Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Strippenzieher, Co-Piloten und verschmuste Revolutionäre.
Diese Woche mussten wir alle ganz tapfer sein. Denn der wohl wichtigste Pfeiler im komplexen Gefüge des Luxemburger Staates aka Kabinettschef des Premierministers bricht weg. Paul Konsbruck will sich einer „neuen Herausforderung“, und dann noch „außerhalb des Öffentlichen Dienstes“, widmen.
In einem Kommuniqué macht Konsbrucks Chef Xavier Bettel freilich gute Miene zum bösen Spiel und wünscht seinem langjährigen „Chief of Staff“ alles Gute. Doch insgeheim trauert der Premier, genauso wie alle Journalisten des Landes. Denn niemand konnte ein „Kein Kommentar“ so nett und sympathisch in einen minutenlangen Monolog verpacken wie der Spin doctor der Herzen. #Sad
Apropos sympathisch: Wie lernt man eigentlich, Kabinettschef des wichtigsten Premiers eines Großherzogtums zu sein? Braucht es Jahrzehnte an Erfahrung in Toppositionen des Luxemburger Staates? Ist es eine Frage der Führungskompetenz, der Weisheit oder des Durchsetzungsvermögens? Paul Konsbruck, ehemaliger Chief Investigative Correspondent bei „Eldoradio“, hat da einen Tipp für seinen Nachfolger: „Bon, ça a l’air un peu débile, mais j’ai regardé toutes ces séries télévisées politiques comme West Wing ou Borgen“, vertraute er der „Land“-Journalistin Josée Hansen bereits 2014 an.
Von Borgen zu House of Cards
Apropos Nachfolger: Jeff Feller, bisheriger Fraktionssekretär der Premierpartei, soll nun an Konsbrucks Stelle zum Chefberater des Premiers aufsteigen. Es dürfte ein nahtloser Übergang werden, denn nicht nur geografisch ist die Distanz zwischen DP-Fraktion und Staatsministerium überschaubar.
Interessant dürfte allerdings sein, an welchen Politserien sich Jeff Feller für seinen neuen Job inspirierte. Borgen und West Wing sind nämlich schon länger out. Der DP-Spin-Doctor-in-spe gehört eher zur Generation von House of Cards. Wir freuen uns demnach schon auf raffiniertere Intrigen, deutlich mehr Action und ein äußerst abruptes, improvisiertes Serienende. Allerdings: Bis dahin müssen wir ganze sechs Staffeln durchhalten und in der Realpolitik gibt es bekanntlich kein Binge-watching. Also: #StayTuned
Aber nochmal kurz zurück zu Paul Konsbruck, den es zu „LuxConnect“ zieht, einem Unternehmen, das … Ja, was es genau macht, wissen wir auch nicht genau. Irgendwas mit Datenzentren und „Dark Fiber“. Aber auch eh zweitrangig, man kann sich da ja schnell einarbeiten.
Falls sich Konsbruck für seinen neuen Job auf ähnliche Weise vorbereiten will wie für seinen letzten, hätten wir allerdings einen Tipp. „The IT Crowd“ präsentiert, wie man zum Nerd-Versteher wird (wenn man Xav-Versteher war, dann wird das sicher klappen). Der Germanist Konsbruck kennt sich ja auch nicht so mit Switches und „Tier 4“ aus. Denn wie Angela Merkel es formulierte: „Das Internet ist für uns alle Neuland“. Aber die Serie zeigt, dass man das alles lernen kann. Und auch den deftigen Charme der ITler schätzen lernen kann.
Pierre, der Copilot
Aber eigentlich war der Kabinettschef auch ein bisschen überflüssig. Denn Übersetzer und „Enforcer“ des Premiers ist längst der transparenteste Finanzminister des Erdkreises, Codename „den Escher Jong“. Er verteidigt seinen Chef gegen so finstere Gestalten wie den „roten Dan“. Nach dessen Forderung einer „Corona-Steuer“ für Krisengewinnler gefragt, sagte Pierre Gramegna „Nö“.
Ganz nach dem Motto: „Xav, ich habe Dan Kersch geschrumpft.“ Dabei hatte Vizepremier Dan noch dem „Land“ gesagt, wer seine Corona-Steuer nicht toll finde, solle sich einen anderen Vizepremier suchen. Zeigen gilt, sagen wir.
Dass sich Xav I. von seinem Premier-Wahlverein „Kapitän“ der Regierung nennen lässt, gefällt Pierre natürlich auch. Seine eigene Rolle sei jedoch die des Copiloten. Also quasi Vizepremier der Herzen. Aber eines muss man dem bodenständigen „Escher Jong“ lassen: Von politischer Kommunikation versteht er etwas. Wer sich beklagt, dass sich junge Familien kein Eigenheim leisten können, den belehrt Gramegna, dass er sich als junger Beamter auch nichts leisten konnte. Weil er so viele Steuern zahlen musste. #TotalUnfair
Die Revolution wird totgekuschelt
Nicht nur Gramegna wusste: Die Bourgeoisie und die Konterrevolutionäre wurden blass vor Wut und Angst, wenn sie die Rednertribüne betraten – so sehen sich David Wagner und Marc Baum zumindest selbst. Aber wie das so ist: Die Selbsteinschätzung von Politikern ist in Luxemburg nicht immer so ganz nahe an der Realität.
Als Marc und David nun Nathalie und Myriam Platz machten, wollte der Klassenfeind … Selfies mit ihnen. Sowas aber auch.
Gilles Baum – mit Krawatte auf Trump-Länge – fragte nach den besten Rhetorik-Tricks, er tue sich da etwas schwer. Den Selfie mit Marc und David kommentierte er: „So long, guys – Hasta la revolución siempre!“ #Haha
Genauso locker flockig der Spruch des christlich-sozialen Insta-Königs Paul Galles: „A little bit like brothers from pretty different mother.“ #Höhö
Viel zu trocken dagegen der Spruch der Selfie-Queen Djuna: Sie bedankt sich für den „kritische Geescht“ und „pertinent Interventiounen“. Ganz nach dem Motto: Ihr seid toll und habt gute Ideen, aber wir stimmen trotzdem gegen jeden Text, den ihr im Parlament vorlegt. Aus Prinzip, weil wir sind ja in der Regierung, wie es Djuna gerne formuliert.
High Times in der Chamber
Vergessen Sie schnöde Homestorys oder Fotos mit Adoptivtieren. Wer heute als Politiker etwas auf sich hält, der antwortet möglichst lässig auf die moderne Gretchenfrage: Wie hast Du’s mit dem Gras? Längst vorbei sind die Zeiten, als Bill Clinton herumdruckste, ja er habe schon einmal an einem Joint gezogen, aber auf keinen Fall inhaliert. Obwohl: Mars di Bartolomeo kommentierte eine alte Fotomontage des „Essentiel“, die ihn mit einem Joint zeigt: „Gutt gemat an dat bei engem Kärel deen nach nie e Strapp un engem Joint gezunn huet …“
Spätestens seit Barry Obama und Elon Musk sind Kiffer aber echt coole Leader. Auf der verzweifelten Suche nach dieser Coolness war diese Woche auch Sven Clement. Bei der Legalisierungsdebatte in der Chamber fragte er chillig in die Runde: „Wee vun eis hei bannen huet nach keng Wick gefëmmt?“ Prompt ergriff André Bauler (DP), der übrigens auf die Frage von Sven Clement pflichtbewusst die Hand gehoben hatte, die Gelegenheit und erkundigte sich nach Clements eigenen Kiffgewohnheiten.
Und die Antwort des freshen Politbros? Ein lässiges „Ich kiffe und das ist auch gut so“? Ein kecker Griff in die Sakkotaschen und vor dem versammelten Parlament eine Tüte durchziehen? Nein, Clement outete sich dann doch als Mainstream-fähiger Streber: „Här Bauler, ech hunn Iech grad gesoot, dass ech dat hei op der Tribün net soe kann, well ech mech soss potentiell kéint enger Stroof aussetzen.“ So geht richtige Lässigkeit. Die Piraten enterten feindliche Schiffe früher bekanntlich auch erst nachdem sie sich nach der Feuerversicherung erkundigt hatten.

Auf völlig legale Bewusstseinserweiterung setzte diese Woche derweil Lex Delles (DP). Denn der liberale Tourismusminister hat für uns die „Sky Swing“ getestet. Eine Schaukel mit Virtual-Reality-Brille, mit der man ganz legal durch Luxemburg trippen kann. Wir ziehen unseren Hut vor so viel Innovationsgeist. Schließlich sind Legal Highs ein richtiger Wachstumsmarkt, und neue Nischen für Luxemburg zu finden, liegt bekanntlich in der DNA der DP. Oder wie es Pierre Gramegna wohl ausdrücken würde: Der Lexy hat zur Sicherheit bis auf Weiteres im Cockpit nichts verloren.
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