Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Unendlich viele Gründe, um keine Politik zu machen.

„Et huet sech vill verännert zanter dem Ufank vun der Pandemie“, sagte der Premier diese Woche in seiner Rede „zur Lage der Nation“. Verändert haben sich die Zahlen, die Erkenntnisse, das Land und auch die Menschen. Wer hätte es ahnen können?

Und auch die Politik hat aus dem Jahr des Coronavirus gelernt. Zum Beispiel, dass es anscheinend dringende Probleme gibt, die einer Lösung bedürfen. Es geht dabei nicht nur um die Rettung von Menschenleben, sondern auch um „Gerechtigkeit“, „Moral“ und um „Anstand“, sagte Xavier Bettel. Gemeint sind die „Stock options“ und „d’FISen“, die nun abgeschafft bzw. ersetzt bzw. stärker besteuert bzw. irgendsowas eben werden – was genau, wissen wir auch noch nicht. Aber immerhin, besser als nichts.

An dieser Stelle endet aber schon der politisch-moralisch begründete Tatendrang der Koalition. Denn nachdem der Premier die Lage der Nation umreißen und Handlungsfähigkeit beweisen wollte, ruderte der liberale Spielverderber-in-Chief am nächsten Tag kräftig zurück. Die Koalition sei zwar noch immer absolut awesome, sagte Pierre Gramegna. Das sehe man etwa an den „Rekord-Investitionen“. Die Rekord-Verschuldung versteht sich da quasi von selbst, also kein Grund darauf näher einzugehen. Und überhaupt gelte: „Dëst ass en aussergewéinleche Budget fir aussergewéinlech Zäiten.“

Außergewöhnlich aussagekräftig: Finanzminister Pierre Gramegna. (Screenshot: Twitter.com)

Außergewöhnlich heißt aber auch, dass man zwar in Rekordhöhen investieren muss, aber ansonsten die Kirche doch bitte im Dorf lassen sollte. Also zumindest bei Forderungen, die der Partei des Premiers und des Kassenhüters nicht in den Kram passen.

Dazu gehören Steuererhöhungen, klar. (Außer vielleicht eine CO2-Steuer.) Aber auch Steuersenkungen. (Außer vielleicht zum Ausgleich der CO2-Steuer.) Und überhaupt Steuerreformen. (Außer vielleicht für die anderen steuerlichen Maßnahmen, die der Premier am Dienstag ankündigte.) Für all das ist jetzt einfach „net de Moment“, sagt der Minister mit den außergewöhnlichen Twitter-Memes, die einfach zu schön sind, um Satire zu sein.

Kein Moment für nichts: Pierre Gramegna, Minister für Finanzen, Budget und Realsatire (DP). (Screenshot: Twitter.com)

Net de Moment fir … Impfstoffe

Für eine Sache wäre dann aber vielleicht doch „de Moment“: Für ein wenig Hoffnung, um einen Weg aus der außergewöhnlich nervigen Dauer-Pandemie zu finden. Das dachte sich auch der Regierungschef, als er einfach mal in seiner Rede rausposaunte, dass „éischt Vaccin’en schonn am Dezember kéinten disponibel sinn“.

Dass der Zeitpunkt für die Verfügbarkeit eines Sars-CoV-2-Impfstoffes immer noch unklar ist, dessen dauerhafte Wirksamkeit ebenso, und dass Luxemburg hier ohnehin auf die EU angewiesen ist, weiß zwar auch Xavier Bettel. Aber das sind noch lange keine Gründe, um diese höchst spekulative Hoffnung einfach mal in das Manuskript für seine wichtigste Rede des Jahres zu schreiben.

Beim EU-Gipfel in Brüssel musste der Premier dann aber einräumen, dass seine Ansage im „Etat de la Nation“ wohl etwas verfrüht war. Oder wie die Anhänger der alten Schule wohl sagen würden: falsch.

Screenshot: Twitter.com

Es könnte natürlich noch länger als Dezember dauern, bis ein Impfstoff da ist, sagte Bettel also. Er habe auch versucht, diese Frage Ende der Woche beim EU-Gipfel an die Frau, also die Kommissionspräsidentin, zu bringen. Ursula von der Leyen war aber „net méi do“, weil in Quarantäne. Da kann man nun wirklich nichts machen.

Ja, aber nein, aber vielleicht: Erst mal einen raushauen und dann kleinlaut bei der Chefin nachfragen, ob es denn wirklich so ist – auch wir finden: Das ist ein wahrlich außergewöhnlicher Führungsstil für außergewöhnliche Zeiten.

„Et ass net de Moment, fir…“ mit der Kommissionspräsidentin über den Impfstoff zu sprechen … (Foto: Europäischer Rat, 15/10/2020)

Net de Moment fir … Debatten

Dieser außergewöhnlicher Führungsstil scheint allerdings nicht jedem zu gefallen. Die Oppositionsparteien kritisierten diese Woche, dass der Premierminister ohne Debatte im Parlament die „Maison du Grand-Duc“ umorganisiert hat. Die Abgeordneten hätte man somit „mundtot“ gemacht, so Martine Hansen. Was die CSV-Fraktionschefin allerdings nicht ahnen konnte: Manche Abgeordnetenkollegen scheinen sich in ihrer Unmündigkeit ganz wohl zu fühlen.

„Ech gesinn hei ee Premier, deen Neel mat Käpp gemaach huet“, sagte Djuna Bernard (Déi Gréng) vor der Kamera von RTL. Also alles supi, kein Grund für weitere Fragen, großes grünes Pfadfinderehrenwort. Sowieso gab es ja diese Woche schon genug Debatten im Parlament, da kann man doch alles ansprechen. Oder auch nicht. Und überhaupt, so Djuna Bernard.

Nur blöd eben, dass im Fall der „Maison du Grand-Duc“ jegliche Debatte etwas von „Moutarde après dîner“ hat. Aber sei’s drum. Auch wir finden: Etwas mehr blindes Vertrauen in die Regierung, liebe Volksvertreter! Nur nicht zu selbstbewusst die Kontrollfunktion des Parlaments ausüben. Nicht, dass Xav und Fränz noch sauer werden.

Ee Moment …

Etwas sauer schien am Freitag auch der Bildungsminister. Keine Angst, nicht weil Abgeordnete der Koalitionsparteien Debatten führen wollten. Nein, es geht um den skandalösen Eindruck, dass man sich in Luxemburgs Schulen vermehrt mit dem Coronavirus anstecken könnte. Und dass diese Infektionen dann auch noch tendenziös von der eigenen Regierung so dargestellt werden…

Screenshot: Twitter.com

Claude Meisch setzte sich durch, sodass die Regierung am Samstagnachmittag ein Kommuniqué mit einigen „Précisions quant au taux de cas positifs liés à l’éducation“ verschickte. Darin heißt es, dass die 12 Prozent Positive nicht nur Schüler, sondern auch Luxemburger Studenten aus dem In- und Ausland seien. Seit über einem Monat habe es in den Schulen des Landes zudem „keine größeren Infektionsketten“ gegeben. Also, auch hier kein Grund zur Sorge.

Das gilt allerdings nicht nur für die Schulen, sondern generell. Wie der Premier und die Gesundheitsministerin am Samstagabend ankündigten, gibt es in Sachen Corona vorerst nichts anzukündigen. Mehr Home-Office und sich an jene Verhaltensempfehlungen halten, die wir alle seit geraumer Zeit halbherzig verinnerlicht haben, heißt die Devise.

Oder wie es Pierre Gramegna wohl ausdrücken würde …

Achtung: Satire

 


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