jahren fing sie an zu malen. Mit einem Lächeln in den Augen spricht sie darüber, dass sich in diesem Bereich seit dem vergangenen Jahr viele bis dahin verschlossene Türen geöffnet haben: Einige ihrer Bilder werden etwa bald in einer Gruppenausstellung in New York zu sehen sein.

« Was macht mich glücklich? »

Die Situation konnte Leila Lallali also auch positiv gestalten. „Irgendwie hat es doch gut getan ein wenig innezuhalten und ein Jahr zu haben, in dem man sich fragen kann: Was will ich eigentlich machen, was macht mich glücklich?”

Vielleicht ist dieser hektische Lebensstil, maximal zwei Wochen am Stück zuhause zu sein, doch nicht auf ewig so wünschenswert. Ganz in das kleine Luxemburg zurückzukehren, steht aber erst einmal nicht zur Debatte. Zu inspiriert ist sie von Großstädten wie Berlin und der Anonymität, die diese bieten.

In Zukunft will sie sowohl die Schauspielerei als auch die Malerei professionell weiter verfolgen. Ihren Wiedererkennungswert schaffen und ihn weiter verfeinern, jene expressionistisch-humoristischen Bilder, die sie unter dem Pseudonym Leila Saint James präsentiert und die einen oft auf Reisen in die Ferne führen – dorthin, wo Leila Lallali so viel Zeit ihres Lebens verbracht hat.


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