Im Live-Interview warf Xavier Bettel einen sehr persönlichen Blick zurück auf seine fünf Jahre als Premierminister. Und was kommt jetzt? Der DP-Spitzenkandidat nannte klare Bedingungen für eine erneute Regierungsbeteiligung der DP. Wenn es nicht klappt: „Da maan ech eppes anescht.“
Xavier Bettel ist mit sich im Reinen. Jeden Job, den er hatte – von Anwalt über Sozialschöffe bis Premier – habe er immer gern gemacht. Dass er spontan und emotional ist, sieht er nicht als Schwäche in seinem Amt. „Wer die Menschen nicht mag, soll keine Politik machen“, so Bettel beim zweiten „REPORTER Live“-Event.
Doch der DP-Spitzenkandidat gibt zu, seine Spontanität manchmal im Zaum zu halten. „Seit ich Premierminister bin, überlege ich länger, bevor ich etwas sage.“ Das gelinge allerdings nicht immer. Manche würden ihm auch sagen, „du däerfs net pinschen“. Aber: „Ech si wéi ech sinn“, sagte er dem Interviewer Christoph Bumb.
Der Trainer, der die Mannschaft zusammenhält
Als Premier habe er einen kollegialen Stil innerhalb der Regierung gepflegt, sagte Bettel und grenzte sich ausdrücklich von seinem Vorgänger Jean-Claude Juncker ab. Doch Friede-Freude-Eierkuchen war die Koalitionsarbeit auch nicht immer. „Manchmal musste ich während des Regierungsrats eine Auszeit nehmen und mit zwei Ministern ihre Differenzen im kleinen Kreis klären“, erzählt er. Das habe auch schon mal eine Dreiviertelstunde gedauert.
Deutlich kritisierte Bettel die Diskussionen zwischen Etienne Schneider (LSAP) und Carole Dieschbourg (déi Gréng) im Dossier der Steinwollefabrik, die das Unternehmen Knauf im Süden des Landes ansiedeln wollte. „Die Minister hätten das Dossier abschließen sollen, bevor sie öffentlich diskutierten“, sagte Bettel.
„Dat war eng riicht an … also et ass net gutt gaangen.“zum Ausgang des Referendums
Besonders stolz ist er, dass die Dreierkoalition bis zum Ende gehalten hat – trotz der Unterschiede in der DNA der Parteien. „Viele dachten, die schaffen das nicht bis zum Schluss.“ Und er bemühte eine Fussball-Metapher: „Verliert das Team, dann ist der Trainer schuld. Gewinnt es, dann waren es alle.“
Ein Trainer wechselt auch mal Spieler aus – der Staatssekretär im Bildungsministerium André Bauler (DP) und die Kultur- und Wohnungsbauministerin Maggy Nagel (DP) mussten die Regierung während den fünf Jahren verlassen. Das sei aber auf deren Wunsch passiert, betonte der Premierminister. Im Fall Nagel habe die Ministerin im Gespräch gesagt, sich nicht gut in ihrem Amt zu spüren. In einem Gespräch im Staatsministerium mit Nagel habe er „zusammen“ mit ihr beschlossen, dass sie aus der Regierung ausscheiden soll.
Bettels Fehler: Referendum und „Zukunftspak“
Vor allem ist der „Trainer“ natürlich überzeugt, dass er das Team zum Erfolg geführt hat. Die Zahlen zu Arbeitslosigkeit und Wirtschaftswachstum würden eine deutliche Sprache sprechen, so Bettel. Doch er gibt auch Schnitzer zu. Als Reporter Christoph Bumb Bettel fragte, welche Fehler ihm als Regierungschef unterlaufen seien, lautete die Antwort: Zukunftspak und Referendum.
Beim Sparpaket hätte die Regierung vielleicht nicht alles zusammen umsetzen sollen, sondern in Etappen, gab sich Bettel selbstkritisch. „Dann hätten sich nur einzelne Zielgruppen geärgert, statt das ganze Land“, so der DP-Spitzenkandidat. Letztlich sei es aber der richtige Weg gewesen, denn nur gesunde Finanzen hätten viele weitere Reformen ermöglicht.
Ich hatte 2013 keine Lust, Minister in einer CSV-DP-Regierung zu werden.“
Das Referendum von 2015 übers Ausländerwahlrecht hätte die Koalition besser vorbereiten müssen, sagte Bettel. „Dat war eng riicht an … also et ass net gutt gaangen“, meinte er. Die Koalition hätte die Bürger besser einbinden müssen – etwa über partizipatorische Ateliers, wo über die Fragen hätte diskutiert werden können. Er sei weiterhin für ein abschließendes Referendum zum gesamten Verfassungstext. Dann brauche es aber eine bessere Vorbereitung.
Die Bedingungen der DP an eine künftige Koaltion
Doch insgesamt gibt es kein Bedauern: „Ich bin froh, das gemacht zu haben, was gemacht werden musste“, so Bettel. Insofern wäre der Machtverlust keine Katastrophe. „Dann maan ech eppes anescht.“
Claude Wiseler hat den Nachteil, dass er oft zögert.“
Insofern will Bettel auch nicht unter allen Umständen wieder Regierungschef oder Minister werden. „Ech si kee muechtgäilen Typ“, betonte er. Ihm gehe es darum, Dinge zu verändern. So wie er als Neunjähriger erfolgreich für einen Spielplatz demonstrierte. Heute geht es nicht mehr um Rutschen und Schaukeln. Wichtig ist Bettel für eine künftige Koalition mit DP-Beteiligung, dass die Uhren nicht zurückgedreht werden. Das ist eine Warnung an die CSV, die Gesellschaftsreformen der Dreierkoalition nicht infrage zu stellen. Besonders wichtig sind Bettel die Reform des Abtreibungsgesetzes und die Neuerungen beim „Congé parental“.
Mit Claude Wiseler könne er menschlich auch gut, betonte Bettel. „Doch Claude hat den Nachteil, dass er oft zögert“. Er ist also quasi der Anti-Bettel.
Doch ein klares Bekenntnis zu den aktuellen Koalitionspartnern kam Xavier Bettel nicht über die Lippen. Mit Etienne Schneider und Felix Braz verbinde ihn eine tiefe Freundschaft. Doch das Menschliche sei nicht alles. Im Wahlprogramm der LSAP gebe es aus DP-Sicht problematische Punkte wie die Forderung nach einer 38-Stunden-Woche oder vereinfachte Enteignungen von Grundbesitzern. Das sind für Bettel rote Linien, die es nicht zu überschreiten gilt.
Was die Grünen und ihre Wachstumskritik angehe, sei nicht klar, wo sie den Rotstift für weniger Wachstum ansetzen wollten, monierte der DP-Politiker. Bettel hält am aktuellen Wachstumsmodell fest. Auch im Streitpunkt um das Steuerprivileg der „stock options“ für Manager, verteidigte Bettel die aktuelle Linie. Diese Begünstigung sei wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Sorgen um Steuergerechtigkeit wie sie etwa déi Gréng formulieren, sind für ihn nicht ausreichend, um das Regime abzuschaffen.
2013 war die Lage für Xavier Bettel insgesamt noch eine andere. Bis zum Wahlabend war er überzeugt, dass nur ein Bündnis mit der CSV in Frage käme. „Ich hatte keine Lust, Minister in einer CSV-DP-Regierung zu werden“, erinnert sich Bettel. Doch die Perspektive Premierminister einer Dreierkoalition zu werden, war dann doch zu reizvoll, um Nein zu sagen.
Verpassen sie auch nicht unsere nächsten Live-Interviews mit dem LSAP-Spitzenkandidat Etienne Schneider (25. September) und mit dem CSV-Herausforderer Claude Wiseler (5. Oktober).