Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Immer samstags blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Gut gemeinte Styling-Tipps und sonstige Gründe, die Welt nicht mehr zu verstehen.

Kaum zu glauben, dass wir uns im Jahr 2019 befinden. Smartphones haben Handys ersetzt, Autos können praktisch von alleine fahren, Fleisch kann künstlich hergestellt werden. Eines wird sich wohl aber nie ändern: Dass Frauen – egal, was sie auch tun mögen – auf ihr Äußeres reduziert werden.

Vor einigen Tagen war es mal wieder soweit. Dieses Mal hat es nicht Neu-Ministerin Taina Bofferding wegen ihrer „persönlichen Ausstrahlung“ getroffen, sondern Kultur- und Wohnungsbauministerin Sam Tanson wegen … naja, weniger subtil, wegen ihres schieren Aussehens.

In einem anonymen Brief schreibt eine empörte Bürgerin an die Grünen-Politikerin, sie solle sich doch bitte endlich mal ihre „grässlichen“ grauen Haare färben und zu einer Typberatung gehen. Sonst würde Tanson nicht nur „sich selbst“, sondern auch ihre Familie und „unser Land in der ganzen Welt“ blamieren. Eine solide ästhetische Kritik bestückt mit Superlativen: Die Frau hat es jedenfalls wirklich „nur gut gemeint“, wie sie versichert.

Screenshot: Facebook/Sam Tanson

Sam Tanson ließ es sich aber nicht nehmen, prompt auf Facebook zu kontern. Fest steht: Frisur und Outfits bleiben. Und wer etwas zu ihren politischen Inhalten zu sagen hat, darf das gerne machen: „Kuckt mech einfach net, lauschtert just no wat ech soen a suivéiert wat ech maen, ech ginn naemlech leiwer dorop bewärt. Soss wier ech an de Moudbusiness gang.“

Ob männliche Politiker auch schon mal so wertvolle Stylingtipps erhalten haben? Vielleicht zu ausgefallenen Krawatten, wohl geformten Bäuchen oder falsch geschnürten Schuhen? Wohl nicht. Warum auch? Es sind ja schließlich Männer. Und bei ihnen kommt es ja dann doch eher darauf an, was sie sagen, statt auf das, was sie tragen. „Näischt fir Ongudd“, liebe Männer.

Ein Fall für Marc Hansen

Wir sagen es ja immer wieder: Demokratie ist anstrengend. Und dann diese Gewaltentrennung: Da wagt es doch tatsächlich ein Abgeordneter Seiner Exzellenz, dem Minister für den öffentlichen Dienst, Fragen zu stellen und gar auch noch Antworten einzufordern.

Minister Marc Hansen (DP) unterstellte mehr oder weniger subtil, dass Sven Clement (Piraten) dumme Fragen stelle. Dass der Staat Lehrbeauftragte einstelle und dann Monate lang nicht bezahle, klingt vielleicht unvorteilhaft, sei aber eine äußerst komplexe Angelegenheit, so Hansen. Und zählte zig Varianten auf, wie „chargé de cours“ eingestellt und bezahlt werden. Aber der Minister schlug ganz väterlich vor, Clement mal eine Lektion zu erteilen, wie denn der Staat so funktioniert.

Wir haben eine bessere Idee: Das ist ein klarer Fall für Minister Hansen – also den beigeordneten Minister für die Verwaltungsreform. Denn zu dessen Aufgaben gehört es anscheinend, Verwaltungsvorgänge zu vereinfachen. Da Hansen so brillant Komplexität versteht, findet er bestimmt eine so einfache Lösung, dass sie selbst Clement versteht.

#Hääää

Das mit der parlamentarischen Demokratie ist aber wirklich sehr verwirrend. Da setzt eine junge Abgeordnete ein Thema auf die politische Agenda, fordert etwas in einer Rede und stimmt letztlich im Parlament dagegen. Klingt komisch, kommt aber immer wieder vor.

So auch am Donnerstag, als Djuna Bernard (Déi Gréng) sich in der Chamber von der ADR vorführen ließ. Bernard spricht sich für Mutterschutz und Elternurlaub für Abgeordnete aus. In einer Rede im Parlament bekräftigte sie ihre Forderung und legte nach: „Soyons fous, wär eng Crèche an der Chamber eigentlech sou en absurde Gedanken am Joer 2019?“

Nein, so verrückt ist die Idee gewiss nicht. Denn selbst die Partei der feministischen Avantgarde (ADR) hatte bereits vor einem Jahrzehnt genau das in einer Resolution gefordert, wie es Fernand Kartheiser der Grünen-Politikerin rasch unter die Nase rieb. Damals stimmten alle anderen Parteien – darunter Déi Gréng – dagegen.

Sichtlich amüsiert reichte der ADR-Abgeordnete diese Woche also noch einmal die gleiche Resolution ein. Und, oh Wunder: Sie wurde mit den Stimmen der blau-rot-grünen Mehrheit verworfen. Dafür stimmten geschlossen die CSV, Déi Lénk und der „groupe technique“ aus ADR und Piraten. Dagegen sprach sich auch eine gewisse Abgeordnete von Déi Gréng namens Djuna Bernard aus. Nach dem Motto: Soyons credibles …

Nicht nur der CSV-Parlamentarier Paul Galles verstand die Welt nicht mehr. Sein Hashtag (#hääää) könnte es angesichts des akuten Mangels der Nachvollziehbarkeit mancher Debatten im hohen Haus am Krautmarkt allerdings noch weit bringen.

Hei Elei Hardy

Die ADR hat jedoch noch so einiges mehr auf dem Kasten, als politisch etwas unbedarfte grüne Abgeordnete vor laufender Kamera vorzuführen. Die Betonung liegt auf „laufender Kamera“. Vorbei sind nämlich die Zeiten, in denen man sich über einseitige Berichterstattung in den „Mainstream-Medien“ beschwerte. Die Alternativdemokraten machen jetzt einfach ihr eigenes Medium.

Dan Hardy sei Dank. Seitdem die ADR das Schwergewicht der luxemburgischen TV-Branche verpflichtet hat, hagelt es förmlich selbstproduzierte Videoclips in den sozialen Medien. Hardy wurde zwar nicht ins Parlament gewählt, darf dafür jetzt aber wieder seiner – naja, nennen wir es – journalistischen Leidenschaft nachgehen. Hardy interviewt Fernand Kartheiser, Hardy interviewt Roy Reding, Hardy reist durchs Land, um Missstände aufzudecken: Es ist fast wie früher bei „RTL“ in der Primetime.

Screenshot: Facebook/ADR

Seit Kurzem hat die ADR jedoch einen eigenen TV-Sender. Auf „ADR Tëlee“ begrüßt sie der aus Funk und Fernesehen bekannte Dan Hardy und führt durch die alternativ-demokratischen Nachrichten. Diese Woche erwartete den Zuschauer etwa ein fesselnder Bericht vom ADR-Kongress in Useldingen. Zitat Dan Hardy: „Um Nationalkongress ass alt nees däitlech ginn, datt d’ADR eng Sprooch schwätzt, déi d’Leit verstinn.“ Von anderen Parteien unterscheide man sich: „Datt kee Blat virun de Mond geholl gëtt a Wourechte gesot ginn.“

Dazu zählt etwa der Kampf gegen das Grundübel unserer Zeit, die politische Korrektheit. Man darf doch wohl noch „Eskimo“ sagen und sich als „Indianer“ verkleiden, so die einhellige Meinung auf dem Kongress. Der Präsident der ADR-Jugend, Michel Lemaire, nahm denn auch „kee Blat virun de Mond“: Diese und andere „Verbote“ würden von einer „arroganten, süffisanten links-intellektuellen Oberschicht“ stammen.

Weitere Themen der ADR-Wochenschau der unangenehmen Wahrheiten: ein Interview mit Fernand Kartheiser über Flüchtlinge, mit Jeff Engelen über das Luxemburgische und ein nostalgisches Feature über das Aussterben des „Jéineschen“. Und alles garantiert frei von arroganten, süffisanten Links-Intellektuellen. „Merci an Äddi.“