Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Luxemburgs Lockdown und andere schwer verständliche Inkohärenzen.
Vor einer Woche liefen wir noch einen Marathon, bei dem wir nicht stehen bleiben und Luft holen sollten (Retrospect berichtete). Jetzt zieht die Regierung auf einmal die Handbremse. Mit einem gerüttelten Maß an leidenschaftlichen Appellen erklärte Premier Xavier Bettel am Montag, warum er das Land nun doch in den Teil-Lockdown schickt, obwohl die Regierung dies seit Wochen immer wieder vermeiden wollte, in der vergangenen Woche bereits beschlossen, aber nicht sofort umgesetzt hatte. Dennoch sprach der Premier diese Woche ernsthaft davon, wie wichtig in dieser Krise Antizipation und präventives Handeln seien.
Bei manchen Journalistenfragen geriet dann aber das halbe Land etwas ins Staunen. Hintergrund waren mystisch-verschwörerisch angehauchte Andeutungen eines morgendlichen Glücksbringers („Kleeblatt vu Moien“) mit Verweis auf „Heidi“, ob die neuen Maßnahmen denn auch für das „Saumur“ gelten würden. Im Wortlaut: „Ech geheien meng éischt Fro ginn, déi ech dem Heidi, äh, zouzeschreiwen. D’Heidi freet ob de Saumur och géif déi Reegeln mussen anhalen. Dat ass lo awer méi niewelaanscht.“ Die Antwort von Paulette Lenert, die die Frage auch eher niewelaanscht verstanden hatte, sich aber nichts anmerken ließ, lautete (in Kurzform): Ja.
Während er grade noch sichtlich über den intakten Pressepluralismus schmunzeln konnte, platzte dem Regierungschef bei anderen Fragen dann aber regelrecht der Kragen. Zum Beispiel zum Maskentragen in der „Grousgaass“: Wenn man alleine durch die Prachtmeile schlendert und die Distanzen einhalten kann, braucht man keinen Atemschutz, so der Erklärer der Nation. Wenn es jedoch „schwaarz vu Leit“ ist, dann doch. „Ass dat sou schwéier ze verstoen?!“, so ein durchaus aufgebrachter Xavier Bettel. Was der Premier dabei nicht präzisierte: Gilt das „Ma, de Mask!“-Prinzip auch für das ohnehin geschlossene „Saumur“? Wir warten an dieser Stelle auf die entsprechende Frage und Klarstellung auf dem nächsten Pressebriefing.
Alle immer, aber nicht immer alle
Einen fundamentalen Widerspruch konnten dabei weder Xavier und Paulette noch Heidi und Kleeblatt vu Moien aus der Welt schaffen: Die Geschäfte bleiben zwar offen, aber man soll eigentlich zu Hause bleiben, und dort auch nicht mehr als zwei Personen aus einem Haushalt einladen, also wenn es geht, am besten niemanden. Die Opposition im Parlament will diese himmelschreiende Inkohärenz erst gar nicht mittragen. Die Geschäftsleute haben die glasklare Botschaft aber verstanden, ja clever umgemünzt und werben das ganze Wochenende für ihre Black-Friday…, pardon Black-Weekend-Angebote.
Denn es hilft ja alles nichts: Shoppen geht vor. Das meinte auch Fernand Ernster, Präsident des Handelsverbands, im Gespräch mit „Radio 100,7“. Manche Händler würden im Weihnachtsgeschäft mehr Umsatz machen als im ganzen Rest des Jahres. Und die vollen Lager müssten schließlich leergekauft werden.
Und das mit der Pandemie und den Kontaktbeschränkungen klappt schon irgendwie. Man muss die Menschen halt bloß verteilt kriegen. Da ist Flexibilität gefragt: Wieso nur am Wochenende bummeln? Der Mittwoch ist der neue Samstag. Im Homeoffice merkt eh keiner, wenn man mal ein Stündchen weg ist. Der Handelsfachmann Ernster rät: Alle sollen immer einkaufen. Bloß nicht immer alle, bitte.
Glaubwürdig im Bahnhofsviertel
Ja, aber was ist mit den Einkaufszentren? Dort wird es doch bestimmt zu voll und wie will man die 1-Person-pro-10-Quadratmeter-Regel überwachen? Nur die Ruhe, mahnt der Präsident des Handelsverbands: „D’Leit gi villäicht net iwwerall gezielt, mee et ass kloer, dass déi privat Sécherheetskräfte gebrieft sinn, ee visuelle Kontroll ze maachen, wéini ze vill Leit wäerten an engem Geschäft sinn.“
Großer Fan privater Sicherheitsdienste ist auch die hauptstädtische Bürgermeisterin Lydie Polfer. Denn diese sollen zukünftig durch ihre „präventive Präsenz“, das Sicherheitsgefühl dort steigern, wo sich anscheinend selbst die Polizei nicht mehr hin traut: im üblen Bahnhofsviertel. Was der Einsatz der privaten Konkurrenz für die Polizei und das staatliche Gewaltmonopol bedeutet, erklärte die Erste Frau der Hauptstadt ebenfalls bei „Radio 100,7“: „Ee Rechtsstaat, deen dat do zouléisst, dee verléiert seng Kredibilitéit.“ Oh, Entschuldigung. Da ist uns wohl das Zitat verrutscht. So beschrieb Polfer natürlich die anarchischen Zustände rund um den Hauptbahnhof.
Wir finden jedenfalls: Mit der angezogenen Handbremse, einer privaten Sicherheitseskorte und ein paar Black-Weekend-Schnäppchen im Gepäck läuft sich so ein Corona-Marathon schon viel entspannter. Bleibt nur zu hoffen, dass unsere Nachbarn, die weit vor uns zum Luftholen stehen blieben, uns nicht noch auf der Zielgeraden überholen. Und dass nur die „Groussgaass“ und andere Orte des Landes an diesem Pandemie-Shopping-Wochenende überlaufen sind, und nicht auch bald die Intensivstationen „schwaarz vu Leit“ sein werden. Das aber nur so „niewelaanscht“.
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