Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Jedes Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: kriselnde Kräuselköpfe und ein Hipster-Jang.

So langsam endet der Lockdown, doch wann genau – da schweigt der Premier vielsagend. „Wéi gesot…“, das mit der Corona-Krise ist „net sou evident“. Selbst wenn RTL-Moderatorinnen den Premier der Herzen hart in die Zange nehmen, sagt er viel, aber doch irgendwie nichts. „Wéi gesot…“ „An ech soen et nach eng Kéier…“

Dabei wäre jetzt eigentlich die Zeit für Xavier Bettels Königsdisziplin: Brücken bauen. Nicht nur zu unseren europäischen Nachbarn. Nein, auch die Wirtschaft erwartet sich endlich Brücken, die zurück ins profitable Alltagsgeschäft führen. „Wéi gesot“, noch ein wenig Geduld. Dann aber wird die Zeit kommen, in der wir wieder alle fröhlich mit dem SÜVchen im Stau stehen, einen Cappuccino bei Oberweis schlürfen und die neue Louis-Vuitton-Kollektion shoppen können.

Erst zum Frisör, dann in die Rezession

Und, nicht zu vergessen: Bald dürfen wir alle vielleicht auch wieder zum Frisör. Pierre aka „Mister Triple A“ Gramegna freut sich schon: „Ech kréien meng Krauselen net méi dominéiert. E schéine Bonjour u mäi Coiffer!“, scherzte der Finanzminister diese Woche im RTL-Interview. Beim Smalltalk mit dem Frisör seines Vertrauens kann er dann auch schon mal die düsteren Prognosen für Luxemburgs Wirtschaft besprechen. Fünf Milliarden Euro Defizit im Staatshaushalt, Rückgang der Wirtschaftskraft um sechs bis zwölf Prozent: „Lëtzebuerg ass gutt opgestallt“, sagt der Minister mit dem wuchernden Krauselkapp.

Apropos wuchernd: Der Finanzminister will jetzt ganz streng gegen Steuersünder vorgehen. Naja, „jetzt“ heißt: Mit der Steuerreform, irgendwann nächstes Jahr, oder so. Dabei dachten wir immer, dass es hierzulande nur brave Bürger gibt, die wie selbstverständlich ihren fairen Beitrag zum Erhalt des Nationalguts „Triple A“ leisten. Nix mit Nummernkonto in der Schweiz, der nicht deklarierten Erbschaft der Großtante oder der steueroptimierten Zweitresidenz an der Côte d’Azur. Das macht man als Luxemburger doch nicht.

Weniger mit Frisör- oder Steuersorgen als mit hippen Modetrends hat es dagegen Jean Asselborn am Hut. Wer bisher noch zweifelte, ob der Lockdown endlich gelockert werden muss, dem lieferte der Außenminister neue überzeugende Argumente. Einige von uns haben in den vergangenen Wochen wohl mit mancher Routine gehadert, die Körperhygiene etwas schleifen lassen und nur zum Einkaufen richtige Kleidung angezogen. Influencer „Jang“ hat dagegen den Hipster in sich entdeckt und/oder völlig die Selbstkontrolle verloren…

Kein Fake, sondern Screenshot: Facebook/Jean Asselborn

Wir müssen jetzt alle ganz stark sein

Manche Opfer sind aber kaum zu ertragen: Die „Päischtcroisière“ ist abgesagt! (!!) Die Luxemburger Antwort auf das Dschungelcamp fällt dieses Jahr also aus. Diese ultimative Verschärfung der Corona-Krise ist natürlich tragisch für all jene, die ihre Kabine schon gebucht hatten. Aber noch viel tragischer für uns alle, die durch die Tausenden Fotos auf RTL.lu klicken wollten. Die Medienkrise nimmt in Luxemburg geradezu apokalyptische Ausmaße an.

Apropos Medienkrise: Alle Linksintellektuellen und sonstigen „Paafefrësser“ müssen sich wohl oder übel ein neues Feindbild suchen. Das „Wort“ gehört nicht mehr der katholischen Kirche und wird stattdessen belgisch und end-kommerziell. Alle Witze über die „Bistumszeitung“ laufen damit ab sofort ins Leere. Gefühlt der Hälfte aller Luxemburger Satiriker droht die Kurzarbeit.

Doch für alle, die sich jetzt vor dem Ende des Zeitalters der Partei- und Ideologiezeitungen fürchten, bleiben immer noch „Journal“, „Tageblatt“ und „Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek“. Bei Redaktionsschluss standen diese Traditionstitel jedenfalls nicht im Verdacht, das akute Interesse von ausländischen Investoren auf sich zu ziehen.

Zwei Iron Ladies, ein Staatschef

Es sind sowieso harte Zeiten für das alte Luxemburg bestehend aus Wort, Haff und CSV-Staat. Das Wort hat sich verkauft, die CSV ist schon lange kein Staat mehr und hat jetzt auch offiziell als Opposition abgedankt. Und am Hof … naja, Sie wissen schon.

Es ist auf Schloss Berg wie im richtigen Leben: Wenn die Männer versagen, muss halt eine Frau ran. Das dachte zumindest Maria Teresa. Ihr ziemlich bester Feind Xavier dachte aber eher, dass die Lage so dramatisch ist, dass es noch eine zweite Iron Lady braucht, die den armen Heng herumkommandiert. Auf jeden Fall: Luxemburg hat seine erste Hofmarschallin.

Allerdings waren die Medien leicht mit der weiblichen Form dieses uralten Standes überfordert. Als man sich den Titel am Hof von Karl dem Großen ausdachte, konnte ja wahrlich niemand ahnen, dass eines Tages Frauen auf solche Posten kommen könnten. Und so siechen das Patriarchat und Luxemburgs guter konservativer Ruf langsam dahin. Kaum auszudenken, was als nächstes kommt …


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