Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Lockdown Spoiler-Alarm und wahre liberale Solidarität.
Lockdown oder kein Lockdown? Das ist hier (nicht) die Frage. Denn anders als so manche zwitschernde Zeitgenossen wollen wir uns nicht an den schon seit Tagen zirkulierenden Gerüchten beteiligen. Das wäre höchst unseriös.
Genauso sieht es übrigens die Regierung, deren Chef sich nach freundschaftlichen Kontakten zum infizierten französischen Staatspräsidenten ein paar Stunden in Auto-Quarantäne begab und nach einem negativen Test die Zügel der Macht wieder fest im Griff hat. Während der kurzen Abwesenheit des Premiers hatte die Gesundheitsministerin bei „RTL“ ihren Lockdown-Fantasien freien Lauf gelassen. Und auch der Bildungsminister deutete an, dass die Weihnachtsferien eventuell doch länger dauern könnten. Zur Sicherheit sollten Lehrer und Schüler aber schon mal ihre wochenlang erprobten digitalen Bildungskits mit nach Hause nehmen.
Was bedeutet eigentlich ein zweiter harter Lockdown? Würden dann wirklich die Schulen wieder schließen? Müssten alle wieder aus dem Home-Office arbeiten? Und was ist mit den Geschäften? Auch wir können uns kaum noch daran erinnern, was im März und April dieses Jahres passierte. Zum Glück gibt es aber den Wirtschaftsminister, der uns diese Woche bei „RTL Radio“ erklärte: „Wann et en haarde Lockdown gëtt, da géing de Commerce zougemaach ginn.“ Ach nee.
Léiwe Minister, gudde Minister…
Doch nicht nur Franz Fayot versucht sich dieser Tage als Elementarpädagoge. Auch Lehrmeister-in-chief Claude Meisch ist wirklich nicht zu beneiden. Dauerpandemie, Dauerkritik an seinem Stufenplan und an seinem Führungsstil, höchst subversives Dauerfeuer vom „Luxemburger Wort“. Und dann wird der bescheidene Liberale auch noch im Parlament hart angegangen.
Es würden sich jene Stimmen häufen, die das Konzept des Bildungsministers in Frage stellen oder gar Angst haben, während der zweiten Virus-Welle in die Schule zu gehen, behauptete die Opposition. Meisch aber reagiert gelassen. Einerseits ja, aber andererseits auch nicht. Auch das Ministerium habe es nicht leicht und könne – also rein theoretisch – auch Fehler machen, so der Bildungsminister. Er verstehe auch die Aussagen von Leuten, die sich Sorgen machen. Doch es gebe eben auch andere Stimmen, die ihn und seine Beamten ziemlich dufte finden, meint Meisch.
Um dies zu untermauern, zieht der Minister während seiner Rede im Parlament plötzlich einen Zettel aus der Westentasche, mit einem „Témoignage“ eines Fans: „Et ass den Nils, hien huet 8 Joer, hien ass vun Esch.“ Und laut Meisch schreibt der kleine Nils aus Esch: „Léiwe Minister, Här Meisch. Ech wollt iech Merci soen fir alles ze maachen, wat dir kennt, fir d’Schoulen an dëser Pandemie net zou ze maachen.“

Wir können die Mischung aus Skepsis und Hilarité générale der oppositionellen Miesmacher an dieser Stelle wirklich nicht nachvollziehen. Denn auch wir erhalten regelmäßig ähnlich glaubwürdige Zuschriften. Nur ein Beispiel: Max, 9 Jahre alt, aus Rodange. Er schrieb uns kürzlich: „Léif Reporter, léif Retrospect-Redaktioun. Ech wollt iech Merci soen fir ären journalistesch-dialekteschen, ma awer och ären humoristeschen Asaaz an dëser Pandemie. Epidemiologesch Daten, Prevalenzen, Inzidenzen hin oder hir: Dir sidd einfach déi bescht.“ Villmools Merci an dieser Stelle, lieber Max!
Die Liberalisierung des Jesus C.
Meischs Parteifreundin Corinne Cahen erhält zwar keine Briefe von Hochbegabten, dafür aber tolle Lesetipps. Im Parlament zitierte die Familienministerin stolz aus einem „Spiegel“-Beitrag. „Jesus hätte Oma nicht besucht“, so die Hobby-Theologin in nahezu perfekter Sprache der Dichter und Denker.
Für die CSV war es ein weiterer Schlag in die ideologische Magengrube. Nachdem den Christsozialen (vor mittlerweile sieben Jahren) die Macht brutal per Wahlen entrissen wurde, die Kirche vom (CSV-)Staat getrennt wurde, haben sie jetzt sogar Jesus an die Liberalen verloren! Nicht mal mehr das gönnt die DP der Opposition. Und das auch noch kurz vor Weihnachten. Da hätten wir uns etwas mehr christlich-liberale Nächstenliebe erwartet.
Doch die DP hat die Jesus-Doktrin längst verinnerlicht. Apostel Max Hahn bietet sich bereits als Retter der Opfer der Luxemburger Wohnungskrise an. Die klare Botschaft: Egal, um was es geht, die DP hilft! Sie können sich ihre Miete nicht mehr leisten? Better Call Max!

Einer der tief getroffenen Jesus-Jünger der CSV ist übrigens Michel Wolter. Der Christsoziale der Abteilung Attacke stimmte diese Woche ungewohnt leise, ja fast nachdenkliche Töne in der Chamber an. Zutiefst glaubhaft machte sich der frühere Soziemlichalles der CSV Sorgen um die Zukunft des Parlamentarismus und die demokratische Debatte im Land. Im Parlament diskutiere die Opposition nämlich fast nur noch mit den Ministern der Dreierkoalition, so Wolter aka Foltermischi. Die Abgeordneten von DP, LSAP und Grünen würden dagegen immer brav auf ihren Plätzen sitzen und nur den richtigen Moment abwarten, um die Hand zur Abstimmung über die Regierungsvorlagen zu heben.
Selbst als Wolter dem blau-rot-grünen „Stimmvieh“ die Leviten las, blieben diese aber brav sitzen. Oder wie es Corinne Cahen wohl ausdrücken würde: „Jesus hätte die Covid-Gesetze auch blind durchgewunken.“
Staatsbeamtengewerkschaft Solidarnosc
Einer, der es weniger mit verabschieden hat, ist Romain Wolff. Der einflussreiche CGFP-Vorsitzende stimmte bisher eher einen gelassenen Ton in der Pandemie an. Während viele Branchen der Privatwirtschaft leiden, in Kurzarbeit sind oder ganz zumachen müssen, sollen auch die Staatsbeamten ihren Beitrag zur Krisenbewältigung leisten. Das hieß bisher: Mit der Forderung nach der üblichen Punktwerterhöhung könne man auch bis nach der Krise warten.
Andererseits müsse die Regierung die Beamtengewerkschaft aber auch „serieux huelen“. „Wann een einfach mengt et kéint een eis ignoréieren, dann ass een um falschen Dampfer“, so Wolff im Interview mit „Radio 100,7“. Wir sehen das ganz ähnlich: Das Grundproblem dieses Landes sind all diese Regierungen, die die CGFP bisher immer ignoriert haben.
Ganz zurückhalten konnte sich der CGFP-Boss dann aber doch nicht. Wenn man schon nicht die üblichen Pfründe und Privilegien erweitern kann, dann sollte doch zumindest ein kleiner Krisenbonus für die Staatsbeamten drin sein. Natürlich nicht für alle Beamten, sondern für – Zitat – „verschidden Servicer, wat wees ech, CGDIS oder wat“ bzw. „Polizei oder wat och ëmmer“.
Mit Bonus meint Wolff übrigens eine Prämie oder einen zusätzlichen Urlaubstag. Wir finden: Die Forderungen der CGFP sind durchaus besonnen, ja fast schon besinnlich. Und der Gewerkschaftschef hat nun auch wirklich nichts gegen ein bisschen Solidarität. Also solange alle anderen auch dabei sind und es schön abstrakt bleibt. „Mir hunn vun Ufank un gesot mir sinn solidaresch, wann eng Kéier deen Dag do kennt an wann ofgerechent gëtt. Jo, wann jiddereen säin Bäitrag do dozou leescht, dann wäerten mir dat och maachen. Wei deen awer ausgesäit, dat kann ech haut nach net soen.“
Majestätische Verkehrswende
Am Sonntag offenbarte sich am Bahnhof dann noch ein ganz neuer Anblick. Ja, endlich war es soweit. Hunderte Honoratioren und auch ganz normale Menschen versammelten sich, um live mit dabei zu sein. Was war los? Sie ahnen es: Am Sonntag ist Großherzog Henri bereits zum zweiten Mal in seinem Leben mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren!

Für Henri war es eine ganz besondere Erfahrung. Bei seinen drei Begleitern erkundigte er sich, wie das mit der Tram so technisch funktioniere. Dem Vernehmen nach soll das Staatsoberhaupt sich ganz überrascht gezeigt haben, als man ihm erklärte, dass das Transportmittel mehrere Menschen zugleich transportieren könne. Und dann noch „gratis“, also auf Kosten aller Steuerzahler. Ein Finanzierungsmodell also, von dem der Monarch ein Lied singen könnte.
Lydie Polfer zeigte sich allerdings über etwas anderes überrascht. Sie dachte eigentlich, dass neue Verkehrsmittel in einer Festungsstadt nicht möglich seien. Ein wahres Weihnachtswunder! Nicht nur Corinne Cahen, auch wir sind uns sicher: Selbst Jesus wäre mit der Tram gefahren.
Wenige Minuten später war dann aber alles schon wieder vorbei. Henri sagte noch schnell ein paar Schlussworte und wartete noch auf die Großherzogin, um die Einweihung mit dem traditionellen Bannerschlag zu beenden. Die Großherzogin blieb der latenten Corona-Party in und vor der Tram dieses Mal jedoch fern. Wie es aus gut unterrichteten Kreisen am Hof verlautet, nahm sich die Gattin des Großherzogs das Motto ihres Briefes zum Waringo-Bericht zu Herzen: „Firwat eng Fra attackéieren?“
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