Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Jedes Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Maskenmode und andere patriotische Übungen.
Es gibt wieder Staus in Luxemburg! Endlich wieder ein bisschen gewohnter Alltag! Gut, die Autoschlangen sind am längsten vor Baumärkten, Fast-Food-Drive-ins und Recyclingzentren – aber immerhin. Auf diesem Stückchen Normalität lässt sich definitiv aufbauen!
Wir geben zu: Wir haben die dicht gedrängten SUVs und SÜVchen und das gemütliche Abhängen im hochmotorisierten Lieblingsauto dann doch vermisst. Städte in anderen Ländern sperren Straßen für Autos, damit Fahrräder mehr Platz haben – als bewusste Alternative in Seuchenzeiten. Doch nicht in Luxemburg: Wir meiden Fahrräder, Busse und Züge grundsätzlich wie die Pest – zurecht wie sich jetzt herausstellt. Da mag es noch so gratis sein.
Krise in Rot-Weiß-Blau
Die Nation-Branding-Gala um den „Gratis-Transport“ erscheint heute zwar wie ein Happening aus lang, lang vergangener Zeit. Aber es bleibt dabei: Wir Luxemburger sind ein stolzes Volk! Wenn Maskenpflicht, dann doch bitte in Rot-Weiß-Blau. Sieht zwar etwas einfältig aus, aber „Nation branding“ oblige. Und wie so oft geht Finanzminister Pierre Gramegna mit gutem Beispiel voran. Der für seine ausgedehnten Shoppingtouren in fernen Gefilden bekannte Politiker weiß halt, was sich gehört.

Apropos patriotisch: Von unserer Versicherungsbranche haben wir seit Beginn der Pandemie nichts gehört. Nicht dass wir noch auf den Gedanken kommen, dass sie für irgendeinen Schaden aufkommen könnten. Denn für den absoluten Ernstfall hat man ja bekanntlich keine Versicherung. Die ultimative Pandemie-Police dürfte aber zu den gefragten Innovationen der Après-Krise gehören.
Zudem waren die Versicherungen sehr vaterländisch beschäftigt: Der Finanzminister dankte den Versicherungen überschwänglich, dass sie in die Luxemburger Triple-A-Negativzins-Staatsanleihe investiert haben. Man merke: Nur in Luxemburg ist das wirtschaftlich Sinnvolle zugleich patriotische Pflichterfüllung. Und nur in Luxemburg feiert man die Aufnahme von neuen Staatsschulden als Akt der vollendeten finanzpolitischen Kunst.
Minister lieben Aufmerksamkeit
Apropos ein Stückchen Normalität: Das ist doch, was wir alle wollen. Und die Regierung arbeitet eifrig daran – zumindest bei sich selbst. „Social Distancing“ war gestern, nun braucht es möglichst viele Fototermine mit dem Staatschef, möglichst vielen Ministern, hohen Beamten, Krankenpflegern, Ärzten und Fotografen. Natürlich dichtgedrängt, das gibt die besten Fotos für Social Media. Aber bitte mit Maske!

Eine Rückkehr zur Normalität bedeutet auch, dass sich nicht mehr jeden Tag ein Minister ins Wohnzimmer streamen lässt. Diese Woche gab es einfach gar keine Pressekonferenz. Das erspart den Ministern, passiv-aggressiv auf lästige Fragen zu antworten. Und fürs Nachhaken gilt das „Social Distancing“ natürlich noch – in einem Raum mit Journalisten, eine grausige Vorstellung für Regierende. Wir haben verstanden: Diese „Normalität“ gilt es, so lange wie möglich hinauszuzögern.
Deshalb sagt die Regierung einfach gar nichts mehr. Da mögen wir dann doch lieber die deutsche Bundeskanzlerin. Angela Merkel stellte diese Woche (vor Journalisten!) klar, dass sie nichts von „Öffnungsdiskussionsorgien“ halte. Ein Machtwort so „mächtig wie ein Staudamm aus Stahlbeton“, wie es der „Spiegel“ in teutonischer Metaphorik formulierte.
Too much information
Wer nicht Minister ist und mit den Kumpels im „Regierungsrat“ chillen kann, muss sich also noch etwas gedulden mit dem normalen Sozialleben. Die Alternative ist die Videokonferenz, die allerdings ihre eigenen Tücken hat. Luxemburgs Premier sorgte beim vorletzten EU-Video-Gipfel für Stirnrunzeln bei den Staats- und Regierungschefs, weil er sich genau vor dem riesigen Pringles-Kopf positionierte, der im Staatsministerium als „Gemälde“ hängt (REPORTER Retrospect berichtete).
Doch auch die Parlamentarier haben so ihre Probleme mit dieser Pandemie-Kommunikation. Der „erste Bürger des Landes“ aka Fernand Etgen präsentierte sich tatsächlich latent unrasiert seiner Webcam (alle Männer des Landes verstehen das komplett). Die Frage für Politiker ist natürlich auch, welchen Hintergrund und welches Image sie damit den Kollegen (und der Öffentlichkeit) präsentieren: Die Bandbreite reicht von hippes Studentenflair-Mobiliar (Djuna Bernard) über langweilig-sterile Schrankwand (Fernand Kartheiser) bis zur professoralen Intellektuellen-Bibliothek (Claude Wiseler). Orgien haben wir uns dann doch irgendwie anders vorgestellt …
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