2013 war die DP angetreten, um das Land fit für die Zukunft zu machen. Fünf Jahre später vermeldet sie bereits Erfolg. Im Wahlkampf wollen die Liberalen sich vor allem selbst feiern und vertrauen ganz auf den „Feel-Good-Faktor“ ihres Spitzenpersonals. Eine Analyse.
„DP-geführt“: Nicht weniger als 48 Mal kommt der Begriff im Wahlprogramm der Liberalen vor. Die DP-geführte Regierung habe die Staatsfinanzen saniert, die staatlichen Investitionen erhöht, die Gesellschaft modernisiert, das Wohnungsangebot gesteigert, den Rifkin-Prozess initiiert, den Stau in der Landesplanung aufgelöst, das Mobilitätskonzept Modu 2.0 ausgearbeitet, und, und, und.
Die Zeit der Koalition „auf Augenhöhe“ scheint im Wahlkampf endgültig vorbei zu sein. Alle Erfolge, auch jene von Ministerien, die von anderen Parteien geführt wurden, verbucht die DP jetzt bei sich.
Vor allem zeigt sich bei der Lektüre des Wahlprogramms aber, dass die DP viel lieber zurück als nach vorne blickt. Das Programm liest sich nicht wie ein Programm, sondern wie ein Rückblick, der alle Maßnahmen der Regierung auflistet. Nachdem er sich durch die 115 Seiten des Programms gearbeitet hat, weiß der Leser jedenfalls, wie arbeitsam und genial die aktuelle „DP-geführte“ Regierungskoalition war. Über den Plan der Liberalen für die kommenden fünf Jahre, geschweige denn darüber hinaus, erfährt man dagegen weitaus weniger.
Liberale feiern sich und ihre Politik
Vor fünf Jahren war das noch grundlegend anders. Im Programm von 2013 beschrieb die Partei noch ein regelrechtes Schreckensszenario für das Land. Die Rede war von „großen Herausforderungen“, „enormen Defiziten“, „explodierender Arbeitslosigkeit“, „Stillstand“ und vielem mehr. Die DP wollte sich den Herausforderungen stellen und sie meistern.
Fünf Jahre später vermeldet sie bereits Erfolg auf ganzer Linie. Heute heißt es im Vorwort des Programms: „Luxemburg hat sich in den letzten Jahren spürbar zum Positiven entwickelt. Nach einer langen Zeit des gesellschaftlichen Stillstands und der finanziellen Unsicherheit ist das Land heute viel besser auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereitet.“
Die DP will sich freuen, selbst feiern und legt den Bürgern des Landes nahe, es ihr gleich zu tun.“
Anders formuliert: Et voilà. Stillstand, Schulden, Arbeitslosigkeit? Haben wir alles dauerhaft beseitigt. Kommt so schnell auch nicht wieder, versprochen. Sonst noch Fragen?
Die DP hat natürlich Recht, wenn sie die verbesserten makroökonomischen Daten und die erfolgreichen Reformen der zu Ende gehenden Legislaturperiode hervorstreicht. Gleichzeitig lässt sie jedoch die nüchtern-kritische Analyse vermissen, die sie in der Oppositionszeit von 2004 bis 2013 ausgezeichnet hatte. Denn trotz der besseren Lage des Landes in manchen Bereichen, bestehen andere politische und soziale Probleme freilich fort.
Auffällig offen für alle Machtoptionen
Über die andauernden Problembereiche wie den Wohnungsbau, die Mobilität oder den Umweltschutz hat das Wahlprogramm der Liberalen allerdings nicht viel Neues im Angebot. Stattdessen will man die Bürger mit weiteren Wohltaten beglücken. Auch hier wird man zwar nicht allzu konkret, doch die Wähler dürfen sich zumindest abstrakt schon einmal über eine neue Steuerreform, „die Mittelschichten und Familien zusätzlich entlasten wird“, eine Verallgemeinerung der individualisierten Besteuerung und eine weitere Modernisierung der Steuerverwaltung freuen. Konkrete Zahlen und damit auch Modelle zur Gegenfinanzierung fehlen.
In vielen anderen Bereichen liest sich das DP-Programm schon fast wie vergangene CSV-Wahlprogramme. Denn oft genug heißt es, dass man in „Kontinuität“ zu dem Erreichten der vergangenen Jahre weitere positive Akzente setzen wolle. So in der Bildungs- und Wohnungsbaupolitik oder auch bei den Steuern, wo man der klassischen DP-Klientel eine weitere Entlastung von kleinen und mittleren Unternehmen in Aussicht stellt.
Apropos CSV: In keinem Kapitel des Programms bekommt man indes das Gefühl, dass die DP eine besondere Koalitionspräferenz hätte. Besonders die Akzente in der Finanz- und Wirtschaftspolitik könnten ohne Weiteres als Basis für ein konservativ-liberales Regierungsprogramm herhalten. Und auch vom Wortschatz inspiriert man sich bei der langjährigen Regierungspartei. Die DP will zwar nicht den „sicheren Weg“, dafür aber „unser Land weiter in eine sichere Zukunft führen“.
Ein radikal-pragmatisches Manifest
Ähnliches gilt für das Kapitel „Identität und Kultur“. Dass ihr Wahlslogan „Zukunft op Lëtzebuergesch“ eigentlich nicht „Zukunft op Lëtzebuergesch“ bedeuten soll, haben loyaler DP-Anhänger ja bereits klargestellt. Und dennoch ist die Förderung des Luxemburgischen ein wichtiges Anliegen der DP. Daneben gehören eine bessere Vereinbarung von „Arbeit und Leben“ durch den weiteren Ausbau des Elternurlaubs, die Förderung von „Kindern und Zukunftschancen“, mehr finanzielle Mittel für Mobilität und Infrastruktur und eine verantwortungsbewusste Haushalts- und Wirtschaftspolitik zu den fünf „Kernthemen“ im Programm.
Jeder, der die Bilanz der Regierung kritisiert, ist in den Augen der DP ein Bedenkenträger, der die Lage des Landes schlecht redet.“
Bei all diesen Themen fällt zudem auf, dass die DP im Gegensatz zu 2013 ideologische Festlegungen und inhaltliche Kontroversen vermeidet. „Nicht ‚entweder … oder‘, sondern ’sowohl als auch‘. Diese lösungsorientierte Haltung ist seit jeher Teil der Identität unseres Landes“, lautet das radikal-pragmatische Manifest der Liberalen im aktuellen Programm. Gekoppelt wird der liberale Pragmatismus, der sich im Text streckenweise zur „sozialliberalen“ Beliebigkeit entwickelt, durch eine positive Grundeinstellung, die in der Parteienlandschaft ihresgleichen sucht.
Das Programm, mit dem sich die Liberalen über weite Strecken selbst für ihre Regierungspolitik feiern, passt natürlich zu den öffentlichen Auftritten des liberalen Spitzenpersonals. Nichts soll die positive Botschaft des „Weiter so“ trüben. Jeder, der die Bilanz der Regierung kritisiert, ist ein Bedenkenträger, der die Lage des Landes schlecht redet. Die DP will sich freuen, selbst feiern und legt den Bürgern des Landes nahe, es ihr gleich zu tun. „Komm mir freeën eis mol eng Kéier driwwer“, sagte Premier Xavier Bettel bei seiner vorletzten „Rede zur Lage der Nation“ im Parlament.
Der unterschätzte „Feel-Good-Faktor“
Lange wurde Bettel für seine „Ech si frou“-Rhetorik belächelt. Doch dahinter steckt natürlich mehr als nur angeborene gute Laune und oberflächlicher Optimismus. Experten nennen es den „Feel-Good-Faktor“. Diese Form der Wahlkampfkommunikation, die sich weniger an die Wähler oder die Medien richtet als an die eigene Parteibasis, werde oft unterschätzt, schreibt etwa der Politologe Andreas Dörner im Standardwerk „Wahlkämpfe“.
Xavier Bettels positive Ausstrahlung wirkt noch immer – zumindest, wenn er unter Parteifreunden ist.“
Auch die „eigenen Parteimitglieder und Eliten“ wollen im Wahlkampf „integriert, motiviert und mobilisiert“ werden, heißt es weiter. „Dabei kommt es weniger auf überzeugende Inhalte an als auf eine gute, optimistische Grundstimmung.“ Optimismus und die glaubwürdige Überzeugung von der eigenen Tatkraft sind bis heute ein wirksames Mittel, um die Erfolgschancen einer Partei zu erhöhen. Je mehr wir in einer „Spaß- und Erlebnisgesellschaft“ leben, desto größer sei auch „die Rolle des Feel-Good-Faktors“ einzuschätzen, schreibt Dörner.
Wenn es in Luxemburg jemanden gibt, der diesen Faktor zum Erfolgs- und Markenkern gemacht hat, dann ist es der aktuelle Premier. Xavier Bettels positive Ausstrahlung wirkt noch immer – zumindest, wenn er unter Parteifreunden ist. Über die Grenzen des DP-Kosmos hinaus wird sein Verständnis einer Wohlfühlpolitik jedoch seit jeher als latent unseriös wahrgenommen. Seine Fans teilen und liken zwar fleißig seine Selfies mit den Macrons dieser Welt. Respekt oder zusätzliches politisches Kapital verschafft er sich damit allerdings nicht.
Der Ministerbonus soll es richten
Und dennoch passt die Strategie zur aktuellen Aufstellung der Partei. Laut Parteikreisen setzt die DP ganz bewusst nicht auf eine ausgeklügelte inhaltliche Kampagne, sondern auf ihre elektoralen Zugpferde. Neben Xavier Bettel, der schon 2013 aus der Opposition heraus mit über 32.000 persönlichen Stimmen Ex-Minister wie Luc Frieden oder Claude Wiseler hinter sich ließ, liegen die liberalen Hoffnungen ganz auf der neuen Ministerriege. Vor allem von Familienministerin Corinne Cahen, Bildungsminister Claude Meisch und dem erstmals bei Wahlen antretenden Finanzminister Pierre Gramegna erhofft man sich jeweils einen wesentlichen Ministerbonus.
Im Gegensatz zum Premier verkörpern Cahen, Gramegna, Meisch und Co. nicht nur den Feel-Good-Faktor, sondern viel stärker auch die inhaltliche Bilanz der Dreierkoalition. Das verschafft ihnen politisches Profil, macht sie aber auch angreifbarer. Doch auch sie reihen sich in diesem Wahlkampf bisher rhetorisch ein in die neue sozialliberale, wohltäterische Konsenssoße, mit der die DP die Bürger im Wahlkampf übergießen will.
„Unser Land steht vor großen Herausforderungen“, hieß es vor fünf Jahren. „Unserem Land geht es heute spürbar besser“, lautet das liberale Mantra heute. Deshalb machen wir weiter so wie immer und blenden alles weitere aus, lässt sich zwischen den Zeilen herauslesen. Das „Erfolgsmodell Luxemburg“ und ein Wirtschaftswachstum auf Vorkrisenniveau machen es möglich. Bleibt nur noch die Frage, ob sich auch die Wähler vom DP-geführten „Feel-Good-Faktor“ anstecken lassen.