Die Regierung verweigert dem Parlament und den Bürgern Einsicht in eine Übereinkunft mit China zur „neuen Seidenstraße“. REPORTER liegt das Dokument dennoch vor. Das „Memorandum of Understanding“ enthält wenig Spektakuläres. Geheim ist es aber vielleicht aus einem anderen Grund.

Im vergangenen März unterzeichnete Premierminister Xavier Bettel (DP) zusammen mit seinen chinesischen Kollegen ein gemeinsames „Memorandum of Understanding“ (MoU) zur „Belt-and-Road“-Initiative (BRI). Dabei geht es um das Bemühen Chinas, mit Infrastrukturmaßnahmen und wirtschaftlicher Zusammenarbeit eine neue „Seidenstraße“ entstehen zu lassen.

Über den Inhalt des MoU schweigt sich die Regierung seit Monaten aus. Das Dokument betreffe die Logistik, den Online-Handel und Finanzdienstleistungen, lautete die knappe Antwort des Premierministers an den CSV-Abgeordneten Laurent Mosar. Das Abkommen sei zwar per se nicht geheim, aber die chinesische Regierung sei „legitimerweise“ bei der Unterzeichnung davon ausgegangen, dass die Absprachen nicht veröffentlicht würden, antwortete Bettel auf eine weitere parlamentarische Anfrage der CSV.

Fragwürdige Geheimhaltung

Nur ist das bestenfalls die halbe Wahrheit. Denn andere europäische Staaten, die sich ebenfalls der chinesischen Initiative anschlossen, veröffentlichten die entsprechenden Dokumente. REPORTER konnte das MoU zwischen China und Luxemburg exklusiv einsehen. Warum die luxemburgische Regierung auf der Geheimhaltung besteht, ergibt sich bei der Analyse des Dokuments auf den ersten Blick nicht.

Vergleicht man die Übereinkünfte der Schweiz, Italien und Lettlands mit China zeigt sich kein wesentlicher Grund, warum Xavier Bettel das Dokument den Abgeordneten vorenthält. Luxemburg und China versprechen sich gegenseitig, künftig wirtschaftlich enger zusammenzuarbeiten – ohne dass konkrete Projekte genannt werden. Es enthält also keine Pläne, deren Bekanntwerden ungeahnte Folgen haben könnte.

Alibaba statt Cargolux

Der inhaltliche Vergleich mit den MoU der anderen europäischen Partner Chinas offenbart jedoch interessante Unterschiede. Die chinesische Regierung verspricht Luxemburg „vertiefte Zusammenarbeit in Industrie und E-Commerce“ sowie eine „verbesserte Konnektivität in Finanzinfrastrukturen sowie Fintech“. Diese Begriffe kommen in anderen MoUs nicht vor.

Dazu passt, dass der chinesische Bezahldienst Alipay sich im Januar 2019 offiziell in Luxemburg niederließ – was die Finanzplatz-Lobby entsprechend feierte. Denn Alipay ist eine Tochter des chinesischen Onlinehandel-Giganten Alibaba – eines der größten Unternehmen weltweit. Alipay unterstreiche die Bedeutung Luxemburgs als Hub für E-Commerce und Fintech, betonte Finanzminister Pierre Gramegna (DP) im Januar 2019.

Andere Bereiche, die für die Luxemburger Wirtschaftspolitik bedeutsam sind, werden kurz erwähnt: Transport, zivile Luftfahrt, Satellitenkommunikation und Weltraumerkundung. Auffällig ist aber, dass die Logistik in den Übereinkünften mit Lettland und Italien einen deutlich höheren Stellenwert hat als im Luxemburger Dokument. Und das obwohl die chinesische Provinz Henan ein wichtiger Aktionär von Cargolux ist und sich die Regierung sehr um eine Frachtzugverbindung zwischen Chengdu und Bettemburg bemüht.

Masterplan ohne Plan

Das ansonsten äußerst vage MoU zwischen China und Luxemburg ist allerdings kein Einzelfall. Das Projekt der „neuen Seidenstraße“ ist größtenteils noch im Stadium einer Idee. Oft wurde die chinesische Initiative mangels besserer Begriffe als Masterplan bezeichnet. Doch das trifft nicht ganz zu, sagte die Sinologin Marina Rudyak der „Zeit“: „Die Seidenstraße ist kein Masterplan. Die Seidenstraße braucht einen Masterplan.“ Die Enttäuschungen und verfehlten Ziele mehren sich.

Die blau-rot-grüne Regierung spielt die Bedeutung des MoU herunter. Es sei lediglich eine Absichtserklärung und kein internationaler Vertrag. Deshalb habe das Parlament kein Mitspracherecht und müsse das Dokument auch nicht ratifizieren. Denn: Die Übereinkunft enthalte keine rechtlich bindende Verpflichtungen, argumentierte der Premierminister bisher.

Tatsächlich steht im Text: „Dieses Memorandum of Understanding ist rechtlich nicht bindend.“ Allerdings ist das MoU zwischen Italien und China deutlich klarer formuliert: Es sei kein Abkommen nach internationalem Recht und kein Element des Textes enthalte rechtliche oder finanzielle Verpflichtungen.

Als eins der wenigen EU-Mitglieder, die sich der „Belt-and-Road“-Initiative anschlossen, ging Luxemburg ein diplomatisches Risiko ein. Dabei kam eine Übereinkunft heraus, die dem Land wenig Konkretes bringt. Vielleicht ist es ja das, was die Regierung geheim halten will.


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