Am 1. Juni beginnt die Europäische Staatsanwaltschaft mit ihren Ermittlungen. Der Termin wurde mehrmals vertagt. Doch Luxemburg ist noch immer nicht bereit – weder beim Personal, noch beim gesetzlichen Rahmen. Zudem macht sich in Justizkreisen viel Kritik und Skepsis breit.
Luxemburg ist stolz darauf, eine europäische Hauptstadt zu sein – mit unter anderem dem Sitz des Europäischen Gerichtshofs und seit kurzem der Europäische Staatsanwaltschaft (EPPO). Die neue Institution wird ab dem 1. Juni Betrüger und Steuerhinterzieher jagen, die in Europa einen jährlichen Schaden von schätzungsweise 60 Milliarden Euro verursachen. Sie hat ihren Sitz im einem der Doppeltürme bei der Einfahrt zum Kirchberg-Plateau.
Die EPPO hat eine leidvolle Geschichte hinter sich, noch bevor der erste Fall bearbeitet wird. 2017 stimmte das Europäische Parlament der Schaffung der neuen Institution zu, die erstmals 2009 im Vertrag von Lissabon festgehalten wurde. Damals war geplant, dass bereits 2018 die Ermittlungen beginnen sollten. Das Prinzip: Die Europäische Staatsanwaltschaft ist zuständig, sobald es um die finanziellen Interessen der EU geht. Dazu zählt der Betrug mit Subventionsgeldern, der angesichts der Hilfen im Rahmen der Coronakrise stark zunehmen könnte. Doch der viel größere Brocken ist der Mehrwertsteuerbetrug, der die Staaten jedes Jahr mindestens 50 Milliarden Euro kostet.
Die Europäische Staatsanwaltschaft funktioniert nach einen mehrstufigen Schema: Die Rumänin Laura Kövesi steht als Generalstaatsanwältin einem Kollegium von 22 Europäischen Staatsanwälten (ein Vertreter pro teilnehmendem Land) vor. Das Kollegium ist unabhängig von jedem nationalen Einfluss. Da die EU-Mitgliedstaaten jedoch die Kontrolle über strafrechtliche Ermittlungen behalten wollten, wurde eine zweite Ebene geschaffen: die delegierten Europäischen Staatsanwälten. Sie führen die konkreten Ermittlungen in jeweiligen Land durch und erhalten dafür weitreichende Befugnisse.
Das Personal fehlt
Doch es ist mehr als unsicher, ob ab dem kommenden Juni auch Ermittlungen in Luxemburg durchgeführt werden können. Zwar hat Luxemburg mit Gabriel Seixas seinen Europäischen Staatsanwalt ernannt, der auch bereits vereidigt wurde. Doch die Luxemburger Justiz sucht noch nach den zwei delegierten Staatsanwälten, die die Ermittlungsarbeiten hierzulande durchführen sollen.
„Welche Botschaft will man senden, wenn man weiß, dass die Europäische Staatsanwaltschaft am 1. Juni mit ihrer Arbeit startet und man noch keine Staatsanwälte nominiert hat?“Laura Kövesi, Generalstaatsanwältin bei der EPPO
Luxemburg ist neben Griechenland, Slowenien und Zypern eines von nur vier Ländern, das noch keine Kandidaten vorgeschlagen hat. Die Bewerbungsfrist wurde bis zum 14. Mai verlängert. Die Kandidaten werden von der Generalstaatsanwaltschaft begutachtet und dann an das Justizministerium weitergereicht. Dann schlägt Luxemburg die Kandidaten der Europäischen Staatsanwaltschaft vor, die sie schließlich formal ernennt. Die Auswahl durch das EPPO ist streng: Rezent wurden etwa zwei bulgarische Kandidaten abgelehnt.
Das sei aber kein größeres Problem, heißt es auf Nachfrage aus dem Justizministerium. Bis das ganze Personaltableau steht, könne zudem Gabriel Seixas die Arbeit der delegierten Staatsanwälte in Luxemburg übernehmen. Seine Rechte und Pflichten sind denen der delegierten Staatsanwälte gleichgestellt.
Staatsrat und Justiz äußern Kritik
Doch würde er in Luxemburg tatsächlich ermitteln, dann sind die Prozeduren bisher völlig ungeklärt – mit enormer rechtlicher Unsicherheit. Der Gesetzentwurf 7759, der Luxemburgs Strafprozessordnung an die EU-Verordnung zum EPPO anpassen soll, wird aktuell noch im Justizausschuss des Parlaments diskutiert. Berichterstatterin des Projekts ist Stephanie Empain (Déi Gréng). Allen Akteuren sei die Bedeutung klar, betont die grüne Abgeordnete im Gespräch mit Reporter.lu. Ob der Text noch vor dem 1. Juli beschlossen werden kann, lässt sie allerdings offen.
Doch die Befugnisse, die die delegierten Staatsanwälte über den Gesetzentwurf erhalten sollen, sorgen für grundsätzliche Kritik vonseiten des Staatsrats und mehrerer Justizorgane …
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