Der Staatsrat hat sein Gutachten zum neuen Abfallgesetz von Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) vorgelegt. Die Kritik an der geplanten Reform ist deutlich: Das Gesetz schaffe zahlreiche Rechtsunsicherheiten und verstoße in Teilen gegen die Verfassung, urteilen die Gesetzesprüfer.

Wenn es eine Formulierung gibt, die Autoren von Gesetzentwürfen fürchten, dann folgende: „le Conseil d’Etat s’oppose formellement“. Denn deutlicher kann der Staatsrat die Reformbemühungen eines amtierenden Ministers nicht kritisieren. In der Praxis sind diese „oppositions formelles“ eine Aufforderung zum Handeln: Es muss nachgebessert werden. Am 22. Juni legte die Hohe Körperschaft nun ihr Gutachten zum neuen Abfallgesetz vor. Die angesprochene Formulierung findet sich darin ganze 17 Mal.

Die zuständige Umweltministerin Carole Dieschbourg dürfte damit zunehmend unter Handlungsdruck geraten. Denn erst vor wenigen Wochen bemängelte die Europäische Kommission, dass Luxemburgs Regierung die betreffende EU-Abfall-Richtlinie noch immer nicht in nationales Recht umgesetzt habe. Grund dafür ist unter anderem die ambitionierte Strategie des Umweltministeriums – die sogenannte „Null Offall Strategie“.

Denn das neue Abfallgesetz ist Teil eines aus fünf Gesetzen und drei Verordnungen bestehenden Reformpakets zur Abfallvermeidung. Es beinhaltet neben dem neuen Abfallgesetz auch ein Gesetz zu Verpackungsabfällen und zu Plastikabfällen generell. Selbstgestecktes Ziel der Reform: Luxemburg soll Vorreiter in der Abfallwirtschaft werden. Und über die in der EU-Richtlinie formulierten Ziele hinausgehen.

Kritik am System „SuperDrecksKëscht“

Diese Eigenständigkeit gegenüber der europäischen Gesetzgebung ist ein erster Punkt, an dem sich der Staatsrat stört. Denn das Ministerium liefere in seinem Gesetzentwurf keine Begründung für diese Vorgehensweise. Im Zweifel könnte die Abweichung vom EU-Text dazu führen, dass das neue Abfallgesetz juristisch angefochten wird, so der Staatsrat.

Auch die ausdrückliche Erwähnung der „SuperDrecksKëscht“ im Entwurf des Umweltministeriums lehnt der Staatsrat strikt ab, denn: „Il faut absolument éviter de désigner nommément des personnes physiques ou morales de droit privé. En effet, la loi en projet risquerait de ne pas être applicable en cas d’intervention d’autres organismes dans la collecte des déchets problématiques.“ Ein Kritikpunkt, der durch das für Ende Juli erwartete Audit zur „Aktioun SuperDreckKëscht“ zusätzliche Brisanz erhält.

Der Staatsrat bemängelt die neue Regelung zu Einweggeschirr bei Volksfesten, weil der entsprechende Artikel zu vage formuliert sei. Unklar sei etwa, welches Verhalten konkret bestraft würde und welche legale Basis dem zugrunde liege. Demnach sei der entsprechende Artikel verfassungswidrig und verstoße gegen das Gesetzlichkeitsprinzip von Artikel 14 der Verfassung: „Nulle peine ne peut être établie ni appliquée qu’en vertu de la loi.“

Im gleichen Tenor kritisiert der Staatsrat das geplante Mikroplastikverbot im Gesetzentwurf. Der Entwurf sieht vor, dass Kosmetik- und Pflegeprodukte, die Mikroplastik enthalten, verboten werden sollen. Laut dem Staatsrat sei dabei gegenwärtig noch völlig unklar, wie Mikroplastik definiert wird, denn: „(…) la définition des « microplastiques » est, selon les auteurs, seulement en voie d’élaboration au niveau de l’Union européenne. La loi en projet sous avis reste muette quant à la définition qu’elle entend retenir.“

Juristische Unklarheit bei Einzelsammlung

Das Gutachten des Staatsrats dürfte auch Folgen für die Abfallsammlung selbst haben. Denn der Staatsrat spricht eine „opposition formelle“ gegen die Einzelsammlung aus. Diese ist in Artikel 10 des Gesetzentwurfs geregelt und beinhaltet sowohl die Sammlung durch Valorlux als auch die geplanten Sammelstellen in Supermärkten und Mehrfamilienhäusern. Also genau jene Themenfelder, die bereits im Vorfeld des Gutachtens für breite politische Diskussionen gesorgt haben.

Der Staatsrat moniert aber noch weitere juristische Unklarheiten, die sich durch den Gesetzentwurf in der Praxis ergeben würden. So könnte die Liste der gesammelten Abfallfraktionen beliebig durch eine großherzogliche Verordnung erweitert werden. Auch sei juristisch völlig unklar, was neben Papier, Plastik und Glas mit Formulierungen wie „Verpackungen“ oder „autres déchets tombant sous le régime de la responsabilité élargie des producteurs“ gemeint sei. Der Entwurf sei in diesen Punkten unverständlich, eine Anpassung des Entwurfs unvermeidlich.

Auch die geplanten Sammelstationen in Mehrfamilienhäusern sieht der Staatsrat kritisch. Denn: „Le Conseil d’État se demande comment ces infrastructures devront être agencées, quel sera l’impact financier sur les projets immobiliers en cours, et surtout quelles seront les incidences financières sur les immeubles en copropriété existants.“

Produzenten, Verantwortung und Strafen

Kritik übt der Staatsrat auch an der Erweiterung der Produzentenverantwortung. Besonders die Verpflichtung von Herstellern, aktiv zum Rückkonsum und zum Recycling sowie zur Veränderung des gesellschaftlichen Verhaltens beizutragen, werden im Gutachten kritisch erwähnt. Der Text sieht nämlich vor, dass jeder Produzent für sich selbst ein Mindestziel für Recycling und Zweitnutzung vorgibt. Auch hier schaffe der Text nicht die nötige Rechtssicherheit und bleibe zu vage. Zudem würden Verstöße gegen den Artikel mit Geld- und Freiheitsstrafen belegt, was wiederum gegen Artikel 14 der Verfassung verstoße.

Generell beanstandet der Staatsrat die vorgesehenen Strafen. Wiederholt stünden die angedachten Strafen nicht im Verhältnis zu den zu bestrafenden Handlungen. Das Gutachten des Staatsrats ist kein Einzelfall. Bereits in der Vergangenheit hatten sowohl das Gemeindesyndikat „Syvicol“ als auch die Handelskammer vehement Kritik am Reformentwurf der zuständigen Ministerin Carole Dieschbourg geübt.

Es ist indes auch nicht das erste Mal, dass die Kritik des Staatsrats an einem Gesetz aus dem Umweltministerium in der Summe geradezu vernichtend ausfällt. Auch im Fall des neuen Klimagesetzes fiel die Beanstandung durch den Staatsrat sehr deutlich aus.


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