Erst wollte Luc Frieden Kommissar in Brüssel werden. Nun will er an die Spitze der Handelskammer. In den letzten Jahren verlief die Karriere des Ex-Ministers in der Grauzone zwischen Politik und Wirtschaft. Seine Bilanz ist bescheiden, die Liste der Interessenkonflikte lang.

Erst sehr spät sollte feststehen, dass die CSV nicht nur die Wahlen deutlich verloren hat. Auch das Ziel, in die Regierung zurückzukehren, sollte sie verfehlen. An jenem Abend des 14. Oktober 2018 brach auch für Luc Frieden eine kleine Welt zusammen. Mit der Wahlniederlage der CSV war klar: Sein politisches Comeback war gescheitert.

Einige Monate zuvor hatte sich Luc Frieden zusichern lassen: Sollte die CSV wieder Regierungspartei werden, werde seine Partei ihn bei Koalitionsverhandlungen als Kandidaten für die EU-Kommission durchsetzen. So lautete der entsprechende Deal mit Claude Wiseler. Der Ex-Spitzenkandidat der CSV zählt Frieden zu seinen engen Freunden in der Politik.

Politisches Comeback vorerst gescheitert

Es war nicht das erste Mal, dass der Karriereplan des Luc Frieden nicht aufging. Von den Medien wurde der langjährige Minister schon als „Kronprinz“ von Jean-Claude Juncker bezeichnet. Juncker sollte aber seinen Premier-Posten trotz wiederholter, anders lautender Andeutungen nicht freiwillig räumen. Bei den Parlamentswahlen 2013 ging Frieden dann, angeschlagen durch diverse Affären, mit seinem ehemaligen Chef gemeinsam unter.

Später traute er sich durchaus die Spitzenkandidatur seiner Partei bei den Wahlen im Oktober 2018 zu. Doch mit seinem verfrühten Abschied aus dem Parlament (Zitat: „Die Rolle als Oppositionspolitiker passt weniger zu meinen Charaktereigenschaften“) hatte sich der Ex-Minister selbst den Weg zu höheren Weihen in der CSV versperrt. Das Ziel Brüssel war dann gewissermaßen sein letzter Strohhalm für die Rückkehr in die Spitzenpolitik.

Vom „Kronprinzen“ zum Geschäftsmann

Mittlerweile scheint der 55-Jährige seine politischen Ambitionen aber komplett auf Eis gelegt zu haben. Er strebe kein parteipolitisches Mandat mehr an, wurde Frieden Mitte Januar vom „Luxemburger Wort“ zitiert. Seine Jobs als Anwalt („Elvinger Hoss Prussen“) sowie als Verwaltungsratspräsident der „BIL“ und von „Saint-Paul Luxembourg“ wolle er allerdings weiter wahrnehmen.

Zudem ist Luc Frieden laut dem „Land“ als neuer Präsident der Handelskammer im Gespräch. Am Dienstag teilte das Wirtschaftsministerium mit, dass er als Vertreter des Bankensektors in die Vollversammlung der Handelskammer gewählt wurde. Die Wahl des Präsidenten folgt in einem weiteren Schritt. (Mehr zur Wahl lesen Sie hier.)

Dabei würden hinter den Kulissen bereits gewisse Vorbehalte gegenüber der Unabhängigkeit des CSV-Mitglieds geäußert, so das „Land“. Über die Personalie und einen entsprechenden „Aufruhr in der Arbeitgeberwelt“ berichtete ebenso das „Tageblatt“. Unabhängig von seinen Chancen, den Sprung an die Spitze der Handelskammer zu schaffen, polarisiert der Ex-Minister. Auch seine Aktivität als Unternehmensführer ist nicht ohne Kontroversen geblieben.

„Saint-Paul“: Gehaltserhöhung in eigener Sache

Seit dem 27. Januar 2016 ist Luc Frieden Präsident des Verwaltungsrates von Saint-Paul Luxembourg S.A., dem Herausgeber des „Luxemburger Wort“. Eine seiner ersten Amtshandlungen betraf die Vergütung des Verwaltungsrats. Im Jahresbericht 2016 wird später vermerkt, dass die finanzielle Entschädigung der sechs Mitglieder des Gremiums von 37.812,50 auf 160.000 Euro angestiegen sei. Das Sitzungsgeld, das den Mitgliedern ausgezahlt wird, hat sich unter Frieden also mehr als vervierfacht.

Seit Mai 2016 zählt das Gremium sechs Mitglieder, was im Schnitt knapp 27.000 Euro pro Kopf macht. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass Frieden als Präsident wie in vielen Aufsichtsgremien üblich einen höheren Anteil der 160.000 Euro erhält. In den sieben Jahren zuvor schwankte die Vergütung zwischen 37.000 und 68.000 Euro – für bis zu neun Mitgliedern.

Eine Zeitung nach Friedens Geschmack

Höhere Wellen schlug später allerdings Luc Friedens Eingriff in das redaktionelle Gefüge der traditionellen luxemburgischen Tageszeitung. Mit dem Anliegen einer deutlicheren „politischen Tendenz“ der Zeitung erwirkte der Präsident des Verwaltungsrats im September 2017 den Austausch der Chefredaktion. Das Verhältnis zwischen dem „Luxemburger Wort“ und der CSV definierte er fortan als „kritische, aber freundschaftliche Distanz“. Ebenso ging es dem ehemaligen Finanzminister aber auch um eine Zeitung, die eine „positive Sicht auf die Wirtschaft“ habe, so Frieden damals im Gespräch mit REPORTER.

Eine klare Trennung zwischen seiner Funktion und seinen persönlichen Ambitionen fällt Luc Frieden dabei offenbar schwer. So ist der amtierende Verwaltungsratschef in den Medien des von ihm präsidierten Verlagshauses gern gesehener Interviewpartner und Experte – etwa für den Brexit, die Bankenkrise oder für die Digitalisierung im Rahmen der anstehenden Sozialwahlen.

Ein Ex-Minister mit gewissen Vorzügen

Sein Posten an der Spitze des „Luxemburger Wort“ ist nur ein Beispiel, wie Luc Frieden seinen politischen Einfluss und wirtschaftliche Interessen vermischt. Am deutlichsten wird dies bei seinem Wechsel von der Oppositionsbank im Parlament zur Deutschen Bank.

Im Juli 2014 teilte die Großbank mit, dass Luc Frieden als „Vice Chairman“ eingestellt und ab September in der Londoner Niederlassung arbeiten werde. Anders als der vollmundige Titel es vermuten lässt, nahm Frieden keine aktive Rolle im Management der Finanzinstitution wahr. Er werde den Vorstand und das „senior management“ beraten, hieß es in der Pressemitteilung der Deutschen Bank.

Das Ziel des neuen Arbeitgebers war klar: „Die Bank will sich damit Friedens Netzwerk zunutze machen“, schrieb etwa der „Spiegel“. Die genannten Kompetenzen zeigen eindeutig, dass Frieden sich für die in seiner Amtszeit als Luxemburger Minister gesammelten Infos und Beziehungen bezahlen ließ. Er werde sich um internationale und europäische Angelegenheiten kümmern und die Beziehungen zu Regierungen und Regulierungsbehörden pflegen, hieß es in der Mitteilung der Deutschen Bank.

„Keine Regel, die es verbietet“

Zufall oder nicht: Nahezu gleichzeitig beschloss die blau-rot-grüne Regierung einen Deontologiekodex für Minister. Darin steht explizit: „Während den zwei Jahren, die auf das Mandatsende folgen, ist es den früheren Regierungsmitgliedern verboten, die über ihre Funktion erlangten nicht öffentliche Informationen zu nutzen oder zu verbreiten.“ Vor allem dürften die Ex-Minister weder ihren Kunden noch ihrem Arbeitgeber eine Beratung anbieten, die auf diesem Wissen beruht und sie auf diese Weise Vorteile aus ihrem früheren Amt ziehen würden.

Doch genau das machte Frieden bei der Deutschen Bank. Allerdings musste er sich nicht an den Kodex halten, da dieser nicht rückwirkend galt. „Es gibt keine Regel, die meinen Wechsel in die Privatwirtschaft verbietet“, sagte er damals dem „Radio 100,7“. Frieden hatte aber in einem Punkt Recht. Neben der Gnade des späten Inkraftretens der im Juli 2014 beschlossenen Verhaltensregeln für Regierungsmitglieder, ist darin keine konkrete Sanktion für einen solchen Fall vorgesehen.

Vorerst keine Ambitionen auf ein politisches Amt mehr: Luc Frieden (Mitte) mit seinen Parteikollegen Laurent Zeimet (l.) und Claude Wiseler (r.) auf einer CSV-Veranstaltung. (Foto: CSV)

Kataris retten die Karriere

Doch der Job in London wurde Frieden offenbar unangenehm. Nach nur knapp anderthalb Jahren gab er den Posten bei der Deutschen Bank auf. Ein Grund war wohl auch, dass sein direkter Chef Stephan Leithner im Oktober 2015 die Bank verließ – im Zuge des Skandals um die manipulierten Libor-Zinssätze und Geldwäsche in Russland. Die Deutsche Bank stellte ihr gesamtes Management neu auf.

Luc Frieden entschied sich für die Rückkehr nach Luxemburg. Erst übernahm er den Vorsitz beim Herausgeber des „Luxemburger Wort“. Im Mai 2016 folgte der Posten des Verwaltungsratsvorsitzenden der BIL. Im September 2016 wurde er Partner der Anwaltskanzlei Elvinger Hoss Prussen.

Dabei sticht besonders die Ernennung durch den BIL-Hauptaktionär Precision Capital hervor. Der Clou: Es war der Minister Luc Frieden, der im Oktober 2011 den katarischen Premier Al Thani anrief, als er auf der Suche nach einem Käufer für Dexia-Bil war. Praktischerweise war die Holding der katarischen Königsfamilie Precision Capital bereits in Luxemburg aktiv.

Ein lukrativer „Win-Win“-Deal

Die Kataris zahlten einen niedrigen Preis für die BIL: knapp 650 Millionen Euro für 90 Prozent der Anteile. Und sie machten innerhalb kürzester Zeit einen beachtlichen Gewinn, denn sie verkauften die luxemburgische Bank 2018 für knapp 1,5 Milliarden Euro an die chinesische Legend Holdings. Mit tatkräftiger Unterstützung von Luc Frieden – erst als Minister, dann an der Spitze der Bil – verdiente die Familie Al Thani also über eine Milliarde Euro innerhalb von sieben Jahren, zählt man die ausgeschütteten Dividenden hinzu. Das rechnete das „Lëtzebuerger Land“ aus.

Der BIL-Job ist allerdings auch für Frieden lukrativ. Der 13-köpfige Verwaltungsrat erhielt 2017 eine Vergütung von insgesamt 935.000 Euro. Das macht im Schnitt 72.000 Euro pro Mitglied. Wie die Aufteilung genau aussieht, ist nicht öffentlich. Doch auch hier darf man davon ausgehen, dass Luc Frieden als Präsident einen deutlich höheren Anteil erhält.

Eine bescheidene Bilanz

Nach außen gibt Luc Frieden gerne das Bild eines gewieften Geschäftsmanns und „Elder Statesman“ ab. Sein öffentliches Ansehen schöpft er unter anderem aus seiner 15-jährigen Regierungserfahrung und insbesondere aus seinem Management der Finanzkrise. In den letzten Jahren gab es jedoch zahlreiche Episoden, die ihn zu einem äußerst umstrittenen Politiker machten.

Nur zwei Beispiele: 2011 verkaufte er ein Drittel der Cargolux an Qatar Airways ohne den zuständigen Verkehrsminister Claude Wiseler oder andere Akteure einzuweihen. 2013 verlor er fast ein Misstrauensvotum im Parlament, weil ihm unter anderem Generalstaatsanwalt Robert Biever vorwarf, als Justizminister in den „Bommeleër“-Ermittlungen Druck ausgeübt zu haben.

Doch erst der Wechsel zur Deutschen Bank ruinierte Friedens Ansehen in der eigenen Partei. Gerade die CSV-Basis sah darin einen Verrat. Die Unternehmen BIL und Saint-Paul haben sich wirtschaftlich erholt, seitdem Frieden an der Spitze steht. Sein Verdienst ist das aber nicht unbedingt. Im September 2017 entließ Frieden den Chefredakteur des „Luxemburger Wort“, Jean-Lou Siweck. Doch es fehlte eine Strategie, um die Zeitung über die politische Restauration hinaus neu aufzustellen. Im Wahlkampf vergangenen Herbst spielte das „Wort“ kaum eine Rolle.

Die nötigen Opfer

Luc Frieden ist sich des Problems, das manche in seiner Vermischung von politischer und privatwirtschaftlicher Aktivität sehen, nicht bewusst. Wie es aus CSV-Kreisen heißt, musste er in dieser Frage auch im Fall einer Kandidatur bei den Europawahlen erst überzeugt werden. Er habe nicht einsehen wollen, dass er als Kandidat seine Posten in den Verwaltungsräten von BIL und Saint-Paul hätte aufgeben müssen, so ein Mitglied der Parteiführung, das mit den damaligen Diskussionen vertraut ist.

Doch an der Spitze der Unternehmerlobby wird diese Vermischung möglicherweise nicht geduldet. „Ein Präsident der Handelskammer kann kein aktiver Politiker sein“, stellte der bisherige Präsident dieser Institution Michel Wurth gegenüber „Radio 100,7“ klar. Frieden müsse beweisen, dass er keine „privilegierten“ Beziehungen mit der CSV mehr habe. Auch sein „Einfluss in der Presse“ sei ein Thema. Allerdings war Wurth selbst parallel zu seinem Amt als Präsident der Handelskammer im Verwaltungsrat der „Editions Lëtzebuerger Land“, dem Herausgeber des „Land“.

Gegebenenfalls müsste Frieden auch seine Tätigkeit als Anwalt aufgeben und damit auch als Partner der Kanzlei Elvinger Hoss Prussen. Das „Tageblatt“ zitierte die Präsidentin der Anwaltskammer in Diekirch, die den Posten als Präsident einer öffentlichen Einrichtung wie der Handelskammer als möglicherweise unvereinbar mit der Neutralitätspflicht des Anwaltes sieht. Das würde eine hohe finanzielle Einbuße bedeuten. Der CSV-Abgeordnete Léon Gloden gibt an, für seinen Job als Partner bei Elvinger über 100.000 Euro jährlich zu erhalten. Es ist anzunehmen, dass Frieden eine ähnliche Summe verdient.

Ein Präsident der Handelskammer, der alles bis auf den BIL-Posten aufgeben muss: Es wäre nur ein weiteres Beispiel, wie Luc Friedens Karriere nicht immer so verläuft, wie er sich das vorstellt.


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