Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Immer freitags blickt die REPORTER-Redaktion auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Die breite politische Front zur Förderung der luxemburgischen Sprache und die Fronten der EU-Flüchtlingspolitik.

Wenig scheint Luxemburg momentan so sehr zu bewegen wie das Luxemburgische. Einstimmig sprach sich das Parlament am Donnerstag für das Gesetz über die Förderung der luxemburgischen Sprache aus. Einstimmigkeit, also wohlgemerkt eine breite nationale Front von David Wagner bis Fernand Kartheiser, ist selbst in Luxemburgs Konsensdemokratie eine Seltenheit.

Das Land erhält so bald einen „Kommissar“, ein „Zentrum“, einen Literaturpreis, ja sogar einen nationalen Tag „fir d’Lëtzebuerger Sprooch“. Die DP ist allerdings schon einen Schritt weiter. Sie will gleich die ganze „Zukunft op Lëtzebuergesch“ gestalten. So lautet zumindest ihr vielsagend nichtssagender Wahlslogan.

Wahlkampffloskeln „op Lëtzebuergesch“

Manche Liberale sind dabei regelrecht schockiert, dass einige ihrer Landsleute ihr latentes Meisterwerk der politischen Rhetorik falsch verstehen können. Richtig verstanden heiße „Zukunft op Lëtzebuergesch“ nämlich, „un eisen Erfollegsmodell gleewen“, also „multikulturell, méisproocheg an oppen fir eis Noperen a gläichzäiteg eis Traditiounen héich halen“, wie es gleich mehrere DP-Mitglieder auf Twitter „klarstellten“.


Wie jetzt? Sie denken bei „Zukunft op Lëtzebuergesch“ auch nicht spontan und zwangsläufig an „multikulturell, méisproocheg an oppen fir eis Noperen a gläichzäiteg eis Traditiounen héich halen“? Sie sollten sich schämen! Auch Sie haben den DP-Slogan dann nämlich falsch verstanden. Ja, es liegt allein an Ihnen. Und nicht an einer liberalen Partei, die ihren Wahlkampfspruch als plump-patriotisch anklingende Floskel formulierte und bei der kleinsten Kritik daran hysterisch wird.

Eine Frage, die jedoch nicht beantwortet wurde: Wenn die DP sich als „multikulturell, méisproocheg an oppen“ profilieren will, warum nannte sie ihren Slogan nicht gleich „multikulturell, méisproocheg an oppen“? Wäre jedenfalls naheliegend und eine Überlegung wert gewesen. All jene, die mehr Wert auf das „Lëtzebuergesche“ als auf andere politische Belange legen, hätten den Slogan dann ja auch einfach falsch verstehen können.

Bettel pocht auf „gemeinsame Lösungen“

Während sich Luxemburgs Parteien in einer Frage auffallend einig sind, bleibt der Streit um eine andere fundamentale Frage auf EU-Ebene bestehen. Die Flüchtlingspolitik scheidet weiter die europäischen Geister. Dass die deutsche Regierung ihr innenpolitisches Tauziehen um die Asylpolitik europäisiert, stößt bei den Partnern mittlerweile auf Gegenwind.

Auch Luxemburgs sonst auf europäischem Parkett so zurückhaltender und Brücken bauender Premier mischte sich ein. „Es geht hier nicht um das Überleben einer Kanzlerin“ und „Es kann auch nicht sein, dass irgendeine bayerische Partei entscheidet, wie Europa funktioniert“: Gleich zwei Mal haute Xavier Bettel in bester Juncker-Manier, spontan klingende, aber dennoch allzu zurecht gelegt wirkende Sätze raus, die ihr Zielpublikum – die deutschen Europa-Korrespondenten und Nachrichtenagenturen – nicht verfehlten.

Zur Sicherheit trat Bettel dann aber am Donnerstagabend noch im „Heute Journal“ auf. Dort pochte er auf „gemeinsame Lösungen“ und hob etwas unglücklich die „positive“ Entwicklung hervor, wonach immer weniger Flüchtlinge nach Europa kommen. Dass dies unter anderem an der Haltung jener Staaten liegt, die auf die „gemeinsamen Lösungen“ in der EU pfeifen, und die schwindende Anzahl von Flüchtlingen nicht unbedingt im Zusammenhang mit einer besseren Lage in deren Herkunftsländern steht, kam dem luxemburgischen Premier jedenfalls nicht in den Sinn.

Asselborn setzt seine eigenen Prioritäten

Jean Asselborn, der eigentliche Beauftragte unserer Regierung für kantige Statements in deutschen Medien, stimmte dagegen ausnahmsweise leisere Töne an. Er plädierte nicht nur wie eh und je für mehr Solidarität in der Flüchtlingspolitik. Auch bei der Frage des Beitritts von (Nord-)Mazedonien und Albanien setzte sich der Außenminister bei einem EU-Treffen in Luxemburg im Hintergrund für eine Kompromisslösung ein, die letztlich auch zurückbehalten und von manchen Brüssel-Korrespondenten als das Werk von Asselborn gefeiert wurde.

Von diesem Erfolg musste sich der „Held von Kirchberg“ am Dienstagabend aber offenbar erst einmal erholen. Während seine EU-Kollegen weiter tagten, verabschiedete sich Asselborn für rund zwei Stunden gen Limpertsberger „Utopia“. Hier fand nämlich die Vorpremiere des Films „Grand H“ statt, in dem Luxemburgs Außenminister in der „Flüchtlingskrise“ als Mensch gebliebener Realpolitiker in Szene gesetzt wird. Als hätte es dafür noch eines Beweises bedurft, unterstrich Asselborn mit seinem zeitweisen Schwänzen der EU-Ministerrunde letztlich auf ein Neues seinen Sinn für allzu menschliche Prioritäten.

Dass Asselborn nicht der einzige Mensch gebliebene Minister dieser Welt ist, zeigte sich indes im Fall der „Lifeline“-Lösung. Frankreich, Portugal, die Niederlande, Norwegen, Italien, Belgien, Irland, Malta und Luxemburg erklärten sich bereit, die über 230 Asylsuchenden auf dem in Valetta angelegten Rettungsschiff bei sich aufzunehmen. Auch die deutschen Bundesländer Berlin, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Niedersachsen signalisierten humanitäres Entgegenkommen.

Die ADR will auch endlich mitspielen

Der bundesdeutsche Innenminister Horst Seehofer erklärte hingegen, dass sich aufgrund der humanitären Bereitschaft anderer Staaten „eine Handlungsnotwendigkeit für die Bundesrepublik Deutschland derzeit nicht“ ergebe. Zudem müsse man am Beispiel „Lifeline“ einen „Präzedenzfall“ verhindern. Mal sehen, wann sich für die mit verfassungsmäßiger Richtlinienkompetenz ausgestattete Bundeskanzlerin eine „Handlungsnotwendigkeit“ ergibt.

Nicht zum ersten Mal zeigt sich indes, dass Seehofer nicht das Ende der rechten Fahnenstange in Deutschland ist. Die AfD geht es im flüchtlingspolitischen Diskurs dann doch etwas unsubtiler an.

Wer bisher immer dachte, dass dieser Diskurs in Luxemburg so nicht möglich wäre, den belehrt die ADR schließlich in diesen Tagen eines Besseren. Von der Faust-Aufs-Auge-Propaganda der AfD ist man zwar noch weit entfernt. Doch manche träumen wohl von einer etwas forscheren „Alternative für Luxemburg“.

Bisher hieß es jedenfalls offiziell von der ADR, dass man die Flüchtlingspolitik der Regierung mittrage und Luxemburg seine humanitäre Verantwortung übernehmen müsse. Passend zur Europameisterschaft der Menschlichkeit, haben die Alternativdemokraten jedoch das Thema Asylpolitik für sich entdeckt. Beim Luxemburgischen stimmt man zwar mit, doch bei der universalen Menschlichkeit hält der Spaß der Einstimmigkeit auf.


Europas „Gipfel der Inhumanität“

Auf dem viel erwarteten EU-Gipfel in Brüssel gab es dann nach Verhandlungen bis morgens um fünf Uhr in der Tat die viel erwartete „Einigung“ in der Asylpolitik, wenn auch anders als es sich die Anhänger von europäischer Humanität und Solidarität wohl wünschten. Die EU-Staaten wollen das Asylrecht verschärfen und auf eigenem Territorium geschlossene Aufnahmelager für gerettete Bootsflüchtlinge bauen, wenn sich denn Staaten dazu freiwillig bereit erklären. Ebenso freiwillig und noch weniger wahrscheinlich sollen auch außerhalb der EU die von manchen Staaten längst geforderten Auffanglager entstehen.

Asylkritiker wie Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz sind zufrieden. Kritiker der Asylkritiker wie die deutsche Organisation „Pro Asyl“ sprechen allerdings von einem „Gipfel der Inhumanität“. Doch ob human oder inhuman, wirksam oder nicht: Xavier Bettel hat sich mit seiner Grundforderung durchgesetzt, denn die Lösungen wurden zumindest „gemeinsam“ gefunden.