Was war los in der EU? Und was hat das alles mit Luxemburg zu tun? Charlotte Wirth blickt aus Brüssel auf die politischen und medialen Top-Themen der vergangenen Wochen zurück. Dieses Mal: Rettungsboote auf Hafensuche, Sojaimporte und ein neuer „Sherpa“ für den Premierminister.
Das blau-rot-grüne Personalkarussell dreht sich – und das hat auch Auswirkungen auf Luxemburgs Europapolitik. So lässt sich Premierminister Xavier Bettel (DP) ab April in diplomatischen Fragen nicht mehr von Pierre Ferring, sondern vom stellvertretenden Ständigen Vertreter Luxemburgs bei der EU, Mike Hentges, beraten.
Wenn man den Einschätzungen des „Luxemburger Wort“ glaubt, könnte der Premier damit bald mit einem neuen Verhandlungsstil aufwarten. Die Neubesetzung des „Sherpas“ sei für Luxemburgs Regierungschef eine Chance, um in der Europapolitik als weniger „oberflächlich“ zu gelten, schreibt Brüssel-Korrespondent Diego Velazquez. Für Bettels neuen Berater jedenfalls ist die Brüsseler Diplomatie kein Neuland. Nun bleibt abzuwarten, wie viel Einfluss er auf seinen neuen Vorgesetzten ausüben kann.
Luxemburg nimmt sechs Flüchtlinge auf
Auf ein Neues harrten in den letzten Wochen Rettungsboote vor der europäischen Küste aus. Kein Hafen war bereit, die 49 Flüchtlinge an Bord der „Sea Watch“ und der „Professor Albrecht Penck“ an Land zu lassen – jedenfalls nicht bevor die Verteilung der Migranten geklärt war. Nach fast drei Wochen durften die Rettungsschiffe am Mittwoch in Malta andocken. Acht Mitgliedsstaaten haben sich nach nächtlichen Diskussionen und auf Bitten der EU-Kommission dazu bereit erklärt, die Migranten sowie 249 weitere Menschen aufzunehmen, die in maltesischen Lagern untergebracht sind.
Luxemburg hat zugestimmt sechs Menschen aufzunehmen. Jean Asselborn wollte dies aber nicht bestätigen, ohne auf ein Neues die mangelnde Solidarität innerhalb der EU zu kritisieren. Wie die Umverteilung der Migranten nach Luxemburg abläuft, zeigt das Beispiel der „Aquarius“ und der „Lifeline“, die ebenfalls nach wochenlanger Irrfahrt in Malta andocken durften. Damals nahm Luxemburg 20 Schutzbedürftige auf.
Die letzten Wochen seien „keine Sternstunde für Europa“ gewesen, beschrieb der EU-Kommissar für Migration Dimitris Avramopoulos die Pattsituation. Er forderte die EU-Mitglieder dazu auf, endlich eine nachhaltige Lösung für die Umverteilung von Migranten zu finden, um solche ad-hoc Aktionen zu vermeiden. Die Kommission will demnächst eine temporäre Regelung vorschlagen. Diese soll die Situation regeln bis sich die Mitgliedsstaaten über eine Reform des Asylsystems einig werden. Wie diese Lösung aussehen wird, ist allerdings unklar. Und auch die Diskussionen um eine Reform des Dubliner Übereinkommens stecken seit Monaten in einer Sackgasse.
We are determined to continue reducing irregular migratory flows towards Europe, but the European Union cannot continue to rely on unorganised, ad-hoc solutions when it comes to the disembarkation of incoming migrants.
— DimitrisAvramopoulos (@Avramopoulos) January 9, 2019
Das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) veröffentlichte indes neue Zahlen zur Mittelmeerroute: 2018 sind demnach 2.262 Migranten bei der Überfahrt ums Leben gekommen. Im Jahr zuvor waren es über 3.000. Auch die Zahl der Überfahrten ist leicht zurückgegangen. Loben kann sich die EU dafür aber nur bedingt: So dokumentierten die Forschergruppen „Forensic Architecture“ und „Forensic Oceanography“ erst kürzlich in einem bei der „New York Times“ veröffentlichten Video die systematischen Menschenrechtsverletzungen der von der EU subventionierten und ausgebildeten lybischen Küstenwache.
Mehr Soja aus den Staaten
Zumindest an der Sojafront hatte Brüssel diese Woche jedoch gute Nachrichten zu vermelden. Mit dem Versprechen, mehr Soja aus den USA zu beziehen, konnte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker im Sommer den Handelsstreit mit den USA vorerst beilegen. Damit wird zumindest temporär verhindert, dass US-Präsident Donald Trump Sonderzölle auf europäische Autoimporte einführt. Soja wird hauptsächlich als Viehfutter genutzt und vor allem in Südamerika, den USA und China angebaut.
Diese Woche bestätigte die EU-Kommission: Brüssel hält sein Versprechen. Die USA sind zu Europas Hauptlieferanten geworden. Im Vergleich zum letzten Jahr sind die Importe um 112 Prozent gestiegen. Und da die amerikanischen Sojabohnen in der EU bald auch als Biotreibstoff eingesetzt werden dürfen, könnten diese Zahlen weiter steigen. Was Brüssel nicht erwähnt: Die Leidtragenden dieser Entwicklung dürften unter anderem die brasilianischen Bauern sein. Denn bis dato war Brasilien Europas Hauptlieferant. Von den Umweltkosten der Sojaproduktion einmal ganz abgesehen.
Auch Luxemburgs Landwirte nutzen Soja als Proteinquelle in der Viehfütterung. Das hiesige Soja kommt jedoch nicht direkt aus den Vereinigten Staaten, wie das Statistikamt Statec auf Nachfrage bestätigt. Luxemburg bezieht die proteinreiche Bohne aus den Nachbarländern, allen voran Frankreich, Deutschland und den Niederlanden. Das schließt natürlich nicht aus, dass die Lieferanten ihre Ware zuvor aus den USA einführen.
Streit mit den USA gab es diese Woche übrigens trotzdem. Brüssel konnte in Erfahrung bringen, dass die USA die EU-Delegation in Washington diplomatisch herabgestuft hat. Auf einmal wurde die Botschaft der EU nicht mehr wie die eines Nationalstaates behandelt, sondern wie die einer internationalen Organisation. Man könnte es als Vorgeschmack darauf werten, dass Junckers Soja-Deal nicht ausreichen dürfte, um den US-Präsidenten dauerhaft zu besänftigen.