Seit Jahren sucht die Politik nach neuen Bauschuttdeponien. Dabei verlieren sich die beteiligten Ministerien im juristischen Klein-Klein. Die schwierige Suche nach neuen Standorten führt in der Praxis zu improvisierten Zwischenlösungen, die immer mehr zur Regel werden.

Während der Ortskern von Mersch am vergangenen Donnerstag geflutet war, sorgte der Starkregen einige Kilometer Luftlinie entfernt ebenfalls für Probleme. In Roost, direkt an der Autobahn A7, befindet sich eine der größten Bauschuttdeponien des Landes. An normalen Tagen stehen LKWs bereits am frühen Morgen vor der Deponie Schlange, doch vergangene Woche ging nichts mehr.

„Durch die Wassermassen musste die Deponie geschlossen werden, was die Bauunternehmen im ganzen Land in eine prekäre Lage versetzte“, erklärt der Generalsekretär des „Groupement des Entrepreneurs“, Pol Faber, im Gespräch mit Reporter.lu. Denn die Deponie im Zentrum wird, spätestens seit die Deponie in Monnerich wegen eines Erdrutsches geschlossen wurde, auch mit Schutt aus Bauprojekten im Süden angesteuert. So ist es mittlerweile üblich, dass LKWs mehr als 60 Kilometer zurücklegen müssen, um eine einzige Ladung Erdaushub abzuladen. „Besonders der Süden braucht dringend eine neue Deponie. Mittlerweile weichen Unternehmen bereits nach Frankreich aus“, so Pol Faber.

Eine juristische Odyssee

Wie lange die Lage bereits prekär ist, verdeutlichen Schätzungen des Umweltministeriums aus dem Jahr 2016. Bereits damals ging das Ministerium davon aus, dass die Kapazitäten der elf zu dem Zeitpunkt bestehenden Deponien in 10 bis 15 Jahren ausgeschöpft sein würden. Im schlimmsten Fall also bereits 2026.

Die Suche nach neuen Standorten beschäftigt die Politik seit Jahren. Bereits 2006 legten der damalige Umweltminister Lucien Lux (LSAP) sowie Landesplanungsminister Jean-Marie Halsdorf (CSV) eine gemeinsame Verordnung zu den Bauschuttdeponien vor. Darin festgelegt ist unter anderem die Suchprozedur für neue Deponiestandorte über einen „Plan directeur sectoriel décharges pour déchets inertes“ (PSDDI).

Die sektoriellen Leitpläne fallen unter die Kompetenz des Landesplanungsministeriums. Das Problem an diesem Vorgehen: Die ausschlaggebenden Kriterien bei der Suche nach neuen Bauschuttdeponien sind Sache des Umweltministeriums. So darf eine neue Deponie etwa nicht in einem Schutzbiotop oder in einem Wasserschutzgebiet liegen.

Mit dieser Kompetenzvermischung schuf die Politik ein Problem, das sich bis in die Gegenwart zieht. Denn mit der Verordnung von 2006 stellt sich endgültig die Frage nach der politischen Zuständigkeit. Also danach, ob die Suche nach geeigneten Standorten für neue Bauschuttdeponien Aufgabe des Umweltministeriums oder des Landesplanungsministeriums ist. Und wer schließlich die Entscheidung trifft.

Die Frage nach der Zuständigkeit

Die finale Antwort der Politik ließ ganze 14 Jahre auf sich warten. Denn erst im März 2020 stieß Landesplanungsminister Claude Turmes (Déi Gréng) die Prozedur zur Aufhebung der Verordnung aus dem Jahr 2006 an. Mit der Aufhebung gibt der Minister die Zuständigkeit an das Umweltministerium ab. Zuvor war die Suche nach neuen Deponiestandorten von Rechtsunsicherheit geprägt. Denn obwohl die alte Verordnung weiterhin rechtskräftig war, schuf das Umweltministerium bereits 2018 Tatsachen und brachte eine neue Regelung zur Standortsuche auf den Instanzenweg, basierend auf dem neuen Abfallgesetz aus dem Jahr 2012.

Im zeitgleich veröffentlichten Plan national de gestion de déchets et de ressources (PNGDR) bekräftigte das Ministerium die eigene Zuständigkeit: „Les propositions de sites sont soumises à une procédure d’approbation par le Ministre ayant l’Environnement dans ses attributions. Cette procédure est précisée par règlement grand-ducal.“

Vor allem der Staatsrat kritisierte den andauernden Widerspruch in der Kompetenzfrage. Denn während das Umweltministerium davon ausging, dass die neue Verordnung die alte Prozedur aus dem Jahr 2006 implizit aufheben würde, warnte der Staatsrat 2019 explizit vor der unklaren Rechtslage: „La coexistence de deux procédures différentes, à champs d’application, objets et finalités identiques, serait en effet constitutive d’un conflit de normes.“

Die Sache mit dem Land

Drei Jahre später erklärt das Landesplanungsministerium auf Nachfrage von Reporter.lu den Stand der Dinge wie folgt: „Die Aufhebung des Plan directeur pour déchets inertes wird in den kommenden Wochen rechtskräftig. Dann steht der Ausweisung neuer Deponiestandorte nichts mehr im Weg.“ Auch beim Umweltministerium gibt man sich zuversichtlich. Auf Nachfrage erklärt eine Sprecherin: „Die Arbeiten am neuen Entwurf laufen. Er kann aber erst in Kraft treten, wenn die alte Prozedur definitiv aufgehoben ist.“

Auf die Frage, was man sich von dem neuen Verfahren zur Standortsuche erhoffe, antwortet das Ministerium von Carole Dieschbourg (Déi Gréng): „Die Idee ist, die Prozedur zu vereinfachen und die Gemeinden über Umweltimpaktstudien in die Genehmigung neuer Standorte einzubinden.“

Der „Crassier“ in Differdingen sorgte rezent wieder für politische Diskussionen. Doch nicht nur im Süden des Landes mangelt es an reglementierten Bauschuttdeponien. (Foto: Christian Peckels)

Auf eine vereinfachte Prozedur hofft auch Pol Faber. Denn neben langwierigen Verfahren erschwert die Suche nach neuen Deponiestandorten noch ein weiterer Faktor: das knappe Land. „Es wird immer schwieriger, an Land zu kommen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Seit drei Jahren verhandele ich mit einem Waldbesitzer im Süden des Landes über ein Stück Wald“, so der Generalsekretär des Groupement des Entrepreneurs.

Auch bei Landwirten werde es immer schwieriger, Land für eine Deponie zu kaufen, denn diese würden damit einen Teil ihrer Lebensgrundlage verkaufen, so Pol Faber weiter. An diesem Problem werde auch eine vereinfachte Prozedur nur wenig ändern. Denn oft seien es die Gemeinden, die sich in letzter Instanz gegen eine neue Deponie sträubten, sagt Pol Faber. Als Beispiel führt er die Diskussionen um den „Crassier“ in Differdingen an, dessen vollständige Inbetriebnahme viele Probleme mit Bauschutt im Süden des Landes lösen würde.

Aufschüttungen als Zwischenlösung

Während neue Bauschuttdeponien noch auf sich warten lassen, hat sich in der Praxis längst eine neue Nische gefunden. Denn durch eine sogenannte „Remblai“ lassen sich Erdmassen unterbringen, ohne auf eine Deponie zurückgreifen zu müssen. Denn für solche Aufschüttungen innerhalb einer Baustelle bedarf es keiner Sondergenehmigung durch die Gemeinde, sondern nur durch die Umweltverwaltung. Diese legt dann eine Obergrenze in Kubikmetern Erdaufschüttung für den Bereich fest und schreibt nach den Arbeiten in der Regel eine Renaturierung vor.

Solch eine Zwischenlösung bewilligte das Umweltministerium etwa Anfang des Jahres auf dem Gelände des „Crassier“ in Differdingen, wie Reporter.lu berichtete. Auf die Frage, ob durch diese Aufschüttung nicht Fakten geschaffen würden, bevor die neue Deponie genehmigt werde, wiegelte die Betreibergesellschaft Cloos S.A. damals ab: „Die Aufschüttung hat nichts mit der Deponie zu tun. Wir füllen bloß ein Loch auf dem Gelände auf.“ Gleichwohl gab ein Mitarbeiter der Firma zu verstehen, dass die Aufschüttung als Fundament für die neue Deponie dienen könne.

Die angrenzenden Gemeinden Sanem und Differdingen wurden bei der Genehmigung zur Aufschüttung vor vollendete Tatsachen gestellt. Den Bürgermeisterinnen der beiden Gemeinden blieb nur überlassen, den Gemeinderat über die Arbeiten zu informieren. Ein Mitspracherecht hatten sie nicht.

Deponie als Sanierungskonzept

Ein ähnliches Beispiel findet sich auch im Norden des Landes, in Knaphoscheid. Dort vergrößert ein Landwirt seit 2014 seine Stallungen. Teil der Arbeiten ist ebenfalls eine sogenannte „Remblai“. In der Genehmigung von der Umweltverwaltung, die Reporter.lu vorliegt, ist die Aufschüttung von 25.000 Kubikmetern Erdaushub genehmigt. Das entspricht dem Volumen von zehn Schwimmbecken von 50 auf 25 Metern und einer Tiefe von 2 Metern. Auch hier hatte die Gemeinde keinen Einfluss auf die Genehmigungsprozedur, wie ein Mitarbeiter auf Nachfrage bestätigt.

Das Sanierungskonzept der nach einem Erdrutsch geschlossenen Deponie in Monnerich sieht als Kernelement ebenfalls Aufschüttungen vor. Denn neben einer Drainage unter den Altlasten sollen die bestehenden Ablagerungen mit Lehmboden abgedeckt werden. Wie das ab Herbst dieses Jahres ablaufen soll, erklärte der Bürgermeister von Monnerich, Jeannot Fürpass (CSV), im April im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“: „1,3 Millionen Kubikmeter werden ab kommendem Herbst auf die Deponie gekippt. Das wird anderthalb bis zwei Jahre dauern.“ Der Bürgermeister geht von 200 Lastwagen aus, die die Deponie dafür täglich ansteuern werden.

Die mittlerweile wieder funktionierende Deponie in Roost dürfte das entlasten. Wann das Genehmigungsverfahren für die Deponie auf dem Gelände des „Crassier“ in Differdingen abgeschlossen ist, bleibt hingegen abzuwarten. Ende Juli hat die Firma Cloos S.A. den Gemeinden Differdingen und Sanem sowie dem Umweltministerium die dafür notwendige Umweltverträglichkeitsstudie vorgelegt.


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