Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Adlige auf der Flucht und andere tolle Weihnachtsvideos.

Kennen Sie das: Ihnen fällt die (Palast-)Decke auf den Kopf, die Untergebenen nerven und es ist einfach Zeit rauszukommen? Dann geht es Ihnen wie Großherzog Henri. Das Gesetz, das uns einen zweiten Lockdown bringt, wurde an Heiligabend in … Biarritz unterschrieben – „signé Henri“. Eine schöne Bescherung, dachte sich wohl ihre königliche Hoheit. Aber klar: Auch Staatschefs haben ein Recht auf Télétravail!

Das Surferparadies in Südfrankreich ist natürlich ideal für kleine adlige Fluchten. Und es hat momentan den entscheidenden Vorteil, dass man dort wieder die neueste Kimono-Kollektion shoppen kann. Im Sommer legten sich die Großherzogs eine neue Bleibe in Biarritz zu (Retrospect berichtete). „Avec mon mari, nous pouvons y aspirer à une vie normale“, sagte die bodenständigste Großherzogin der Welt damals der Zeitung „Sud-Ouest“.

Obwohl „normal“ jetzt wahrscheinlich eine andere Bedeutung hat als für uns Normalsterbliche. Pech hat man natürlich, weil das Wetter auch an der Atlantikküste nicht so toll ist. Zum Surfen ist es gerade zu stürmisch. Dann bleibt als Zeitvertreib nur das öde Unterschreiben von Gesetzen. „Sad!“, würde der Noch-Staatschef auf der anderen Seite des großen Teichs dazu wohl sagen.

„Home-office geet fir dech net“

Für seine aufopferungsvolle Arbeit beim Unterzeichnen des gefühlt 30. Covid-Gesetzes bekommt Henri ungefähr so viel Dank wie die Ärztinnen und Pfleger, die tagtäglich den Hunderten Kranken helfen. Für sie gibt es keinen Bonus, keinen abendlichen Beifall vom Balkon mehr und auch keine weiteren Arbeitskollegen.

Und die Regierung schaut dem Treiben während Wochen zu, bevor sie dann doch handelt. Wer konnte schon ahnen, dass sich die konstant hohen Infektions- und Behandlungszahlen nicht einfach so in Luft auflösen? Von den vielen Toten sprechen wir an dieser Stelle lieber nicht, wir halten es da mit dem führenden Marathon-Läufer des Landes, Xavier „Kee Sprint“ Bettel.

Aber hey, alles halb so schlimm! Denn der Premier und die Gesundheitsministerin haben zumindest einem Krankenhaus über die Feiertage einen spontanen Besuch abgestattet. Und dann hat die Regierung dem Pflegepersonal auch noch ein tolles Video gewidmet. Es ist ein aufwändig produziertes „Merci“ an all jene, die sich in den letzten Monaten aufgeopfert haben. „Home-office geet fir dech net“, stellt der Erzähler im Video fest. Abee merci!

Luxemburg sucht den Video-Star

Was man als Laie aber unterschätzt: Floskeln produzieren ist harte Arbeit. Die Woche vor den Feiertagen war deshalb purer Stress für Großherzog Henri. Er musste seinen Schreibtisch aufräumen, seinen schicken Weihnachtsstrauß aufstellen und die Ansprache an sein Volk aufnehmen. Und dann auch noch so tun, als säße er gemütlich im Palais.

Doch der Staatschef hat längst Konkurrenz im hochwertig produzierten Floskelschleuder-Genre bekommen. Auch Premierminister Xavier Bettel übte sich in einer monothematischen Feiertagsansprache. Das Video sollte aber anscheinend nicht zu staatsmännisch wirken und wurde deshalb mit parteipolitischem Anstrich auf allen DP-Kanälen gepostet. Unser Urteil: Mimik 10/10, Inhalt 2/10.

2020 war eher so… lala, „sagte“ Xavier Bettel in der Grußbotschaft der DP. (Screenshot: Twitter.com)

Es sei wahrlich keine Freude für ihn, die Freiheiten seiner Bürger einzuschränken, sagte Bettel in dem Video dann noch. Als hätte ihm das irgendjemand unterstellt. Aber wie aufmerksame Bettel-Fans schon lange wissen, ist genau das die Spezialität des Premiers. Sich mit Inbrunst und höchst authentischer Leidenschaft gegen etwas wehren, was niemand je behauptet hat. Da fühlt sich der PR-Profi wohl. Denn offensichtliche Missstände oder politische Versäumnisse ansprechen, das kann wirklich jeder. Die virtuellen, ja geradezu erfundenen Vorwürfe entkräften: darum geht es!

Auf der Zielgeraden im Tunnel

Aber auch der wirkliche Superstar der Regierung (sorry Xav!) ließ es sich nicht nehmen, ein mit herzerwärmender Weihnachtsmusik unterlegtes Video aufzunehmen. Die Botschaft: Paulette Lenert fühlt nicht nur mit, sie ist bereit. Was Regierungschefs oder Monarchen können, kann sie schon lange. Nächster Schritt: Première oder Grande-Duchesse, au choix!

Und siehe da! Das Video der Erlöserin mit dem Impfstoff im Gepäck schneidet in unserer absolut objektiven Bewertung auch gleich viel besser ab als beim liberalen Noch-Premier: Mimik 10/10, Inhalt 3/10.

Hoffen und dem „Licht am Ende des Tunnels“ folgen: Paulette Lenert in der wohl ersten Weihnachtsansprache des Gesundheitsministeriums. (Screenshot: Twitter.com)

Doch auch wir müssen zugeben: Ganz frei von neuen Erkenntnissen waren die Videos dann doch nicht. „Et sinn 20 Joer, datt ech Äre Grand-Duc sinn“, sagte Henri und blickte etwas säuerlich in die Kamera. Die Reform der Monarchie erlaube ihm und seiner Gattin Maria Teresa, „sech méi op d’Substanz vun eisen Aktivitéiten ze konzentréieren“. Und auch der Premier äußerte unumstößliche Wahrheiten: „Ech stoung déi lescht Méint vill ze oft virun Iech.“

Für Vorfreude ist es trotz eintrudelndem Impfstoff allerdings definitiv noch zu früh, sagte hingegen Paulette Lenert. Wie man es der Ministerin ansehen kann, können auch wir kaum erwarten, welchen Slogan sich die Regierung für die Luxemburger Impfkampagne einfallen lässt. Damit das mit dem geselligen Weihnachtsfest und Silvester dann im nächsten Jahr etwas wird, ist jedenfalls die komplette Kreativität der mächtig aufgestockten PR-Maschinerie der Regierung gefragt.

Eine schlechte Nachricht aber schon mal vorweg: Der Slogan „Ärmel hochkrempeln“ ist bereits vergeben. Aber wie schon in der ganzen Pandemie lassen wir uns von der streberhaften Merkel-Regierung nicht aus der Ruhe bringen. Wéi gesot! Will heißen: Kommt Zeit, kommt Rat, und bestimmt auch wieder das eine oder andere lebensnotwendige Video.

In diesem Sinne: Auf zur letzten „ligne droite“, zum „Licht am Ende des Tunnels“, wie es Paulette Lenert ausdrückte. Also natürlich nur für jene Landsleute, die sich zügig impfen lassen. All die anderen dürfen nächstes Jahr den doppelten „Marathon des Sables“ laufen.


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