LSAP-Spitzenkandidat Etienne Schneider spricht sich im Live-Interview mit REPORTER offen dafür aus, die aktuelle Dreier-Koalition weiterzuführen – und bietet der DP bereits Kompromisse an. Die Highlights und das Video zum Nachschauen.

„Es gibt kein blau-rot-grünes Projekt mehr“, sagte LSAP-Fraktionschef Alex Bodry vor gut drei Monaten im Gespräch mit REPORTER. Es klang, als wolle er einen Schlussstrich unter die Koalition ziehen. LSAP-Spitzenkandidat Etienne Schneider bietet im Wahlkampf jedoch eine andere Rhetorik auf.

„Ich sehe nicht ein, warum wir etwas an dieser Koalition ändern sollten,“ so Schneider im Live-Gespräch mit Christoph Bumb: „Wenn ich mir unsere Bilanz anschaue, dann lautet das Motto: Never Change a Winning Team.“ Um seine Aussage zu untermauern, fügte der Wirtschaftsminister gleich eine Kampfansage an die CSV und ihren Spitzenkandidaten hinzu: „Ganz ehrlich, Claude Wiseler war zehn Jahre lang Minister, doch heute weiß keiner mehr, welche Ministerien er hatte. Warum sollte alles viel besser gehen, wenn er die Geschicke des Landes jetzt übernimmt?“

Ähnlich wie vor fünf Jahren, ist Schneider damit auch in diesem Wahlkampf, der einzige Spitzenkandidat, der sich offen für eine Dreier-Koalition ohne CSV-Beteiligung ausspricht. Der LSAP-Spitzenkandidat kann sich eine erneute Koalition mit der liberalen DP, trotz verschiedenen inhaltlichen Differenzen, gut vorstellen. Im REPORTER-Gespräch versuchte Schneider der DP die LSAP-Forderung nach einer Reduzierung der Arbeitszeit schmackhaft zu machen.

Kompromissangebot an Xavier Bettel

„Wenn wir uns einigen können, dass wir die Arbeitszeit reduzieren, gleichzeitig aber Betriebe, die damit Schwierigkeiten haben, steuerlich entlasten. Dann hätten wir beide einen Teil von dem durchgesetzt, das wir erreichen wollten,“ so Schneiders Kompromissvorschlag. Auf Nachfrage betonte er, er habe noch nicht mit der DP über einen solchen Vorschlag verhandelt.

Die LSAP fordert in ihrem Wahlprogramm die Arbeitszeit von 40 auf maximal 38 Stunden pro Woche zu reduzieren, ohne dass die Löhne gekürzt werden. DP-Premier und Spitzenkandidat Xavier Bettel hatte eine solche Reform zuvor ausgeschlossen und als „rote Linie“ seiner Partei bezeichnet. Schneider konterte, dass Bettel vor den Wahlen 2013 auch schon ausgeschlossen hatte, überhaupt ein Regierungsamt anzunehmen. Deshalb solle man das mit den „roten Linien“ nicht allzu ernst nehmen.

Wenn man jeden Tag mit Zahlen und riesigen Projekten zu tun hat, dann unterläuft halt auch mal ein Schnitzer.“ Etienne Schneider

Für Etienne Schneider liegt das Hauptverdienst der blau-rot-grünen Koalition rückblickend darin, dass sie das Land aus der schwierigen Lage von 2013 herausgebracht habe: „Damals hatten wir ein Defizit im Staatshaushalt von über 800 Millionen Euro pro Jahr, die Steuereinnahmen durch den elektronischen Handel sind uns weggebrochen, die Arbeitslosigkeit lag bei 7,4 Prozent, und die Wirtschaft wuchs um knapp ein Prozent.“ Die Regierung habe es aber, trotz negativer Prognosen, geschafft, die Wirtschaft anzukurbeln, das Staatsdefizit unter Kontrolle zu bringen, und die Arbeitslosigkeit zu senken.

Beim Referendum von 2015 und den Sparmaßnahmen am Anfang der Legislaturperiode seien der Regierung hingegen Fehler unterlaufen. „Das Referendum kam zu früh nach der Koalitionsbildung. Viele Leute waren damals wütend, dass Jean-Claude Juncker nicht mehr Premier war und die CSV nicht mehr in der Regierung. Das hat sich dann gerächt,“ so Schneider. Beim Sparpaket habe man versucht die Last mit vielen kleinen Maßnahmen über die ganze Bevölkerung zu verteilen. „Dadurch war dann jeder wütend mit uns,“ sagt der Wirtschaftsminister rückblickend: „Wenn ich heute noch ein mal so etwas machen müsste, würde ich es über den Weg einer Steuererhöhung tun. Das wäre einfacher und sozial mehr oder weniger gerecht.“

Mea Culpa für falsche Zahlen

Neben kollektiven Fehlern der Regierung räumte Schneider auch einen persönlichen Fauxpas ein. Der LSAP-Minister gestand, dass er in den letzten Wochen fälschlicherweise behauptet habe, der Jogurtkonzern Fage habe in den vergangenen zwei Jahren 60 Millionen Euro Steuern in Luxemburg gezahlt. Recherchen von REPORTER hatten ergeben, dass der Konzern in diesem Zeitraum nur etwa 450.000 Euro an Steuern zahlte.

Foto: Matic Zorman

„Mea culpa für diese Zahl,“ so Schneider: „Sie können mir glauben: Ich hätte sie nicht genannt, wenn ich nicht überzeugt gewesen wäre, dass sie richtig ist. Aber wenn man jeden Tag mit Zahlen und riesigen Projekten zu tun hat, dann unterläuft halt auch mal ein Schnitzer.“ Die falsche Steuersumme sei ihm von Mitarbeitern zugesteckt worden, und er habe sie nicht persönlich überprüft.

Als Wirtschaftsminister ist es meine verdammte Pflicht, dass die Milliarden, die dafür nötig sind, jedes Jahr in den Staatshaushalt fließen.“Etienne Schneider

Die geplante Jogurtfabrik in Bettemburg steht öffentlich in der Kritik, unter anderem weil für die Produktion große Mengen an Wasser benötigt werden. Doch Schneider steht weiterhin hinter dem Projekt: „Anders als Banken und andere Finanzdienstleister investieren Industriebetriebe Millionen, um ihre Produktion hier anzusiedeln. Sie werden das Land also nicht von heute auf morgen wieder verlassen. Außerdem werden in der Industrie Leute für manuelle Tätigkeiten eingestellt. Das ist wichtig, sonst bekommen wir Probleme mit der Arbeitslosigkeit.“

Ambition Premierminister

Wirtschaftswachstum ist für Schneider unerlässlich, trotz negativen Begleiterscheinungen, wie der Vekehrsbelastung, dem Landverbrauch, und hohen Wohnungspreisen. „Man kann natürlich sagen, man wolle diese Probleme bekämpfen, in dem man das Wachstum stoppt. Das ist als würde man sich den Kopf abschneiden, weil man Kopfschmerzen hat,“ so der Wirtschaftsminister. Das Land brauche Wachstum und Wohlstand, um die hohen Sozialstandards und guten Infrastrukturen aufrecht zu erhalten.

„Wir können unseren Sozialstaat nur absichern, wenn Geld dafür da ist. Und als Wirtschaftsminister ist es meine verdammte Pflicht, dass die Milliarden, die dafür nötig sind, jedes Jahr in den Staatshaushalt fließen,“ sagt Schneider. Es sei aber falsch, dass er deswegen nicht besonders empfänglich für Umweltthemen sei. „Privat bin ich ein umweltbewusster Typ,“ so Schneider: „Ich kaufe bio, trenne meinen Abfall, und fahre nur ein Mal im Jahr mit meinem Rolls-Royce.“

Nach den Wahlen im Oktober würde Schneider allerdings am Liebsten eine neue Herausforderung angehen: Wie schon 2013, macht der LSAP-Spitzenkandidat keinen Hehl daraus, dass er den Posten des Premierministers anstrebt. „Deemools krut ech virgeheit ech wär en arroganten Iesel,“ kokettiert Schneider auf seine Ambitionen angesprochen: „Wahrscheinlich bin ich noch immer arrogant.“