Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: „Däreg Dossieren“ und alternative grüne Universen.
Wagemutig ließ sich Xavier Bettel diese Woche mit AstraZeneca impfen. Schnell noch den Bizeps angespannt fürs Foto und schon ist es geschafft. Glücklicherweise hatte der Xav dem Henri verboten, sich vor den Kameras impfen zu lassen. Sonst wäre der Bizeps-Wettbewerb „Wer ist hier der Boss?“ wohl schlecht ausgegangen. Aber so ist alles gut. Denn wie die Satire-Kollegen des „Postillon“ berichten, stellt sich der volle Impfschutz erst ein, wenn man Bilder von der Impfung auf den sozialen Medien postet. Der Premier ging da lieber auf Nummer sicher und lud die gesamte nationale „Presse image“ ein. Was Djuna Bernard, Sven Clement und all die anderen, die sich schon seit der Grundschule als nächste Premiers fühlen, etwas neidisch machte. #Sad
Tatsächlich hat das Impfangebot den liberalen Langzeitpremier schon deutlich entspannter gemacht. Während er sonst über die leiseste Kritik der Opposition stundenlang lamentieren kann, lässt die komplette Infragestellung der Regierungspolitik durch die sehr „kompetente“ Christianne Wickler ihn völlig kalt. Vielleicht weil die Makadam- und Tankstellen-Erbin immer so höflich grinst und sowieso ein Problem der Grünen ist und nicht seines. Vielleicht auch, weil die „Unkontrollierbare“ (Wickler über Wickler) eine politische Zeitbombe ist, die die Grünen rechtzeitig vor den Wahlen auf liberal verträgliches Normalmaß zurechtstutzen wird.
Schwurbel-Hymne
Doch die selbst ernannte Mick Jagger der Grünen ist nicht allein. Der Volksmusiker für das Luxemburger Erbreichtum, Serge Tonnar, macht aus dem Schwurbeln gleich ein Lied. Zitat: „Well ech däerf net op d’Belsch Plaasch, dat ass kee Witz.“ Belohnt wird er stattdessen mit dem ersten Test-Konzert in der Rockhal. Dabei dürfte sich so mancher Fan des bärtigen Edelbarden wohl daran stören, dass er oder sie sich mit dem Kauf des Konzerttickets zum zweimaligen Testen verpflichtet. Pfff, wat ee Fäertaasch. Dabei gibt es doch gar keinen Grund zur Angst, Panik oder Vorsicht vor diesem „Virus“, wie schon Christianne Wickler wusste.
„Gëtt et iwwerhaapt eng endgülteg Wourecht, ass et jee eng ginn?“, philosophiert Tonnar dann noch auf Bopebistro-Theken-Niveau. Dort fühlt er sich bekanntlich wohl. Aber Achtung: Das Lied „Fäertaasch“ könnte Ironie enthalten, warnt der Songwriter mit der Vorliebe für deftig-explizite Metaphern. Manche Zeile seines Meisterwerks enthält aber ein Fünkchen Wahrheit, also wenn es denn je eine gab: „Beschütz mech vru mir selwer. Well ech dat nach net kann.“
Däreg Dossieren
Journalisten der Mainstream-Medien finden bei Frau Wickler und Herrn Tonnar ja wenig Gnade. Die Querdenker mit oder ohne Augenzwinkern verlassen sich lieber auf die anerkannten Forschungsarbeiten und Investigativstücke der Youtube-Akademie. Aber so langweilig, wie manche meinen, ist die Luxemburger Medienlandschaft nicht. Bald startet nämlich ein neues Online-Outlet des „Nol op de Kapp“-Urgesteins Marc Thoma, wie jüngst das „Land“ berichten konnte. Der Name, so hätte man nach einer kurzen Recherche zu diesem „däregen Dossier“ herausfinden können, hat es in sich: „News of Luxembourg“ – kurz Nol. Nein, das ist kein Witz, sondern eine reguläre „Société anonyme“.
Marc Thoma will also künftig eigenständig, ohne Rücksicht auf die Vorgaben seines bisherigen Kirchberger Arbeitgebers, die Nägel auf die Köpfe hämmern. Viel mehr ist über den neuen Stern am digitalen Medienpluralismus-Himmel noch nicht bekannt. Vielleicht ist „News of Luxembourg“ aber der richtige Ort für die Empörungskampagne von „Iron Lydie“ und ihren hauptstädtischen CSV-Fanboys. Denn RTL scheut sich noch, als Vollziehungsgehilfe herzuhalten. Die Gutmenschen der RTL-City und des Geheimsenders 100,7 glauben nämlich nicht, dass es jeden Tag zu Mord und Totschlag in der Garer „Hell’s Kitchen“ kommt.
Alternative Universen
Aus der gewöhnlichen Presse kann man aber durchaus etwas erfahren. Etwa, dass Christianne Wickler nicht nur einen Supermarkt, sondern auch eine Super-Webseite verwaltete. Dem grünen Vizepremier François Bausch war das irgendwie entgangen. Das „Tageblatt“ musste das ganze noch mal aufkochen, damit auch der letzte grüne „Pater familias“ es mitbekommt.
Man muss es dem mächtigen Minister aber verzeihen, denn er lebt schon länger in einem alternativ-grünen Universum. Zumindest scheint es so, denn Bausch hält am Montag eine Veranstaltung mit dem Titel ab: „Das Autoland Luxemburg steuert um und gibt der Schiene den Vorrang. Wie wird dies im Ausland gesehen und ist dies auch in anderen Ländern möglich?“
Ja, es ist tatsächlich so, dass Autos quasi aus Luxemburg verschwunden sind und jeder nur noch auf der Schiene rumbrettert. Wenn Sie das noch nicht gemerkt haben, leben Sie im falschen Universum. Wir freuen uns an dieser Stelle schon auf die kommenden extrem glaubwürdigen politischen Events: „Parteifinanzen für Fortgeschrittene“, im CSV-Generalsekretariat mit Gastdozenten aus der Kriminalpolizei. „Wie Luxemburgs Tanktourismus das Klima rettet“, auf der Aire de Berchem mit Claude Turmes. „Wie Luxemburg seit Jahrzehnten zur globalen Steuergerechtigkeit beiträgt“, eine Radtour zu den schönsten Briefkästen des Landes mit Jean Asselborn und Pierre Gramegna.
Die etwas einseitige, durchaus alternative Sicht auf das Land ist auch schon längst auf den grünen Co-Präsidenten Meris Sehovic abgefärbt. Er entdeckte diese Woche, dass Amazon nicht wegen der Mehrsprachigkeit, der feministischen Außenpolitik oder der sozialen Klimapolitik in Luxemburg ist, sondern um Steuern zu sparen. #Whaaaat?!
Völlig überraschend und total skandalös, findet das nicht nur der kleine, die reale Welt noch entdeckende Meris. Aber ernsthaft: Konzerne, die durch semi-legale Tax-Haven-Tricks quasi keine Steuern zahlen – Da müsste mal einer was dagegen unternehmen! Eine Regierungspartei zum Beispiel. Co-Präsidentin Djuna Bernard ist zwar nur im Parlament (für Blau-Rot-Grün heißt das aber: in der Regierung) und will den netten Pierre aus dem Finanzministerium mal darauf ansprechen. Aber ohne Garantie!
Ein Minister in seinem Element
Apropos „lasst uns mal darüber reden“: Claude Meisch hat endlich die Rufe der Lehrer, Eltern und Schüler nach mehr Dialog und Mitbestimmung gehört. Der Publikumslieblingsminister nimmt am 12. Mai an einer etwas veralteten Tradition teil: ein Ted-Talk. Unter dem Titel „Education with passion“ laden die Organisatoren (darunter das Bildungsministerium) den Bestseller-Autor von „Staark Kanner – Eng Häerzenssaach“ ein.
Während 18 Minuten darf der Minister auf Englisch eine „punchy presentation“ halten und seine Erfahrungsberichte im Bildungsbereich schildern. Wir wissen bereits: Claude Meisch wird exklusive Einblicke liefern, warum man sich in den Schulen wirklich nie mit dem Virus anstecken kann und wie man Lehrergewerkschaften ausschaltet, indem man ihre interne Zerstrittenheit ausnutzt. Der Minister kann bei dem Vortrag so richtig aufblühen, denn mit dem Format ist er äußerst gut vertraut. Bei Ted-Talks sind anschließende Fragen nämlich nicht erlaubt. #Smart
Unter den geladenen Gästen befinden sich natürlich keine bekannten Kritiker des aktuellen Bildungssystems. Nach dem Minister darf etwa Jos Bertemes reden, ehemaliger hoher Beamter im Bildungsministerium. Es verspricht also spannend und kontrovers zu werden. Das Ganze wird übrigens live übertragen „throughout the Grand Duchy of Luxembourg and beyond“. #NoJoke
Die schönste Geburtstagsparty
War sonst noch was? Ach ja, Feiern ist wieder erlaubt! Am 5. Mai verschickte das Finanzministerium nämlich eine Pressemitteilung, in der es den einjährigen Geburtstag des ersten staatlich garantierten Kredits an eine Firma feiert. Die Kredite seien ein „franc succès“, so die Pressemitteilung. Pierre Gramegna hat sich bei der Gelegenheit auch bei den Banken bedankt, die diese unglaubliche Leistung ermöglichten. Sie sind denn auch die wahren Helden dieser Pandemie.
Angeblich arbeitet auch das Gesundheitsministerium an einer neuen Pressemitteilung. Thema: Ein Jahr „Déconfinement“. Paulette Nationale lässt dann die unvergesslichen Momente der ersten Restaurantöffnungen Revue passieren. Es gibt sie also noch, die guten Nachrichten in der Pandemie. Und genügend Gründe, um die Regierung mal so richtig abzufeiern, allemal.
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