Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Restriktive Lockerungen und andere Gründe, der Regierung zu danken.

„Das hier ist kein Paket von Lockerungen“, sagte Gesundheitsministerin Paulette Lenert am Dienstag, nachdem sie gerade die neuesten Lockerungen verkündet hatte. Es ist ein Satz für die Geschichtsbücher. Also nur, wenn diese Bücher ein Kapitel zur kontrafaktischen Luxemburger Zeitgeschichte vorgesehen haben.

Die Wiederöffnung von Schulen, Geschäften, Sport- und Kultureinrichtungen als „Lockerungen“ zu bezeichnen – auf diese krude Idee können wahrlich nur böswillige Wortklauber kommen. Oder vielleicht noch Beamte aus dem Gesundheitsministerium. Die hatten sich nämlich einen Tag vor der Kabinettssitzung noch in einem langen Bericht gegen „Lockerungen“ und für Verschärfungen ausgesprochen. Das sei aber kein Widerspruch, sagte Paulette Lenert. Großes Krisenmanagerinnen-Ehrenwort! Obwohl es ja keine Lockerungen sind, fühlte sich „Santé“-Direktor Jean-Claude Schmit wenig später dennoch genötigt, festzustellen: Es sei durchaus Spielraum für Lockerungen vorhanden. Also natürlich nur für jene Lockerungen, die keine sind. Alles klar, oder?

Für alle, die jetzt auch so locker-lässig-verwirrt dreinschauen wie wir, gibt es aber auch eine gute Nachricht: Paulette Lenert ist endlich in der Politik angekommen. Nach monatelangem Praktikum unter schwersten pandemischen Bedingungen hat die frühere Richterin nun ihre Eignungsprüfung im Fach „Fakten umdeuten für Fortgeschrittene“ mit Bravour bestanden. Wir gratulieren an dieser Stelle ganz herzlich. Und wünschen auch schon gutes Gelingen beim bald anstehenden Fortbildungslehrgang „Wéi gesot: Der ultimative Floskel-Bingo-Guide für angehende Premiers“.

Absolut fehlerfreie Regierung

Dabei sollte auch dem kritischsten aller Zeitgenossen mittlerweile aufgefallen sein: Unsere Regierung macht keine Fehler. Und wenn doch, dann ist daran nicht die Regierung schuld, sondern im Zweifel Jean-Claude Juncker, Jean-Claude Schmit oder sonst irgendein Jean-Claude.

Ob Teil-Lockdown, Lockdown oder Lockerungen, die keine sind: Dass unsere Regierung absolut awesome ist, betonten auch wieder die blau-rot-grünen Abstimmungsveteranen im Parlament. Ob „Trump oder AfD-Politik“: „Gut, dass unsere Regierung sich weder für das eine noch das andere Extrem entschieden hat“, erklärte Grünen-Chefin Josée Lorsché während der Debatte über das neue Covid-Gesetz. Und in der Tat: Dass sie sich nicht an Corona-Leugnern oder Antidemokraten orientierte – auch das war eine couragierte Leistung, für die man die Regierung nicht genug loben kann.

Vor allem war es aber wieder die große Show des Mars Di Bartolomeo. Wenn es darum geht, eine Covid-Novelle im TGV-Tempo durch die Instanzen zu peitschen, kann es nur einen geben. Schon zum 8. Mal war MdB Berichterstatter. Schon zum X. Mal meldete der Staatsrat fundamentale Bedenken an, um das Gesetz letztlich doch durchzuwinken. Und auch an dieser Stelle gibt es eine gute Nachricht: Es wird mit ziemlicher Sicherheit auch ein 9. Mal geben.

Der Premier, dem die Ärzte danken

Zum 8. Mal spielte auch die Opposition ihre Rolle. Sie kritisierte – Spoiler Alert – die fehlende Kohärenz der Regierungspolitik. Dabei haben Claude Wiseler, Marc Baum und Co. noch immer nicht verstanden, worum es eigentlich geht. Xavier Bettel erklärte es nochmal für alle, die etwas länger brauchen: „Et goung drëms, de Spideeler Loft ze ginn.“ Als der Premier und die Gesundheitsministerin zwischen den Feiertagen die Krankenhäuser des Landes besuchten, haben sie deshalb auch gleich die Tür hinter sich offen stehen lassen.

Doch wie man ihn kennt, bleibt der Premier immer höchst bescheiden. Deshalb erzählte er auch die äußerst glaubwürdige Anekdote, wonach ihm das Krankenhauspersonal bei seinem Hausbesuch fast schon um den Hals gefallen sei. „Merci, merci fir déi Loft déi komm ass“, sollen die Ärzte und Krankenpfleger dem Regierungschef gesagt haben.

Das reicht allerdings nicht, denn auch die Leute außerhalb der Kliniken brauchen „e bessi Loft“, so Bettel. Denn zum Leben braucht man nicht nur regelmäßig Luft, sondern auch mentale Gesundheit, so die Begründung der Regierung. Und was hilft gegen den winterlichen Pandemie-Blues besser als ein bisschen Shoppen? Wie es aus ultraliberalen Kreisen heißt, haben die Ärzte dem Premier bei seinem Besuch denn auch nicht nur „Merci, Merci“, sondern auch „Maacht w.e.g. onbedéngt d’Geschäfter elo rem op a vergiesst d’Solden net!“ ins Ohr geflüstert.

Das „9/11 der Gastronomie“

Und obwohl wir alle dem Premier danken sollten wie die Ärzte und das Pflegepersonal, gibt es immer noch die notorischen Miesmacher, aka Oppositionsparteien. Schützenhilfe bekamen CSV und Co. dieses Mal ausgerechnet aus dem Ausland. Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans erdreistete sich doch tatsächlich, das schönste Großherzogtum unter dieser Sonne zu kritisieren. „Verantwortungslos“ sei der neueste Luxemburger Kurs in dieser Pandemie, sagte der Chef-Diplomat des mächtigen Bundeslandes.

Wie es sich für gute Luxemburger gehört, setzen wir uns aber nicht mit den Vorwürfen auseinander, sondern schließen angesichts der Attacke von jenseits der Mosel die Reihen. Nur konsequent auch, dass wir unseren nachweislich besten Rhetoriker in die Schlacht schickten, um den dahergelaufenen Preis mal so richtig auf den Platz zu setzen.

„Wir haben uns entschieden, wieder Präsenzunterricht einzuführen, weil ansonsten viele Kinder verloren gehen“, konterte Jean Asselborn die böswilligen Vorwürfe. Und auch die Entgegnung, dass es bei Restaurants und Cafés „überhaupt keine Unterschiede zu Belgien und Deutschland“ gebe, weil sie „weiterhin geschlossen“ seien, wird dem flegelhaften Saarländer wohl den argumentativen Todessstoß versetzt haben.

Ein Sektor, der auch nicht so recht in das Loblied der widerspruchsfreisten Regierung des Universums einstimmen wollte, ist die Gastronomie. Die Horesca-Meute will doch tatsächlich nicht einsehen, dass sie die Aller-, Aller-, also wirklich Allerletzten sein werden, die wieder öffnen dürfen. Die neuen Maßnahmen könne man nun wirklich nicht mehr verstehen und auch nicht akzeptieren, posaunte Monsieur Horesca François Koepp diese Woche hinaus. Oder wie es Jean Asselborn wohl ausdrücken würde: Es ist „das 9/11 der Gastronomie“.

„Joffer“ Paulette ist gefragt

Doch diese Woche ging es nicht nur um Fakten, Verantwortung und üble teutonische Attacken. Zur Auflockerung der todernsten Pandemie-Materie gab die Gesundheitsministerin am Dienstag auch eine kleine Kunstunterrichtsstunde. Auf dem Stundenplan stand die Farbenlehre am Beispiel der Kläranlagen. „Et gesäit ee ganz genau wéini dat vum gielen op d’oranget eriwwer geet, dat rout wat hannendrun kennt an och am ëmgedréinten dann, wann et besser geet, erkenne mer dat ganz kloer doranner erëm zeréck“, sagte die beliebteste Oberlehrerin des Landes.

Es ist aber auch kinderleicht: Grün = Gut. Rot = Schlecht. Orange = Nicht wirklich besser, aber Schwamm drüber. Weil es so einleuchtend ist, hat Claude Meisch seine Kabinettskollegin bereits für jegliche Altersstufen als Privatdozentin verpflichtet. In der Grundschule soll sie erklären, wie man in den Kläranlagen-Gewässern die Farben richtig deutet. Die Kinder können anschließend selbst zu Hause eine Kläranlage mit ihrer bevorzugten Farbe ausmalen. Nur grün ist keine Option, denn die haben bekanntlich seit März nichts mehr zu sagen. In der Oberstufe soll die Ministerin dann der angehenden Elite des Landes erklären, was „Fakten“ sind, und wie man sich unabhängig davon aus der Affäre ziehen kann und Klassenbeste bleibt.

Das wahre Top-Thema der Woche

War sonst noch was? Ja, doch… Es gibt nur wenige Ereignisse, die wirklich alle Medien beschäftigen. Jene Nachrichten, die wirklich jeden aufgeklärten Bürger etwas angehen sollten und uns alle vor den Fernsehschirm ziehen. Genau: (Ex-)Prinzessin Tessy de Niederkorn, formerly known as Antony, hat sich wieder verlobt!

Im Vergleich dazu war der versuchte „Coup d’Etat“ in Washington D.C. fast eine Randnotiz. Doch es geschehen noch Zeichen und Wunder: Der Sturm auf das Kapitol verleitete Luxemburgs Politiker doch tatsächlich dazu, klare Position zu beziehen. Selbst der ansonsten so nette und nachsichtige Herr Etgen, seines Zeichens Präsident des Luxemburger „Herz der Demokratie“, sprach von einem Angriff „auf alle unsere Werte“. Und auch „Wort“-Chefredakteur Roland Arens stellte in seinem gefühlten dreitausendsten Leitartikel zum Thema fest, dass Donald Trump anscheinend kein ganz vorbildlicher und verantwortungsvoller Politiker ist.

Royaler Roadtrip

Doch nicht nur der Noch-Präsident der US-amerikanischen Vorzeigedemokratie muss sich dank Twitter-Sperre künftig überlegen, wie er seine Fans bei Laune hält. Auch andere Entertainer müssen wegen der Pandemie kreativ werden. Während jegliche Musiker ihre Shows absagen mussten, gibt es aber einen einheimischen Popstar, der trotzdem auf Tour geht. Warum? Because he can.

Nein, es geht nicht um Serge Tonnar, sondern um ein anderes, ebenso beliebtes wie bodenständiges Luxemburger Original. Letzte Woche noch Biarritz, heute schon Paris: In guter Jang-Manier macht nun endlich auch der Großherzog seine ganz eigene „Tour de France“.

Im Gegensatz zum Drahtesel-Junkie Jean Asselborn, postet das Staatsoberhaupt allerdings keinen täglichen, ellenlangen Facebook-Beitrag über die zurückgelegte Etappe. Ein bisschen Teilhabe erlaubt der Großherzog trotzdem. Die einzelnen Stopps kann man nämlich per Gesetzunterschriften nachverfolgen. Cabasson, Biarritz, Paris: Die Covid-Gesetze unterschreibt Henri wahlweise in seiner Zweit-, Dritt-, oder Viert-Residenz. Und nicht nur der Premier findet, dass auch der Staatschef mal einen „Break“ verdient hat (Retrospect berichtete).

Deauville, Aix-en-Provence oder gar Réunion? Wo wird unser royaler Rockstar als nächstes seine Zelte aufschlagen? Nichts ist unmöglich. Oder um es mit Paulette Lenert zu sagen: „Et bléift spannend!“


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