Wie viele Atomkraftwerke gibt es eigentlich in Europa? Welche Länder wollen aus dem Atomstrom aussteigen? Und wie verhält sich Luxemburg in Atomfragen? Ein Überblick.
14 von den 28 EU-Mitgliedern betreiben Atomkraftwerke. Insgesamt befinden sich 127 Reaktoren in Europa. Die meisten, 58 an der Zahl, stehen in Frankreich. Dort werden an 19 verschiedenen Standorten Kernkraftwerke betrieben.
Insgesamt generieren die europäischen Atomkraftwerke rund 30 Prozent der in der EU produzierten Energie. In Frankreich machte die Nuklearenergie 2017 rund 71 Prozent der Stromproduktion aus. In Belgien waren es fast 50 Prozent und in Deutschland 11 Prozent. Jedes EU-Mitglied kann selbst über seinen Energiemix bestimmen. Allerdings hat die EU vor einigen Monaten strengere Energieziele beschlossen. Dabei geht es unter anderem um den Anteil erneuerbarer Energien, der bis 2035 bei 32 Prozent liegen soll.
Der Nutzung der Atomenergie in Europa wird durch die 1957 entstandene Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) geregelt. Der entsprechende Vertrag sieht etwa die Förderung der Forschung, die Verbreitung technischer Informationen sowie die Festlegung von Sicherheitsnormen fest.
Wer aussteigen will
Nach den Atomkatastrophen in Tschernobyl (1986) und Fukushima (2011) hat mittlerweile fast die Hälfte der EU-Staaten den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Der Ausstieg verläuft allerdings nicht immer gradlinig. Belgien zum Beispiel hat den Atomausstieg zwar entschieden, zögert diesen aber immer wieder hinaus. So wurde etwa die Laufzeit verschiedener Atomkraftwerke um weitere zehn Jahre verlängert.
Frankreich will sich graduell aus der Atomenergie zurückziehen: Bis 2035 soll nur noch 50 Prozent der Energie von AKWs generiert werden. Zwölf Reaktoren sollen bis dahin stillgelegt werden. Bereits 2020 sollen die beiden Reaktoren des elsässischen Kernkraftwerks „Fessenheim“ vom Netz gehen. Das grenznahe AKW Cattenom fällt hingegen nicht unter den neuen Beschluss Macrons: Dieser betrifft nämlich die AKWs der 900 Megawatt-Klasse, Cattenom aber hat eine Leistung von 1.300 Megawatt. In Deutschland soll das letzte Kernkraftwerk 2022 stillgelegt werden.
Neue Kernkraftwerke
In anderen EU-Staaten zeichnet sich dagegen ein anderer Trend ab. Insbesondere die Visegrad-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn), aber auch Rumänien, Bulgarien oder noch Finnland investieren zunehmend in die Nuklearenergie und den Bau neuer AKWs.
Besonders umstritten sind der Ausbau des Atomkraftwerkes „Paks“ in Ungarn sowie der Ausbau des britischen Kraftwerk „Hinkley Point“. Dies, weil sie mit Hilfe öffentlicher Subventionen finanziert werden. Österreich hatte erfolglos vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Co-Finanzierung der beiden Atomkraftwerke geklagt. Weltweit werden die meisten Kraftwerke von China und Russland gebaut, so auch „Hinkley Point“, „Paks“ und „Hanhikivi“ in Finnland.
Und Luxemburg?
Laut der EU-Kommission entsprechen europäische Reaktoren den höchsten Sicherheitsstandards. Dennoch kommt es besonders bei den älteren Modellen immer wieder zu Aus- und Zwischenfällen – so auch bei den Reaktoren in Grenznähe zu Luxemburg.
In unmittelbarer Nähe zum Großherzogtum befinden sich die Atomkraftwerke Cattenom in Frankreich sowie Tihange und Doel in Belgien. Sie alle gelten aufgrund ihres Alters als besonders problematisch und stellen laut Experten und Umweltorganisationen ein Sicherheitsrisiko dar.
Luxemburg setzt sich seit Jahren gegen die Nutzung von Nuklearenergie und das Betreiben von Atomkraftwerken ein. Dieses Bestreben wurde im Koalitionsvertrag nochmals zementiert. Dort werden die angrenzenden AKWs als „Gefahr für das Überleben Luxemburgs“ beschrieben.
Blau-Rot-Grün fordert eine fundamentale Reform des Euratom-Vertrages und will sich dafür einsetzen, dass Atomkraftwerke nicht mehr öffentlich subventioniert werden können. Darüber hinaus will die Regierung erreichen, dass die Regeln für die Laufzeitverlängerungen von AKWs verschärft werden. Ein Gesetz über die Haftung für Atomunfälle wird zur Zeit überarbeitet.
In ihrer jüngsten Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der CSV-Abgeordneten Martine Hansen und Marco Schank zur geplanten Schließung des AKWs Fessenheim, betonen Carole Dieschbourg und Claude Turmes zudem, sich für eine Schließung Cattenoms einzusetzen. Dies obschon Cattenom eigentlich nicht unter die AKWs fällt, die Frankreich stilllegen möchte.