Das Abkommen behindert die Energiewende und ist unvereinbar mit den Pariser Klimazielen. Zu diesem Schluss kommen immer mehr EU-Staaten. Sie wollen den Schutz von Investitionen in fossile Energien beenden. Doch es bleiben juristische Hürden.
Luxemburg schließt sich Frankreich und Deutschland an und verlässt das Investitionsschutzabkommen. Das beschloss das Kabinett am Freitag. Damit droht eine Modernisierung des Energiecharta-Vertrags (ECT) zu scheitern, die am kommenden Dienstag in der Mongolei beschlossen werden sollte. Die Position der EU ist aber noch nicht klar.
„Auch wenn die Modernisierung des ECT zu manchen Fortschritten führt, ist der Vertrag noch immer nicht vereinbar mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens. Investitionen in fossile Energien und Atomkraft bleiben weiter geschützt“, sagte Energieminister Claude Turmes (Déi Gréng) in einer Stellungnahme. Er hatte sich seit 2019 für eine Reform des ECT eingesetzt und wollte den ECT zum „Bodyguard“ für erneuerbare Energien machen.
Den Staaten drohen Klagen in Milliardenhöhe, wenn sie aus fossilen Energien aussteigen. Der ECT sieht vor, dass Energiekonzerne vor privaten Schiedsgerichten gegen Staaten vorgehen können, wenn deren Politik ihre Investitionen gefährdet. Unter den Schutz des Abkommens fallen fossile Anlagen im Wert von mindestens 344,6 Milliarden Euro, berichtete „Investigate Europe“.
Verfehlte Modernisierung
Die Modernisierung des ECT erfüllte die gesetzten Ziele nicht. Der französische „Haut Conseil pour le Climat“ hielt fest, dass die Staaten den Pariser Klimazielen unter keinem Szenario der Reform gerecht werden könnten. Die EU hatte mehrere Ausnahmeregelungen ausgehandelt, da ein Teil der 54 Mitgliedstaaten der Energiecharta eine komplette Überarbeitung des Vertrags blockierte. Zu diesem „Flexibilitätsmechanismus“ zählt, dass in der EU der Schutz von fossilen Energien innerhalb von zehn Jahren auslaufen soll und Klagen zwischen EU-Staaten ausgeschlossen werden sollten.
Der Luxemburger Beamte Guy Lentz ist seit Januar Generalsekretär der Energiecharta. Die EU und auch Claude Turmes hatten sich für seine Nominierung eingesetzt. So könne die Reform besser gelingen, sagte der Energieminister im Interview mit Reporter.lu im Februar 2021. Experten kritisieren, dass die Ausnahmen, die die EU und Großbritannien für sich in Anspruch nehmen, nicht für andere Länder gelten. Dazu kommt, dass das Generalsekretariat des ECT unter Guy Lentz neue Mitgliedstaaten gerade in Afrika gewinnen wollte.
Das Problem der „Zombie-Klausel“
Neben den 27 Ländern ist die EU als Ganzes ebenfalls Mitglied des ECT. Da mit Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Polen, Slowenien und Spanien eine große Zahl an EU-Ländern ihren Austritt angekündigt hatten oder im Fall Italiens bereits ausgetreten sind, stellt sich die Frage, wie die EU sich positioniert. Bisher hält die EU-Kommission an der Reform des ECT fest und will diese am Dienstag in der Mongolei unterstützen. Der Ministerrat soll sich am Montag festlegen, die Entscheidung wurde diese Woche mehrmals vertagt.
Der Austritt aus dem ECT ist aber alles andere als einfach. Das Problem: Der Vertrag sieht in seiner aktuellen Form vor, dass der Investitionsschutz noch während 20 Jahren gilt, nachdem ein Land ausgetreten ist. Diese „Zombie-Klausel“, wie Umweltschützer sie nennen, führt zu absurden Situationen: Luxemburg wird im EU-Ministerrat für die Modernisierung des ECT stimmen – obwohl die Regierung das Abkommen aufkündigen will. Die juristische Analyse habe ergeben, dass ein Austritt nach der Reform erlaube, die „Sunset-Klausel“ für fossile Energie von 20 auf zehn Jahre zu senken, heißt es aus dem Energieministerium.
Allerdings gelten die zehn Jahre erst, nachdem drei Viertel der 54 ECT-Mitgliedstaaten die Reform ratifiziert haben. Bis die Reform in Kraft tritt, kann es somit lange dauern.
Experten sind skeptisch
Experten glauben nicht an diese Option des Austritts, ohne die Reform zu blockieren. Die Expertin Yamina Saheb warnt vor einem „Chaos-Szenario“. Das Risiko: Die aktuelle Version des ECT würde in Kraft bleiben, da die Modernisierung aufgrund der fehlenden Ratifizierung nie in Kraft tritt. Stimme die EU-Kommission zu, dann seien die Mitgliedstaaten zudem verpflichtet, eine Ratifizierung des reformierten ECT anzustreben, warnte die Professorin Christina Eckes von der Universität Amsterdam bei einer Onlinekonferenz. Und das trotz Austritts.
Es führe zu Verwirrung, wenn die EU Mitglied im ECT ist, die Mehrheit der Länder aber austrete, sagt Martin Dietrich Brauch, Forscher am New Yorker „Columbia Center on Sustainable Investment“ im Gespräch mit Reporter.lu. Da die EU nicht haftbar gegenüber Investoren sei, schaffe diese Lösung vor allem rechtliche Unsicherheit.
Die EU-Kommission müsse an einem koordinierten Austritt der ganzen EU arbeiten, forderte der grüne Co-Präsident Meris Sehovic auf Twitter. Doch noch ist unklar, wie der genaue Ablauf sein wird und welche Option die Klimapolitik der EU am wenigsten gefährdet.
Falls die 27 EU-Mitgliedstaaten geschlossen austreten, dann steht das Überleben des ECT auf dem Spiel. Die EU stellt knapp die Hälfte der Mitglieder, zahlt aber zwei Drittel des Budgets des Generalsekretariats.


