Luxemburgs Gerichte sind Schauplatz eines Streits zwischen Kasachstan und einem der reichsten Männer Moldawiens. Es geht um Schadensersatz für eine Gasförderung in der zentralasiatischen Republik. In den Streit werden auch Luxemburger Unternehmen hineingezogen.

Vom Bezirksgericht bis zum Kassationshof ist die Luxemburger Justiz auf allen Ebenen mit einen Fall befasst, der einem Wirtschaftskrimi gleicht. Der Moldauer Unternehmer Anatol Stati und sein Sohn Gabriel fordern von Kasachstan knapp 450 Millionen Euro Schadensersatz für zwei Gasfelder. Die zentralasiatische Republik verstaatlichte nach jahrelangem Streit die betreffenden Unternehmen der Familie Stati.

Es folgte ein Verfahren vor dem Stockholmer Schiedsgericht, bei dem sich die Moldauer auf den Investitionsschutz im Energiecharta-Vertrag beriefen. Die Richter sprachen den Unternehmern Ende 2013 Recht auf umgerechnet 435 Millionen Euro zu. Zu diesem Betrag kamen bis 2017 weitere 16 Millionen Euro an Zinsen und Verfahrenskosten hinzu. Da Kasachstan die Entschädigungssumme nicht freiwillig zahlte, begannen die Unternehmer Stati und ihr Konzern Ascom Group kasachische Vermögenswerte in den USA, Großbritannien, den Niederlanden, Belgien, Schweden, Italien und auch Luxemburg pfänden zu lassen.

Pfändungen in Höhe von einer Milliarde Euro

In Luxemburg ließ der Konzern Ascom im August 2017 die Anteile Kasachstans an der hiesigen Holding „Eurasian Resources Group“ (ERG) sowie Dividenden in Höhe von 48 Millionen Euro pfänden. Die Moldauer beantragten ebenfalls eine „saisie-arrêt“ auf kasachische Ansprüche gegenüber ArcelorMittal und Cameco Luxembourg, der Tochter eines der größten Uranherstellers weltweit. Das legte Ascom in einer Pressemitteilung offen.

Dazu kamen weitere Pfändungen bei vier Finanzinstituten in Luxemburg, die Vermögenswerte des kasachischen Staates in Luxemburg verwalten. Dies geht aus einem Urteil des Bezirksgerichts von Januar 2021 hervor. Zusammen erreichen die unterschiedlichen Pfändungen eine Höhe von knapp einer Milliarde Euro.

Die Republik Kasachstan klagte in mehreren Verfahren gegen diese Pfändungen und die dahinter stehende Schadensersatzforderung. Der Klägeranwalt François Kremer (Kanzlei Arendt&Medernach) warf der Gegenpartei vor, den Schiedsspruch und weitere Prozesse mit gefälschten Dokumenten zu ihren Gunsten entschieden zu haben. Die Vertreter von Ascom und Stati wiesen den Vorwurf zurück.

Allerdings hat Kasachstan erreicht, dass die Luxemburger Justiz in diesem Fall nun strafrechtlich ermittelt. Das Bezirksgericht im zivilen Verfahren urteilte im Januar, die Entscheidung im strafrechtlichen Fall abzuwarten, ehe über die Pfändungen entschieden werde.

Kasachstan klagt gegen Schiedsurteil

Das neueste Urteil in dieser Affäre fällte der Kassationsgerichtshof am 11. Februar. Es geht dabei um die rechtliche Anerkennung des Urteils des Stockholmer Schiedsgerichtes. Im August 2017 hatte ein Luxemburger Richter die Entscheidung als gleichwertig zu einem Urteil eines Luxemburger Gerichtes erklärt. Das war die Bedingung für die Rechtmäßigkeit der Pfändungen.

Gegen diese Anerkennung des Schiedsurteils klagte Kasachstan vor der „Cour d’appel“. Auch in diesem Verfahren führte der zentralasiatische Staat Betrugsvorwürfe an. Mehrere Gesellschaften des Unternehmers Stati hätten den Wert der Gasanlagen in Kasachstan durch fiktive Verträge in die Höhe getrieben. Das Schiedsgericht sei getäuscht worden. Die Richter wiesen diesen Einwand allerdings ab – diese Vorwürfe seien bereits vor einem schwedischen Gericht geprüft worden. Sie bestätigten die Anerkennung des Schiedsurteils somit.

Die „Cour d’appel“ habe in ihrem Urteil jedoch zwei Beweisstücke in Betracht gezogen, zu denen nicht beide Parteien angehört worden seien. Deshalb annullierte der Kassationsgerichtshof nun das Urteil der „Cour d’appel“ von Dezember 2019. Der Fall geht damit zurück vor diese Instanz, die in anderer Besetzung neu entscheiden muss.

Diplomatische Risiken

Kasachische Medien feierten das Urteil des Kassationsgerichtshofs als „weitere Schlacht“, die das Land gewonnen habe. Die Entscheidung machte auch Schlagzeilen in internationalen Fachmedien.

Die Anwälte von Stati brachten im Verfahren als Beweisstück einen Dokumentarfilm mit dem Titel „Voyage au cœur d’une dictature“ des Fernsehsenders „M6“ vor. In ihren Schlussanträgen wiesen sie ebenfalls auf die weitreichende Korruption im zentralasiatischen Land hin. Kasachstan forderte den Ausschluss dieser Beweisstücke und Schlussfolgerungen. Sie hätten nichts mit dem Fall zu tun und seien verleumderisch.

Die Richter der „Cour d’appel“ gaben der kasachischen Seite in diesem Punkt Recht. Die Luxemburger Justiz habe sich nicht zu der politischen Organisation eines souveränen Staates zu äußern. „Dans la mesure où les développements litigieux et le reportage visent le régime politique du Kazakhstan, ils sont dénués de pertinence dans le cadre du présent litige et il y a lieu de les écarter des débats“, heißt es im Urteil.

Das ist als Argument etwas überraschend. Denn der Energiecharta-Vertrag wurde in den 1990er Jahren unterzeichnet, um Investoren in politisch instabilen Ländern zu schützen. Die politische Dimension des Falles ist unumstritten: Laut Medienberichten forderte der frühere Präsident der Republik Moldau den kasachischen Staatschef auf, die Geschäfte von Anatol Stati in Kasachstan genau zu „prüfen“.


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