Mitte September lief bei Bettemburg ungeklärtes Schmutzwasser in die Alzette. Die Schuldfrage ist komplexer als es manche Vorverurteilungen von Politikern annehmen lassen. Fest steht aber schon heute: Bis sich der Fluss von der Verschmutzung erholt, wird es Jahre dauern.

Die Zwischenfälle häufen sich. Erst kam es zu einer Systempanne an der Beggener Kläranlage. Rund 20.000 Kubikmeter ungeklärtes Abwasser liefen in die Alzette. Mehrere Tausend Fische starben. Der Unfall war gerade ein paar Tage alt, da kam bereits die nächste Meldung. Wieder ging es um die Alzette. Dieses Mal ereignete sich der Zwischenfall in Bettemburg. Betroffen war vor allem der Abschnitt zwischen Peppange und Livange im Roeserbann.

Mitarbeiter der Gemeinde Roeser fielen Unstimmigkeiten auf: „Das Wasser war ungewöhnlich trüb. Entlang des Ufers lagen etliche tote Fische. Ich hätte nicht gedacht, dass überhaupt so viele und so große Fische in der Alzette schwimmen“, erinnert sich ein Augenzeuge.

Ab dem Zeitpunkt konnte die Ursache schnell ermittelt werden: Im Rahmen von Bauarbeiten für ein Rückhaltebecken musste der Flusszulauf unterbrochen werden. Doch bei der Einbringung der Rückstausicherung sei ein Fehler unterlaufen, erklärt Gusty Graas. Der DP-Politiker ist als Bettemburger Schöffe für die Wasserwirtschaft der Gemeinde zuständig und vertritt die Gemeinde im Wassersyndikat SES.

Der liberale Politiker macht die Baufirma verantwortlich. Sie habe die Rückstausicherung nicht richtig installiert. Als der Stau gelöst wurde, sei zu viel Wasser auf einmal zurückgeflossen. So kam es denn, dass schätzungsweise rund 600 Kubikmeter unbehandeltes Schmutzwasser in die Alzette liefen.

Risiko war der Gemeinde bekannt

Gusty Graas stört sich weniger daran, dass ein Fehler passierte, als an der Tatsache, dass die zuständige Firma diesen nicht meldete. Nur aus diesem Grund habe es fast einen Tag gedauert, bis das Problem behoben werden konnte. Hätte das Unternehmen die Gemeinde sofort benachrichtigt, hätte man den Schaden eingrenzen können. „Die Baufirma hat sich uns nicht mitgeteilt. Das ist inakzeptabel“, sagt Gusty Graas im Gespräch mit REPORTER.

Der Bettemburger Schöffe spricht von „grober Fahrlässigkeit“. So sei bereits im Vorfeld bekannt gewesen, dass die Rückstausperre ein heikles Unterfangen sei. „Da gab es Gemeindesitzungen dazu“, klagt Graas. Laut REPORTER-Informationen war das Risiko, dass Abwasser in die Alzette laufen könnte, den Gemeindeverantwortlichen durchaus bekannt.

Bei trockenem Wetter hätte das nicht geschehen dürfen, so der Direktor der Bettemburger Kläranlage STEP. Da sei das Überlaufrisiko deutlich geringer, als bei Regen. Das Bauunternehmen sei seiner Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen, schlussfolgert Gusty Graas.

Graas beschuldigt Baufirma „AlphaBau“

Es handelt sich bei der zuständigen Firma um den Betrieb „AlphaBau“, mit Sitz in Flaxweiler. Die Firma konzentriert sich laut ihrer Homepage auf Abwasserwirtschaft und Infrastrukturarbeiten. Den Auftrag für die Arbeiten am Bettemburger Auffangbecken erhielt sie durch eine öffentliche Ausschreibung. Laut Jos Ruckert, der sich für die Gemeinde um deren Projekte kümmert, war „AlphaBau unter jenen Firmen, die alle Auflagen der Ausschreibung erfüllten, die Kostengünstigste. Es handelt sich um die erste Zusammenarbeit zwischen „AlphaBau“ und der Gemeinde, „zumindest in den letzten 25 Jahren“, so Ruckert.

Gusty Graas fordert, dass gegen das Bauunternehmen vorgegangen wird. Doch diese Entscheidung liegt beim Wasserwirtschaftsamt. Bei der verschmutzten Alzette handelt es sich um ein öffentliches Gut (bien public). Der Schaden fällt demnach in den Zuständigkeitsbereich des Umweltministeriums und nicht der Gemeinde.

„Wir können lediglich gegen den ‚maître d’ouvrage‘ vorgehen. Das ist in diesem Fall die Gemeinde Bettemburg“, sagt der Direktor des Wasserwirtschaftsamts Jean-Paul Lickes auf Nachfrage. Würde dieser Fall eintreten, würde die Gemeinde juristische Schritte gegen den Bauunternehmer einleiten, betont seinerseits Gusty Graas.

Die Verantwortung des Planungsbüros

Doch Jean-Paul Lickes deutet an, dass nicht nur „AlphaBau“ eine Mitschuld am Zwischenfall tragen könnte: Der Direktor des Wasserwirtschaftsamtes spricht von einer „schlechten Überwachung“ der Baustelle. Für die Überwachung war allerdings nicht „AlphaBau“, sondern das Ingenieurbüro „Schroeder & associés“ zuständig.

Letzteres wurde von der Gemeinde mit der technischen Planung des Auffangbeckens betraut. Als Bauherr untersuchte „Schroeder & associés“ die Dossiers jener Firmen, die sich auf die öffentliche Ausschreibung der Gemeinde meldeten. „Schroeder & associés“ gab also indirekt den Zuschlag für „AlphaBau“.

Doch laut Gusty Graas soll genau dieses Büro nun der Ursache des Zwischenfalls auf den Grund gehen. In seinem Bericht, der diese Woche im Bettemburger Gemeinderat diskutiert werden soll, wirft das Ingenieurbüro der Baufirma „AlphaBau“ grobe Fehler vor.

Über die Schuldfrage kann momentan nicht geurteilt werden. Wir müssen erst herausfinden, was genau passiert ist.“Laurent Zeimet, Bürgermeister von Bettemburg

Doch kann dieser Bericht objektiv sein, wenn „Schroeder & associés“ den Bauunternehmer ausgesucht und die Baustelle überwacht hat? Gusty Graas erkennt hier keinen Interessenskonflikt. „Der Prozedur nach ist es normal, dass das Büro als zuständiges Ingenieurbüro einen Bericht verfasst.“ Und um die Interpretation des Berichtes kümmere sich dann die Gemeinde.

Würde die Gemeinde zum Schluss kommen, dass das Planungsbüro seiner Sorgfaltspflicht ebenfalls nicht nachgekommen sei, sei nicht ausgeschlossen, dass man Konsequenzen ziehe, sagt Gusty Graas. Doch nicht jeder sieht das so entspannt. Laut Informationen von REPORTER wurde der potenzielle Interessenkonflikt auf der hohen politischen Ebene der Gemeinde angesprochen.

Unterschiedliche politische Signale

Bei „AlphaBau“ lässt Gusty Graas deutlich weniger Geduld walten als beim Planungsbüro. Der Schöffe und Abgeordnete hat den Bauunternehmer, wenn auch ohne den Namen zu nennen, öffentlich angeprangert. Zudem zweifelt Graas auch offen an der Schilderung der Ereignisse durch die Firma. Das Prinzip der Unschuldsvermutung scheint in diesem Fall nicht zu gelten: „Sie versuchen, sich krampfhaft zu verteidigen“, fasst er den Bericht zusammen, den das Unternehmen erstellt hat. Die Firma verweise darin auf  „unglückliche Umstände“.

Mit uns hat die Gemeinde bisher noch nicht einmal gesprochen.“Andreas Weiland, Geschäftsführer von „AlphaBau“

Der Bettemburger Bürgermeister Laurent Zeimet (CSV) äußert sich dagegen deutlich vorsichtiger: „Über die Schuldfrage kann momentan nicht geurteilt werden. Wir müssen erst herausfinden, was genau passiert ist.“ Zeimet verweist auf die laufenden Untersuchungen. Klar sei zum jetzigen Zeitpunkt nur, dass etwas nicht so gelaufen sei, wie es sollte. „Wieso, kann man jetzt noch nicht sagen.“

„Es ist sehr einfach, mit dem Finger auf eine Firma zu zeigen“, betont seinerseits Roby Biwer (LSAP), der als Vertreter der Oppositionspartei im Gemeinderat sitzt. Auch er verweist auf die laufenden Untersuchungen. Biwer betont aber, nach einem solchen Vorfall sei auch die politische Führung der Gemeinde in der Verantwortung.

„AlphaBau“ weist Vorwürfe zurück

Der Geschäftsführer von „AlphaBau“ weist die Vorwürfe von Gusty Graas im Gespräch mit REPORTER zurück. Man sei aktuell dabei, den Vorfall zusammen mit allen beteiligten Parteien zu analysieren, sagt Andreas Weiland. „Mit uns hat die Gemeinde bisher noch nicht einmal gesprochen.“ Ein erster Termin soll diese Woche stattfinden. Es handele sich demnach ein „schwebendes Verfahren“, der Zwischenfall müsse erst aufgeklärt werden.

Zudem weist auch Weiland darauf hin, dass das Unternehmen lediglich für die Ausführung des Projektes zuständig war. Die Planung habe schließlich „Schroeder & associés“ übernommen. Das Planungsbüro wollte sich nicht zum Vorfall äußern.

Die langen Folgen der Verschmutzung

Unabhängig von der Schuldfrage, haben die Vorfälle in Beggen und Bettemburg der Alzette stark zugesetzt. Die Wasserqualität des Flusses ist ohnehin schlecht, der Fischbestand nicht optimal. Der Fluss brauche nun wieder Zeit, um sich zu erholen, sagt der Direktor des Wasserwirtschaftsamtes Jean-Paul Lickes. „Es dauert zwei bis drei Jahre, bis die Vielfalt wieder hergestellt ist.“

Mitarbeiter der Gemeinde Roeser wurden auf die toten Fische aufmerksam. (Foto: Laurent May)

Es sei jedoch schwierig, den Schaden genau zu beziffern. Klar ist, dass tausende Fische und andere Lebewesen umgekommen sind. Besonders die Großfischbestände bräuchten lange, um sich zu regenerieren. „Die Population fehlt jetzt“ bedauert Lickes. Sogar wenn man neue Tiere aussetzen würde, wäre der Schaden damit nicht behoben:  „Das sind dann Jungtiere, die noch wachsen müssen. Und auch die brauchen Insekten, um sich zu ernähren. Die Insektenpopulationen sind durch die Unfälle aber auch zurückgegangen.“