Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Claude « Cliffhanger » Meisch und andere Gründe, warum Demokratie des Teufels ist.

Claude Meisch weiß einfach, wie man es macht. Zum Beispiel, wie man auf Pressekonferenzen politische Entscheidungen so richtig anteasert: „Dat wat ech den Mëtten annoncéieren, ass sécherlech fir deen een oder aneren iwwerraschend, well een dat sou net erwaart huet…“, begann der Bildungsminister am Donnerstag seine Ansprache. Was für ein Cliffhanger! Wir hätten es nicht besser machen können.

Allerdings wollte „RTL“ das Spiel nicht mitspielen. Kurz vor der Pressekonferenz kam die Pushnachricht. Spoiler Alert! Ab nächster Woche gilt wieder Homeschooling. Der Minister ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken und hielt die Spannung weiter hoch. Ganze fünf Minuten lang sprach er über die Lage in der Schule, ohne die Katze aus dem Sack zu lassen. « Das sind Zahlen, die wir so noch nicht gesehen haben », so Meisch. Es war fast wie in einem spannenden Tatort: Der Ausgang ist bereits bekannt, aber man will unbedingt wissen, wer der Schuldige ist. Oder aber man hat erst gar nicht eingeschaltet.

Idiotische Demokratie

Durchaus auf die Folter spannend waren auch die Aussagen von Michèle Detaille bei « RTL ». Das Interview mit der Patronatschefin vom Freitag begann ganz gemächlich. Diversifizierung, Wettbewerbsfähigkeit, Ökosysteme, Restrukturierungen… Gähn…

Doch irgendwann kippte die Stimmung. Und zwar beim Stichwort « Transparenz ». Ob man denn nicht die Bevölkerung in die wirtschaftliche Planung einbinden und so politische Entscheidungen nachvollziehbarer machen könne, fragte der gutmütige Interviewer. Das könne man tun, aber dann komme man eben überhaupt nicht mehr voran, antwortete die Chef-Lobbyistin. Sie sei schon beim Dossier Fage « très fâchée » gewesen. Aber irgendwann sei es dann doch mal gut mit den Bürgerforen, Diskussionsrunden und dem ganzen « Bla bla ».

« Transparenz ist unvereinbar mit den guten Regeln des Business », raunte die Fedil-Präsidentin dann noch. Dass die Regierung ihren Geheimvertrag mit « RTL » jetzt doch tatsächlich den Abgeordneten zeigen müsse, sei – Gerichtsurteile hin oder her – geradezu « idiotisch und kontraproduktiv », so Detaille.

Die Unternehmerin erklärte aber auch, was sie unter « guter Politik » versteht. Spoiler alert: Sie, also das Volk, kommen darin leider nicht vor. Denn allein die Minister und die Beamten seien verantwortlich und überaus kompetent, sagt die Expertin. Die Parlamentarier dagegen komplett ahnungslos, und das sei auch gut so. Einen Vertrag, mit dem ein privater Fernsehsender mit Dutzenden Millionen Euro an Steuergeldern subventioniert wird – so eine hochkomplexe Materie könne man den gewählten Volksvertretern – geschweige denn dem stupiden Volk – nun wirklich nicht zumuten.

Mehr Nordkorea wagen

Dem aber nicht genug. Denn Michèle Detaille redete sich geradezu in antidemokratische Rage. Transparenz um jeden Preis sei « das Gegenteil von Freiheit », sagte sie. « Wissen Sie, wo man absolut transparent ist? In totalitären Regimen », so die Patronatsvertreterin. « Ah bon? », fragte der Moderator. Die Antwort: « Oui. » Eh ben…

Doch die Hobby-Staatsphilosophin hat natürlich den Kern des Problems erkannt. Das wirklich Verwerfliche an totalitären Regimen ist bekanntlich, dass deren Anführer immer so massiv auf das Volk hören, Bürgerforen veranstalten und total transparent mit Wirtschaftsverträgen umgehen. So etwas gilt es tunlichst zu vermeiden, denn das wäre einer Demokratie wahrlich unwürdig. Wir finden: Wo die Debil… pardon, Fedil-Präsidentin recht hat, hat sie recht.

Auch die Entscheidung vom obersten Verwaltungsgerichtshof als « idiotisch » zu bezeichnen, hat natürlich nichts mit diktatorischen Allüren einer stolzen Schmalspurkapitalistin zu tun. Denn aufrichtiger Respekt vor der Justiz, der Gewaltenteilung und der Demokratie – das kennt man nun wirklich nur aus den schlimmsten totalitären Regimen. In diesem Sinne kann Luxemburg noch viel von Nordkorea, Nazideutschland und Co. lernen. #LetsMakeItHappen

« Wierklech net extra »

Damit aber schnell zurück zu Claude Meisch. Er spricht jetzt schon seit sechs Minuten und legt noch eine Schippe drauf: „Dat wat mer haut decidéiert hunn, wäert dach deen een oder aneren ganz staark iwwerraschen.“ Nach acht sehr langen Minuten war die Spannung allerdings nicht mehr auszuhalten. Endlich kam die Erlösung: Die Schulen machen ab kommender Woche wieder dicht. Die wirkliche Überraschung kam aber wiederum erst später. Wir versprechen: Die Antwort wird Sie umhauen, also bleiben Sie dran!

Eine zusätzliche Überraschung hatte diese Woche auch die deutsche Presseagentur (dpa) parat. Eine « als norwegisch oder auch luxemburgisch bezeichnete Variante » des Coronavirus sei in Halle entdeckt worden, meldeten deutsche Medien am Donnerstag. Natürlich stellte Luxemburgs Christian Drosten, von Freunden auch Jean-Claude Schmit genannt, sofort klar, dass das absoluter Unsinn ist. Selbst das Staatslaboratorium sah sich genötigt, per Pressemitteilung klarzustellen, dass es eigentlich nichts klarzustellen gebe.

Tatsächlich kann es sich kaum um ein luxemburgisches Virus handeln. Denn wie Jean-Claude Schmit feststellte, sei es « eng Variant vum Virus, dei wierklech net extra ass. » Und « nicht extra » trifft ja wohl kaum auf das beste, schönste Großherzogtum der Welt zu.

Und sowieso: Als würde eine luxemburgische Variante schlicht « B1.1.6 » heißen. Pfff. Wie einfallslos. Aus dem Nationbrandingministerium wurde bereits mitgeteilt, dass man sich für den Fall einer Mutation à la luxembourgeoise längst gewappnet habe. Der Name lautet: « GovSars ». Und natürlich sei das rot-weiß-blaue Virus viel wettbewerbsfähiger als die britische Variante, und steuerbefreit allemal.

Mimosenhafte Escher

Beim richtigen Marketing hört der Spaß auf. Das wissen sie selbst in Esch. Dass der Ruf der ehemaligen Arbeiterstadt vor die Hunde geht, wussten wir wiederum spätestens seit dort die CSV regiert. Doch, dass « das Proletariat » jetzt auch noch zum Schimpfwort wird, geht auch uns zu weit.

Denn als der neue Reiseführer des « Marco Polo » Esch als « ruppiges Proletennest » bezeichnete, waren am Arbed-Bosporus plötzlich alle eingeschnappt. « Ach Esch, du schaurig-schöne », chill mal deine Nippel! Pardon, aber niemand mag neureiche Schnösel, die ihre Herkunft verleugnen, nur so tun als wären sie raue Minetter und sich beim erstbesten Reiseführer-Artikel ins sprichwörtliche Höschen machen. Also steht zu eurem Proletennest, ihr Asis. Pardon, wir meinen natürlich: #JeSuisEsch

So, jetzt aber die große Auflösung. Selbst Claude Meisch weiß: Auch der abgeklärteste, erfolgreichste Minister darf mal Gefühle zeigen. Er hatte nicht „den Courage“ seinen Kindern zu sagen, was er heute entscheiden und verkünden könne, sagte der Liberale am Donnerstag vor der Presse. Immerhin ist es nur eine Woche und danach können wir endlich alle wieder nach Ischgl in die Skiferien oder nach Dubai an den Strand.

Doch hinter dem unerwartet präventiven Politikansatz der Regierung steckt natürlich ein Masterplan, eine absolut überlegte und sinnvolle Strategie. Was danach passieren wird, sagen wir Ihnen aber erst danach. Und RTL pusht es kurz vorher auf Ihr Smartphone. Also bleiben Sie gespannt!


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