Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Eine Dose Virus für jeden und ein Premier, der seine Meinung sagt.
Die Pandemie ist erst vorbei, wenn ein Großteil der Menschen Antikörper entwickelt hat, schrieb bekanntlich Prof. Dr. Xavier Bettel vor einer guten Woche über den offiziellen Regierungskanal „Facebook.com“ (Retrospect berichtete). Für Mars di Bartolomeo (MdB) kann das alles nicht schnell genug gehen. „Ich gehe davon aus, dass kein Land das Virus wahllos spritzt, wenn es nicht Beweise gibt, dass das Virus auch wirkt“, sagt der ewige Berichterstatter aller Covid-19-Gesetze in seinem gefühlten 800. „RTL“-Interview des Jahres.
Der frühere Gesundheitsminister ist also schon voll auf der neuen Regierungslinie der Herdenimmunität. Warum lange warten, bis es zur „Durchseuchung“ kommt, wenn man das Virus auch einfach selbst der Bevölkerung intravenös verabreichen kann? Später, durch Mithilfe des aufmerksamen Moderators, stellte sich dann heraus, dass das alles ein großes Missverständnis war. Natürlich will MdB den Menschen nicht das Coronavirus spritzen, er meinte den Impfstoff.
„Wissen Sie, wenn man vor einem Mikrofon sitzt, hat man nicht alle Feinheiten parat, das kommt mir auch schon mal vor“, so der frühere Gesundheitsminister. Gut, dass man als Abgeordneter oder Minister nicht hauptberuflich öfter vor einem Mikro stehen muss, sonst könnte das ja ständig passieren.
Einen Tag später hatte MdB wieder eine Gelegenheit, das Gesagte zurechtzurücken. Dieses Mal bei „Radio 100,7“. In aller Deutlichkeit erklärte der Politveteran, worauf es in den nächsten Tagen ankommt. „Ob 450, 500 oder 501, es muss sich in den nächsten Tagen bestätigen, dass es nach unten geht“, so der Covid-Berichterstatter. Alles klar also. Die Zahlen müssen bis Montag nach unten gehen, also irgendwie und ungefähr, dann passiert irgendwas zu irgendeinem Zeitpunkt. Jetzt weiß also wirklich auch der Letzte, was zu tun ist.
Sars-CoV-2 feiert Geburtstag
Doch nicht nur die Daten der Pandemie können verwirrend sein. Die Aussagen des Premiers, zur Not einen neuen „Etat de Crise“ auszurufen, waren nämlich auch ein dummes Missverständnis, stellte MdB klar. Stattdessen will der Regierungschef den Volksvertretern jetzt nicht weniger, sondern mehr Macht geben. Ein neues Gesetz wurde bekanntlich im Parlament abgeliefert. Doch wann es verabschiedet wird, entscheidet ausnahmsweise nicht die Regierung, sondern das Virus selbst. Und die Verantwortung tragen im Zweifel die Abgeordneten.
Das Virus steht dabei allerdings heute schon hart unter Beschuss. Und es könnte noch schlimmer werden. Entweder die Zahlen gehen runter oder „mir mussen noschéissen“, drohte Mars Di Bartolomeo noch im „RTL“-Interview. Der LSAP-Politiker machte deutlich: Er steht für Verhandlungen nicht zur Verfügung. Das Virus hat also die Wahl.
Dieses Virus feierte diese Woche, am 17. November, übrigens seinen ersten Geburtstag. Also zumindest wenn es nach der Rechnung der chinesischen Regierung geht. Wir geben zu: Man sollte sowas nicht mit billigen Witzen verharmlosen. Andererseits nannte selbst unsere Gesundheitsministerin das böse Sars-CoV-2 einst „de Kolleg“. Und wie es mit alten Kumpels so ist: Selbst wenn man sie lange nicht gesehen hat, und das auch so bleiben soll, gratuliert man ihnen dann doch oft auf Facebook zum Geburtstag. Hauptsache, so haben wir gelernt, man spritzt sich den „Kolleg“ nicht in die Venen!
Ali Ruckerts rote Löwen
Apropos Missverständnis: In einem Artikel über die nationale Fußballmannschaft in der spanischen Sportzeitung „Marca“ beschrieb der Autor die großen Erfolge der „Roud Leiwen“. Wirklich interessant wird der Text allerdings erst, wenn es um das neue nationale Fußballstadion geht. Die „Marca“ hatte nämlich einen wahren „Scoop“ parat: Die neue Arena, um die uns die Welt schon jetzt beneidet, soll doch tatsächlich nach Ali Ruckert benannt werden. Luxemburgs Oberkommunist, der sich bisher herzlich wenig für diesen kapitalistisch verdorbenen Sport interessierte, soll auch schon bei Trainingseinheiten der „Rouden“, wie er sie liebevoll nennt, gesehen worden sein.
„RTL“ stellte allerdings klar, dass das doch nicht ganz der Wahrheit entspricht. Es handelte sich um eine gewagte, technisch durchaus anspruchsvolle spanische Finte. Die „Marca“ hat jedenfalls ein kleines Detail falsch verstanden. Eine Petition soll gefordert haben, das Stadion nach dem Parteichef und Chefredakteur der meistgelesenen Kommunistenzeitung des Landes zu benennen. Doch letztlich haben die kapitalistischen Systemparteien im Parlament sie für unzulässig erklärt. Stattdessen, so hören wir aus ungarischen Sportjournalistenkreisen, soll das Stadion nun nach Gast Gibéryen benannt werden.
„De Premier ass net der Meenung“
Was haben Corinne Cahen, eine Reportage über Luxemburg und bis auf Weiteres geöffnete Restaurants und Cafés gemeinsam? Ganz genau: Sie tragen alle zum Infektionsgeschehen in Luxemburg bei. Das dachte zumindest Nancy Kemp-Arendt (CSV). Sie fragte Xavier Bettel, ob der Tweet der Familienministerin über eine Reportage über das Lockdown-verschonte Luxemburg nicht zum Anstieg der Infektionszahlen beitragen würde. Nein, antwortet der Premier. Oder wie es einer seiner Beamten ausdrückt: „De Premierminister ass net der Meenung, dass en Tweet iwwert e Reportage Leit aluet op Lëtzebuerg ze kommen.“
Gut so, dann ist zumindest seine Meinung bekannt. Nur blöd, dass die Regierung dann ständig Werbevideos über Luxemburg produzieren lässt. Das offizielle Tourismusportal „Visit Luxembourg“ beglückwünschte sich noch vor einer Woche selbst zu der „aktiven Pressearbeit in Zeiten von Corona„. „TF1, ARTE, Sat.1… große Medien im kleinen Luxemburg“, schwärmten die Content-Kreativen noch vor knapp einer Woche. Dann verschwand der Artikel wie von Zauberhand.
So schön uniform und klar
Allerdings ist der Premier auch nicht der Meinung, „dass duerch en Tweet iwwert e Reportage d’lnfektiounszuelen an d’Luucht ginn.“ Und überhaupt haben er und die Regierung nichts, ja rein gar nichts mit der aktuellen Situation am Hut. „Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den Mitteilungen der Familienministerin und den sanitären Maßnahmen“, so Bettel in der Antwort auf die parlamentarische Frage. Und überhaupt: „D’Kommunikatioun vun der Regierung ass uniform a kloer.“ Punkt. Aus.
Wir halten also fest: In Luxemburg haben Mitteilungen von Regierungsmitgliedern in den sozialen Medien keinerlei politische Konsequenzen. Mit der Ausnahme natürlich, wenn Xavier Bettel selbst wieder auf Facebook die offizielle Strategie der Regierung als „Coronavirus Update“ postet, die dann ein paar Tage später wieder revidiert werden muss. Ach ja, und wenn Dan Kersch über „breite Schultern“ und Ferrari fahrende Selbstständige schreibt. Aber nur dann. Sonst ist alles „uniform a kloer“.
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