Ein anderer Wochenrückblick ist möglich: Pünktlich zum Wochenende blickt die REPORTER-Redaktion mit einem Augenzwinkern auf jene Themen zurück, die uns und die Medien insgesamt beschäftigt haben. Diese Woche: Unverantwortliche Staatschefs und glaubwürdige Integrität.
Xavier is King. Am Mittwoch zeigte der Premier es allen. Die Reformen aus dem Waringo-Bericht werden tiefgreifend, ja quasi revolutionär. Er allein befördere die Monarchie aus dem 19. in das 21. Jahrhundert, so Xavier Bettels bescheidene Einschätzung. Vor dem Mikrofon von „Radio 100,7“ sagte er dann auch das, was viele bereits ahnten: „Wéi der jo wësst, ass den Haff irresponsabel.“ Er alleine habe deshalb die politische Verantwortung für das Geschehen im großherzoglichen Palast. „Moi, Grand-Duc…“
Dass der Premier im Affekt die doppeldeutige Formulierung „irresponsabel“ mit der doppeldeutigen Formulierung in der Verfassung „inviolable“ verwechselte, ist natürlich nur ein Bettel’scher Versprecher. Wie unverantwortlich der Hof in den letzten Jahren agierte, weiß aber auch Léon Gloden. Der Großherzog prägte jahrzehntelang quasi persönlich Münzen in seinem Keller. Heute mache der Großherzog das ja nicht mehr, so der CSV-Abgeordnete, so dass man jene Passage mit mehr als einem Jahrhundert Verspätung auch mal aus dem Grundgesetz streichen kann.
Kein Geld mehr drucken, kein Personal mehr ohne Erlaubnis des wahren Monarchen einstellen oder rauswerfen: Überhaupt darf Henri bald gar nichts mehr. Nicht mal mehr den Krieg erklären, wie es ihm laut Luxemburgs ultramoderner Verfassung eigentlich immer noch zusteht. Es gibt mindestens eine Großherzogin auf der Welt, die das nicht gut findet. Tatsächlich wurde diese Woche von der Justiz hochoffiziell bestätigt, dass Maria Teresa eine sehr harmoniebedürftige Frau ist. Auf keinen Fall habe einer ihrer Mitarbeiter „eng an d’Schnëss“ bekommen. Also, es hat sich zumindest niemand beschwert.
Fern gratuliert der Volksrepublik
Apropos lupenreine Demokratien. Die Volksrepublik China feiert ihren 71. Geburtstag und der erste Teleprompter-Ableser des Landes, aka Fernand Etgen, gratuliert artig. „Zusammen werden wir die menschliche Würde und den Respekt demokratischer Werte verteidigen“, flötet er in bestem Schulfranzösisch in die Kamera. Seine herzlichen, fast, also wirklich nahezu auswendig gelernten Glückwünsche an seinen Kumpel Xi Jingping wurden zum Glück für die Ewigkeit in einem Video festgehalten.
So ist er halt, der Fern, denkt immer an die Geburtstage von stolzen autoritären Staaten. Die hunderttausenden Uiguren, von Xi ins Lager gesteckt, um sich dort brav „umerziehen“ lassen, freuen sich bestimmt auch ganz doll. Aber zumindest sind die Chinesen astreine Kapitalisten, deren Wirtschaft ins Unendliche wächst und deren Banken sich bei uns niederlassen. Das schätzt ein Liberaler wie Etgen natürlich. Und sie bringen immer so tolle Geschenke mit… Deshalb auch von uns, im Namen eines Landes, das zwar einen unverantwortlichen Staatschef, dafür aber absolute Weltklasse-Volksvertreter hat: „Les plus sincères félicitations“.
Vielfliegen für die Glaubwürdigkeit
Viel Grund zum Feiern hat anscheinend auch ein gewisser Yves Mersch. Als Direktor der Europäischen Zentralbank hat man einen prall gefüllten Kalender. Da nutzt man doch jede Gelegenheit, um trotz offiziellen Terminen ein bisschen mehr Zeit mit der Ehefrau zu verbringen. Laut „Spiegel“ nahm Mersch seine Frau mehrmals mit auf Dienstreisen, die EZB bezahlte alles. Natürlich gönnt man sich als Top-Banker (und Banker-Ehefrau) da stets die Businessclass. Die Steuerzahler werden das schon verstehen.
Doch etwas Zeit hat Yves Mersch dann doch noch. Im „Luxemburger Wort“ schrieb der EZB-Direktor an diesem Wochenende (ein Schelm, wer bei diesem Timing Böses denkt) eine „Analyse“ über „Integrität und Kompetenz“ im Bankengeschäft. „Integrität und Kompetenz in der Führungsetage einer Bank gehören zu den wichtigsten Verteidigungslinien im Kampf gegen Misswirtschaft und Betrug. Leider haben diese Verteidigungslinien ihre Schwächen“, so der Ironie-Beauftragte des EZB-Direktoriums im „Wort“.
Wir geben zu: Das ist eine ebenso konsequente wie überzeugende Argumentation. Yves Mersch, der sich für Integrität und gegen Misswirtschaft ausspricht: Das klingt ungefähr so glaubwürdig, wie wenn die CSV, wie diese Woche geschehen, die Regierung fürs Nichtstun in der Wohnungsbaupolitik kritisiert. Oder wie wenn Jean Asselborn sich für eine Erneuerung seiner Partei ausspricht. Oder wie wenn sich Xavier Bettel plötzlich über die Oberflächlichkeit in der politischen Debatte beschwert.
Max Hahn und die rasenden Radler
Aber zugegeben: Es ist ja nicht so, als ob in Luxemburg alles gut wäre. Der liberale Abgeordnete Max Hahn etwa ist einem wahren Skandal auf der Spur. Er warnt die Regierung vor den zahlreichen neuen Fahrradfahrern, die sich aber so gar nicht an den „Code de la Route“ halten würden. Wie alle Profi- oder Hobby-Radler wissen, ist das in der Tat das ultimative Hauptproblem der Verkehrspolitik des Landes.
Dabei ist die Erklärung ganz einfach: Was waren die rasenden Radler bevor sie auf den Drahtesel umgestiegen sind: Natürlich Autofahrer. Und die haben die Vorfahrt bekanntlich eingebaut. Und Max Hahn machte einen entscheidenden Fehler: Er richtete die Frage an Mobilitätsminister Bausch. Dabei weiß der grüne Minister aus eigener Erfahrung genau: Auf dem Rad kommt man in der Hauptstadt nur voran, wenn man die Regeln manchmal leicht dehnt.
Der liberale Harte-Bretter-Bohrer hätte natürlich auch Lydie, Gräfin von Luxemburg, fragen können, warum sie in ihrer Festung keine Fahrradwege will. Denn gute Infrastruktur macht bekanntlich aus jedem Kampfradler einen gemütlichen Flaneur. Aber das Naheliegende ist manchmal doch außerhalb des liberalen Horizontes.