Ein Grundstück für seine Joghurtproduktion in Luxemburg hat Fage bereits 2016 vom Staat erworben. Dabei ist nicht einmal klar, ob der Molkereikonzern eine Baugenehmigung in Bettemburg bekommen wird. Die Prozeduren verlaufen schleppend. Wichtige Fragen bleiben ungeklärt.

Fage. Der weiße Joghurtbecher mit dem blau-roten Logo kommt inzwischen wohl den meisten Luxemburgern bekannt vor. Das liegt jedoch nicht daran, dass das Großherzogtum plötzlich eine Vorliebe für griechischen Joghurt entwickelt hat. Der Name ist ein Hauptthema des Wahlkampfes, wenn es um die Standortpolitik der Regierung geht.

Dass der Hersteller sich in Luxemburg niederlassen will, führt seit Anfang des Jahres immer wieder zum Eklat zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium. LSAP-Minister Etienne Schneider verteidigt die Ansiedlung des griechischen Joghurtproduzenten in Luxemburg. Für Carole Dieschbourg und François Bausch (déi Gréng) ist Fage ein Symptom einer fehlgeleiteten Wirtschaftspolitik, bei der die Umwelt keine Rolle spielt.

Ein Grundstück für 27,6 Millionen Euro

Im Juni 2016 hat der Großproduzent rund 15 Hektar in der gemeinschaftlichen Industriezone „Wolser 1“ der Gemeinden Bettemburg und Dudelange erworben. 27,6 Millionen Euro hat Fage damals für das staatliche Grundstück bezahlt. Das geht aus dem Jahresbericht von Fage International im Unternehmensregister hervor. Das Wirtschaftsministerium bestätigte diese Summe.

Als Etienne Schneider das Projekt im Juli 2016 – also einen Monat später – der Öffentlichkeit vorstellte, sprach er lediglich von einem Investitionsprojekt. Von einem Kauf war nicht die Rede.

Mit der neuen Produktionsstätte will der Betrieb jährlich bis zu 40.000 Tonnen Joghurt herstellen – das ist etwa ein Viertel von dem, was Fage für den gesamten amerikanischen Markt produziert. 100 Millionen Euro will der Konzern investieren. Über acht Millionen Euro soll Fage bereits jetzt für Baupläne und Projektmanagement ausgegeben haben, heißt es im Jahresbericht im Unternehmensregister.

Dabei ist noch nicht einmal klar, ob es jemals zur Grundsteinlegung kommt. Zwar behauptete Etienne Schneider vor einer Woche im RTL-Streitgespräch, die Gespräche zwischen Fage und dem Umweltministerium liefen gut. Tatsächlich bleiben im Dossier noch einige Fragen offen. Der Joghurtkonzern hat noch immer nicht alle geforderten Studien geliefert. Die Prozedur steht still.

Das Trinkwasser wird knapp

Ein Knackpunkt in den Diskussionen ist sicherlich der viel diskutierte Wasserbedarf des Konzerns. Läuft die neue Fabrik auf Hochtouren, soll sie rund 90.000 Kubikmeter Wasser pro Jahr verbrauchen. „Fage braucht von heute auf Morgen so viel Trinkwasser, wie eine Stadt mit 20.000 Einwohnern“, moniert Carole Dieschbourg im Gespräch mit REPORTER.

Das Wasser muss zum Thema gemacht werden.“Roberto Traversini

Die Umweltministerin sorgt sich um die Konsequenzen, die der hohe Verbrauch für die umliegende Bevölkerung hat. Laut einer rezenten Studie des Umweltministeriums, die sowohl die wachsende Industrie als auch den Kapazitätsausbau des Syndikates SEBES mit einrechnet, wird das Trinkwasser 2025 in den Spitzenzeiten knapp sein. Und das obwohl die Studie mit einer Wassereinsparung von 17 Prozent rechnet. Bereits jetzt sucht das Umweltministerium nach alternativen Trinkwasserquellen und arbeitet Sparmaßnahmen aus. Auch die Gemeinden und Wassersyndikate haben ihre Investitionen gesteigert.

Wassersyndikat will Wasser zukünftig verweigern können

Das schlägt sich auf kurz oder lang auf den Wasserpreis zurück, ergänzt der Vizepräsident des Wassersyndikates Süden (SES) und Bürgermeister der Stadt Differdingen Roberto Traversini (déi Gréng). Der SES soll den Joghurthersteller zukünftig mit Trinkwasser beliefern. Im Januar hat das Syndikat den Preis bereits um ein Viertel angehoben. Der Grund waren Investitionen in die Instandsetzung der Quellen im Süden des Landes, um die Wasserreserven aufzubessern. Bereits jetzt muss der SES nämlich Wasser vom Wassersyndikat SEBES hinzukaufen.

Milch ist vielleicht nichts Schlimmes, doch auch sie hinterlässt Spuren.“ Carole Dieschbourg

„Das Wasser muss zum Thema gemacht werden“, betont Traversini. Sonst könne es sein, dass Einwohner und Industrie in 20 Jahren um das Trinkwasser konkurrieren. Der SES-Vizepräsident  sieht die Niederlassung von Fage in Bettemburg kritisch. Gerne hätte der SES dem Joghurthersteller das Wasser verweigert, lässt Traversini im Gespräch mit REPORTER verlauten. „Doch die Statuten lassen das nicht zu. Wir prüfen, ob wir da zukünftig etwas machen können.“

Fage hat das Grundstück für die Fabrik bereits vom Staat erworben. (Foto: Matic Zorman)

Mit dieser Aussage widerspricht Traversini  SES-Präsident Tom Jungen (LSAP), der den Wasserverbrauch des vormals griechischen Konzerns eher klein redet. „Haben wir einen Konsumenten, der pro Tag 2.000 Kubikmeter Wasser zusätzlich nimmt, macht uns das keine Angst“, sagte Jungen etwa letzten Mai dem Luxemburger Wort.

Auch Wirtschaftsminister Etienne Schneider hat den Wasserverbrauch des Griechen immer wieder relativiert. Erst vor wenigen Wochen sagte er auf der Bilanzkonferenz des Wirtschaftsministeriums, dass die Wasser-Probleme falsch dargestellt würden und die Kapazitäten ausreichen.

Einwohner müssen sich einschränken

Dabei müssen am Ende die Bürger die Konsequenzen des Wasserverbrauchs tragen, ist sich Carole Dieschbourg sicher. „Wir wollen in dieser Gegend zahlreiche Wohnungen bauen. Wenn jetzt Wasser für einen Gleichwert von 20.000 Einwohnern gebraucht wird, dann führt das zu Problemen.“

Dabei geht es besonders um die Bauprojekte auf den ehemaligen Geländen der Stahlwerke von ArcelorMittal in Düdelingen und Schifflingen, ergänzt die Abgeordnete und erste Schöffin der Gemeinde Bettemburg Josée Lorsché (déi Gréng). „Bei den Bauprojekten wurde die Industrie noch nicht berücksichtigt. Jetzt geht die Rechnung nicht mehr auf. Die Einwohner werden sich stark einschränken müssen“, befürchtet Lorsché.

Zudem wird die Joghurtindustrie die umliegenden Gewässer stark belasten, kritisiert Umweltministerin Carole Dieschbourg. Zwar muss Fage eine eigene Kläranlage bauen. Die Gemeinde Bettemburg wünscht sich aber ein zusätzliches Auffangbecken damit im Falle von Sturzregen nicht alles in die Gewässer läuft, betont der Schöffe und Gusty Graas (DP), der innerhalb der Gemeinde für die Wasserverwaltung zuständig ist.

Unklar ist zudem, wie die Abwässer aus der Joghurtfabrik heruntergekühlt werden, bevor sie in die Flüsse gelangen. „Wir sprechen hier von einem Siebtel des Volumens der Gewässer. Milch ist vielleicht nichts Schlimmes, doch auch sie hinterlässt Spuren.“ Das Umweltministerium hat Fage aufgefordert, diesbezüglich eine detaillierte Studie zu liefern – diese steht jedoch noch aus.

Kommodo-Prozedur fehlt weiterhin

Es ist nicht die einzige Studie, die Fage bis heute nicht abgeliefert hat. Noch immer wartet das Umweltministerium auf eine ganze Reihe an Dokumenten, ohne die das Projekt der Joghurtfabrik gar nicht erst in die sogenannte Kommodo-Prozedur gehen kann. Diese Prozedur legt die Bedingungen und Auflagen fest, die nötig sind um etwa die Umwelt zu schützen oder die Sicherheit der Öffentlichkeit zu gewährleisten.

Fage muss unter anderem noch eine Umweltstudie liefern. Denn die Studie, die der Joghurthersteller im November 2017 abgegeben hat, hat Lücken, so der Bettemburger Schöffe Gusty Graas. „Die Studie kam zu einem anderen Ergebnis als unsere.“

„Unsere“, das ist die Umweltprüfung, die die Gemeinde Bettemburg dieses Jahr im Rahmen der Ausarbeitung ihres Gestaltungsplans (PAG) anfertigen ließ. Diese kommt zum Schluss, dass die betroffene Fläche aufgrund der hohen Biodiversität unter das Naturschutzgesetz fällt, bestätigt auch Bettemburgs erste Schöffin Josée Lorsché.

Ausgleichsmaßnamen für den Vogelschutz

Die Industriezone „Wolser 1“ auf die die Joghurtfabrik gebaut werden soll beherbergt eine Reihe an schützenswerten Vogelarten, wie etwa den Schwarzmilan oder die Feldlerche. Bereits 2016 hatte die Centrale Ornithologique (COL) darauf hingewiesen, erinnert sich Vogelschutzexperte Patrick Lorgé.

Die Bettemburger Umweltprüfung kommt zum Schluss, dass für die betroffenen Arten „umfassende externe Ausgleichmaßnahmen“ geschaffen werden müssen – und das im Vorfeld einer Bebauung. In einer Stellungname zum PAG teilt das Umweltministerium diese Schlussfolgerung.

Derweil ist das Wirtschaftsministerium auf der Suche nach solchen Ausgleichsflächen. Das jedenfalls geht aus dem Bericht der Wirtschaftskommission der Abgeordnetenkammer von März 2018 hervor.

Warten auf Fage

Das Projekt Joghurtfabrik steht erst einmal still, bis Fage alle Dokumente – darunter auch eine nachgebesserte Umweltstudie – eingereicht hat, erklärt ein Sprecher des Umweltministeriums auf Nachfrage. Fages Plan, die Fabrik bis Ende 2018 in Betrieb zu nehmen, ist demnach aussichtslos. Vor Ende des Jahres wird die Kommodo-Prozedur nicht beginnen, bestätigt das Umweltministerium.

Und auch hier kann sich noch einiges tun. Denn dann können unter anderem die betroffenen Gemeinden ihre Einwände einreichen. Sie haben sich mehrstimmig gegen den Bau der Fabrik ausgesprochen. Ob Fage jemals bis zur Baugenehmigung vordringen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar.

Bettemburg ist von der Ansiedlung Fages jedenfalls alles andere als begeistert. Im Juni sagte der CSV-Bürgermeister Laurent Zeimet auf RTL Tele Lëtzebuerg, ihm wäre es lieber wenn Fage nicht nach Bettemburg käme.

Wir haben unsere Souveränität an die Griechen abgegeben.“Josée Lorsché, déi Gréng

Jedoch stellt sich die Frage, ob der Joghurtkonzern sich den vielen Anforderungen und Bedingungen, die voraussichtlich auf ihn zukommen überhaupt beugen will. Denn je höher die Anforderungen ausfallen werden, je mehr wird der Betrieb investieren müssen. Fage stand bis zum Abschluss dieses Artikels nicht für eine Aussage zur Verfügung.

Indem der Staat das Grundstück bereits 2016 an Fage verkauft hat, ist er ein großes Risiko eingegangen. Das Wirtschaftsministerium gibt sich aber vorerst gelassen und hält es gar für unmöglich, dass die Baugenehmigung verweigert wird. Die  Präsidentin der Nachhaltigkeitskommission der Abgeordnetenkammer Josée Lorsché findet das etwas voreilig: „Ich würde den Prozeduren nicht vorgreifen und mich nach Fakten richten, nicht nach Vermutungen.“

Etienne Schneiders Scheinargumente

Doch was, wenn Fage gar nicht kommt? Diese Frage stellte Josée Lorsché erst kürzlich Wirtschaftsminister Etienne Schneider in einer parlamentarischen Frage. Eine Antwort bekam sie nicht. Sie wollte wissen, was mit dem Grundstück in Bettemburg passiert, wenn der Joghurthersteller die Fabrik doch nicht bauen wird. Die Antwortfrist ist inzwischen abgelaufen. Auch gegenüber REPORTER war das Wirtschaftsministerium nicht zu einer Aussage bereit. Josée Lorsché bedauert: „Wir haben unsere Souveränität an die Griechen abgegeben.“

Dem hiesigen Milchmarkt und den Luxemburger Bauern bringt Fage gar nichts.“Fredy de Martines, D’fair Mëllech

Sogar wenn es doch noch zum Bau kommt, muss die Frage nach dem Mehrwert von Fage neu gestellt werden. Etienne Schneiders Argumente für die Joghurtfabrik halten einer genaueren Prüfung allesamt nicht stand. Fage zahlt keine 60 Millionen an Steuern, sondern nur ein Hundertstel dessen. Auch ist Schneiders Aussage, er habe den Betrieb nicht nach Luxemburg geholt und könne nicht bestimmen, wer sich im Großherzogtum niederlasse in diesem Fall nicht haltbar. Schließlich hat Fage ein staatliches Grundstück erworben.

Die Mär von der Milch

Auch die wiederholte Aussage des Wirtschaftsministers, Fage würde den hiesigen Milchbauern helfen, ist fragwürdig. Die betroffenen Landwirte bezweifeln das. Denn der griechische Konzern kauft seine Milch auf dem internationalen Spotmarkt, „da wo sie am billigsten ist“, kritisiert Fredy de Martines von der Kooperative „D’fair Mëllech“. „Dem hiesigen Milchmarkt und den Luxemburger Bauern bringt Fage gar nichts.“

Auch nicht indirekt – denn dass Fage in Luxemburg produziert hat laut de Martines keinen Einfluss auf den Preis auf dem Spotmarkt. Will ein Landwirt seine Milch also an Fage absetzen, muss er das womöglich zu einem besonders niedrigen Preis machen – sonst holt sich der Konzern seine Milch aus dem Ausland. Gleichzeitig wird weiterhin der Großteil von Luxemburgs Milch ebenfalls ins Ausland abgesetzt – laut STATEC waren das in den letzten beiden Jahren rund 63 Prozent.

Fage spricht nicht mit Akteuren

Im Mai diesen Jahres ließ Schneider währenddessen im Regierungsrat verlauten, das Landwirtschaftsministerium sähe dem Projekt positiv entgegen. Im Gespräch mit REPORTER jedoch nuanciert Agrarminister Fernand Etgen (DP). „Das kann man jetzt noch nicht sagen, wir wissen ja noch nichts. Ich habe jedenfalls noch niemanden von Fage gesehen und auch in Zukunft laufen keine Gespräche.“

Ähnliches hört man von Luxlait. Anlässlich der Pressekonferenz 2016 kündigte der Direktor von Fage an, es liefen bereits jetzt gute Gespräche mit dem Milchproduzenten. Doch solche Gespräche habe es nie gegeben, sagt uns eine Luxlait-Sprecherin.

Gleiches wie für die Milch gilt übrigens für die vielen Arbeitsplätze die Fage für Langzeitarbeitslose zur Verfügung stellen soll. Anlässlich der Pressekonferenz 2016 sprach Etienne Schneider von 100 neuen Arbeitsplätzen. In der Abgeordneten-Wirtschaftskommission im Mai diesen Jahres rechnete Schneider auf einmal mit 200 Arbeitsplätzen und sprach von einer Kooperation zwischen ADEM und Fage. Die Arbeitsagentur ADEM sagt jedoch auf Nachfrage, bisher habe es noch keine Gespräche gegeben.

Ich habe jedenfalls noch niemanden von Fage gesehen und auch in Zukunft laufen keine Gespräche.“Fernand Etgen

Unter dem Strich scheint es, als könne das Projekt Fage zu keinem guten Ende kommen. Schafft es der Joghurtkonzern die nötigen Studien zu liefern, durchläuft er erfolgreich die Kommodo-Prozedur und sieht er sich bereit alle Auflagen zu erfüllen, dann hat Luxemburg eine Joghurtfabrik die womöglich nur diejenigen freut, die auf den Geschmack des griechischen Joghurts gekommen sind.

Kommt es jedoch nicht zum Bau, dann ist ein griechischer Joghurtproduzent im Besitz eines von Luxemburgs wenigen großen Industriegrundstücken.