Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Jedes Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Ein neuer Prinz, ein roter Kapitän und integrale Hirngespinste.
Diese Woche begann mit einer überaus frohen Kunde: Luxemburg hat einen neuen Erbprinzen. Und die Leitmedien eine angenehme Ablenkung von der sich immer noch hinziehenden Pandemie. Charles Jean Philippe Joseph Marie Guillaume heißt der Thronfolger in spe. Was der frisch gebackene kleine Prinz aber leider noch nicht weiß: Sein Leben ist bereits verplant und seine Karriere vorgezeichnet. Großherzog und Staatsoberhaupt eines kleinen, endroyalen Landes im Herzen Europas wird er einmal sein. Daran führt nahezu kein Weg vorbei.
Obwohl: Wenn der kleine Charles etwas Glück hat, dann ergeht es ihm wie seinem Namensvetter in England. Ein Leben lang Thronfolger, alle royalen Vorzüge, ohne die lästigen Verpflichtungen als Staatsoberhaupt. Das hätte doch auch was für sich. Mit etwas Glück schaffen es seine Großeltern aber auch noch, sich gegen die Reformpläne der Regierung zu stemmen und die ganze Monarchie abzuschaffen. Im Namen der Freiheit für den Enkelsohn, versteht sich.
Franz, der wahre Kapitän
Nicht wie ein Baby-Prinz ohne wirkliche Wahl, sondern eher wie ein Schiffskapitän in einem tosenden Sturm, fühlt sich dagegen Franz Fayot. „Je me considère comme un capitaine de navire qui traverse une sérieuse tempête“, sagte der Wirtschaftsminister seinem Magazin des Vertrauens „Merkur“. Hört sich mächtig wichtig an. Und in der Tat: Fayot beweist in diesen Tagen wahre Führungsstärke zur Rettung der Luxemburger Ökonomie.
Nur nach außen lässt der Kapitän natürlich den Anschein erwecken, als würden seine Parteifreunde, Lieutenant Dan und Steuerfrau Paulette, diese Krise managen. Matrose und Obertrompeter Xavier macht der Kapitän-Vergleich von Franz sicher auch nichts aus. Der „Premier“ ist wahrscheinlich nur etwas neidisch, dass ihm die überaus originelle Boot-Metapher nicht selbst eingefallen ist.
Im Interview mit „Merkur“ haut der Wirtschaftskapitän aber noch weitere Hämmer raus. Eine Folge der aktuellen Krise sei etwa, dass der Sozialismus gestärkt daraus hervorgehen werde, so die exklusive Prognose des Kapitäns. Apropos: Um in der Hauszeitung der Handelskammer nicht seine Street credibility beim Sozenvolk zu verlieren und gleichzeitig seinem Ruf als humorlosem Technokraten entgegenzuwirken, sagt Fayot denn auch noch: „Je suis socialiste par conviction.“ Wir haben es schon immer gewusst!
Integraler Schwachsinn
Viel Überzeugungskraft müssen in diesen Tagen auch die leidenschaftlichen Gegner des Corona-Lockdown aufbringen. Endlich müssen die Luxemburger dabei nicht mehr nur ins Ausland schauen, um sich die Argumente der Verschwörungstheoretiker zu Gemüte zu führen. Dass das Coronavirus halb so wild, nur eine Grippe und letztlich „Fake news“ ist, wussten nämlich nicht nur Donald Trump und Xavier Naidoo. Nein, auch der Koordinator der PID, jener fast in Vergessenheit geratenen „Partei fir integral Demokratie“, weiß, wo es wirklich lang geht.
Wussten Sie etwa, dass das mit dem Coronavirus anscheinend alles nur ein Märchen ist, das sich Virologen, Politiker und andere geheime Kräfte ausgedacht haben, um dem Volk per Impfstoff Schwangerschaftshormone zu injizieren? Klingt komisch bis haarsträubend, ist es auch. In einem äußerst professionell gestalteten Video macht sich die PID, die Partei mit der kritisch dreinschauenden Wespe im Logo, diese Hirngespinste dennoch zu eigen.
Welche Kompetenz hat Christian I. für solche bahnbrechenden Behauptungen? Er nutze seit drei Jahren den größten Teil seiner Freizeit, um sich „aus vielen verschiedenen Quellen“ zu informieren. Das muss als Überzeugung aber auch reichen. Die PID ruft das wahre Volk denn auch auf, sich „aus alternativen Quellen“ zu informieren und gegen die Regierung „Widerstand“ zu leisten. Neuwahlen, sofort! Was sonst?
Das „kritische“ Video, in dem es vor „Hinweisen“ und angedeuteten „Beweisen“ für die Verschwörung von Bill Gates, Christian Drosten und Co. nur so wimmelt, wurde bis zum Wochenende übrigens sage und schreibe 394 Mal aufgerufen. Fehlen noch 61 Klicks und das Video hat die atemberaubenden Höhen des persönlichen Resultats des PID-Volks(ver)führers bei den vergangenen Wahlen erreicht. Die Regierung bibbert bereits vor Angst vor der sich anbahnenden Aluhut-Revolution – so heißt es zumindest aus höchst alternativen Informationsquellen, die nicht von der allmächtigen Weltregierung zensiert werden und die wir seit knapp drei Jahren in unserer Freizeit verfolgen.
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