Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Dieses Mal: Mehr Arbeitszeit für sich und omnipräsente Totgeschwiegene.
Endlich Wahlkampf! Es wurde aber auch höchste Zeit, immerhin müssen wir schon in acht Monaten entscheiden, wen wir als sympathischste*n und kompetenteste*n Nationalpolitiker*in ansehen. Im Gegenzug darf sie oder er dann für fünf Jahre den Premierministerposten bekleiden.
Zwar befinden sich die amtierenden Kandidaten und auch Comeback-Kid Luc Frieden bereits in den Startblöcken, aber das Wahlprogramm lässt allerorts noch auf sich warten. Bisher weiß man nur, dass die LSAP um ihre Chefphilosophin Paulette Lenert prüfen will, ob es vielleicht in aller Eventualität möglich wäre, wenn die Situation es erlaube und alle Gegebenheiten stimmen, etwas weniger zu arbeiten.
Dabei haben die Sozen alle Warnungen der Arbeitgeber missachtet. Ihr waghalsiges Vorpreschen hat sich bereits jetzt schlecht auf die Produktivität der Unternehmen ausgewirkt. Anstatt weiter im Sinne des Betriebs zu schuften, musste das Patronat die Arbeit niederlegen, um gegen die drohende Arbeitszeitverkürzung zu wettern. Wie soll das nur erst werden, wenn man tatsächlich weniger arbeitet?! Die überzeugendsten Argumente gegen eine Arbeitszeitverkürzung lieferte dabei die Demokratieexpertin und Bossin der Bosse, Michèle Detaille, höchstpersönlich.
„Ce que veulent les gens, ce n’est pas moins de travail, c’est plus de temps à eux“, sagte die Vorsitzende der Industrielobby bei „Radio 100,7“. Mehr Zeit für sich, aber auf der Arbeit, lautet also das neue Motto der Arbeitgeber. Für Rauch- und Kaffeepausen muss man sich in Zukunft nicht mehr ausbadgen. Alternativ kann die neue soziale Fedil sich auch vorstellen, 25-Stunden-Tage einzuführen. Die Arbeitszeit würde dann gleichbleiben, aber man hätte mehr Zeit für sich. #thinkoutofthebox
Tri-Tripartite
In wenigen Wochen muss Michèle Detaille aber nicht mehr über das unsägliche Thema der Verbesserung der Arbeitsbedingungen reden. Zum dritten Mal binnen eines Jahres darf die Politik dann gemeinsam mit den Sozialpartnern diskutieren, wie man mal wieder den Index überkompensiert. Alle paar Monate grüßt das Murmeltier vor dem Senninger Schloss. Für Xavier Bettel gilt es nun wieder in den Krisenmanagermodus zu schalten und Punkte aufzuholen. Paulette Nationale hat da noch immer einen Vorsprung durch den Corona-Bonus und Luc Frieden, der sich zum Luxemburger Markus-Braun-Rollkragenpullover-Träger mauserte, hat auch noch Krisenmanager-Punkte auf seinem Konto – glaubt zumindest die CSV. Xav muss also schnell nachziehen.
Diese Tripartite-Runde wird allerdings vom Demokratieverständnis der Fedil geprägt sein. Da der Indexmechanismus erneut gegen Jahresende ausgelöst wird, muss sich diese Regierung bereits für die nächste Regierung verpflichten. Für Xav ist das kein sonderlich großes Problem, er sieht sich ohnehin schon als Wahlsieger. Bei der letzten Pyjamaparty der DP-Führung in Bonneweg wurden bereits die Ministermandate neu verteilt. In der nächsten soll dann ein neuer Kopf hinzustoßen. Ein gewisser Marc Hansen, Bruder eines gewissen Patrick, soll dann endlich „Minister“ werden.
Die Verhandlungen mit den Sozialpartnern werden aber wohl schwieriger als die Ministerpostenverteilung. Zudem hat die Regierung ein Standortproblem. Neben dem Schloss in Senningen gibt es nicht mal eine Frittenbude! Wie soll man unter solchen schwierigen Umständen nur die Gemüter zusammenbringen? Die Lösung wurde übrigens bereits das letzte Mal festgelegt: der Staat übernimmt einfach die Kosten. So geht Sozialdialog in Luxemburg. Hauptsache man sammelt wieder Krisenmanagerpunkte.
Totgeschwiegene leben länger
Einer, der auf jeden Fall nicht bei dieser Tripartite (und wohl auch nicht bei zukünftigen) dabei sein wird, ist Frank Engel. Die Omertà der Luxemburger Presse über den Hobbypolitiker hat aber „RTL“ nun endlich gebrochen. Der Totgeschwiegene konnte sich, nach einer leicht zu übersehenden Doppelseite im „Luxemburger Wort“, jetzt im Sonntagsinterview auf „RTL.lu“ erklären. Nicht die Medien, sondern die anderen Parteien würden ihn und seine Splittergruppe „totschweigen“, so der Fokus-Spitzenkandidat. Das Urteil der Leser nach dieser Aufführung war eindeutig: „Ech lauschteren dem Här Engel net no, deenen aneren och net, awer den Här Engel kritt vun mir e Kräiz.“ So schafft man es auch als Totgeschwiegener noch zu überzeugen.
Doch Frank Engels Problem ist eigentlich nicht zu wenig Aufmerksamkeit, sondern eher zu viel. Der aufstrebende Stand-up-Comedian und Wasserstofflobbyist lud am Mittwoch zu einer weiteren Showeinlage ein. Dieses Mal parodierte er Yuriko „Harakiri“ Backes. Mit sich überschlagender Stimme versuchte Engel vor seinem Publikum die Ministerin nachzuahmen (Kein Scherz: Hören Sie hier den Beitrag ab Minute 1:45). Doch die etwas überzogene Darbietung gepaart mit mangelnden Mathematikkenntnissen wussten das Publikum nicht zu überzeugen. Danach wusste man auch bei „RTL“ wieder, warum das mit dem Totschweigen wohl doch keine so schlechte Idee war.
In einem Punkt hat Frank Engel allerdings Recht. Luxemburg braucht Reformen. Die Luxemburger Demokratie ist in einem so schlechten Zustand, dass das Land mittlerweile zu einem Negativbeispiel in der „NZZ“ wurde: „Die Schweiz droht zu einer Art Luxemburg zu werden, wo die heimische Bevölkerung den Wohlstand verwaltet und jene, die ihn erwirtschaften, aus dem Ausland stammen.“ Autsch.
Wenn nicht mal mehr die Schweiz sich mit Luxemburg vergleichen will, drängt sich die Frage auf, für wen wir noch ein positives Beispiel sein können? Wenn erstmal Luc Frieden Premierminister wird, schaut man vielleicht im Katar neidisch auf Luxemburg. Immerhin sind diese Chancen gering. Pierre Lorang, CSV-Mitglied und -Vordenker, sagte etwa bei „RTL“, dass er nicht wisse, ob er im Oktober für den Spitzenkandidaten seiner Partei abstimmen wird. Perfekte Voraussetzungen also für den umgekehrten König Midas im Rennen um den (Vize-)Premierposten.
Mehr Retrospect
