Um Terroristen und Mitglieder von Mafia-Banden aufzuspüren, müssen Airlines Daten über ihre Passagiere an die Polizei melden. Datenschützer sehen darin einen Verstoß gegen Grundrechte. Manche Staaten wollen trotzdem die Sammlung auf Bahn und Fernbusse ausbauen.
Im Mai klagten Bürgerrechtler gegen das Speichern von Fluggastdaten vor deutschen Gerichten. Im Jargon heißen diese Informationen „Passenger Name Records“ (PNR), deren Sammlung durch eine EU-Richtlinie von 2016 geregelt ist. Die Aktivisten der „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ halten diese Maßnahme gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität für einen Verstoß gegen Grundrechte. Es sei eine „Rasterfahndung am Himmel“, sagte der Generalsekretär Malte Spitz dem Nachrichtenportal „Spiegel Online“.
Ziel der deutschen Kläger ist es, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg die Rechtmäßigkeit der Datensammlung prüft. Eine solche Klage war lange erwartet worden, auch von Luxemburgs Datenschutzkommission CNPD. In ihrem Gutachten zum entsprechenden Gesetzesentwurf äußerte die CNPD ernste Bedenken an der Datensammlung. Es sei zweifelhaft, ob die Speicherung der PNR-Daten während fünf Jahren tatsächlich dem strikten Minimum entspreche. Denn das Sammeln erfolge unabhängig davon, ob ein Verdacht gegen einen Fluggast vorliege.
Ein weiteres Datenbankproblem
Die CNPD zog in ihrem Gutachten den Vergleich zur Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdaten. Tatsächlich hatte der EuGH 2016 die entsprechende Richtlinie gekippt, weil die verdachtsunabhängige Speicherung gegen Grundrechte verstoße. Trotzdem sieht Justizminister Felix Braz (Déi Gréng) keinen Bedarf, das Sammeln von Vorratsdaten auszusetzen.
Auch zur aktuellen Debatte über die fehlende Datenschutzkultur bei Justiz und Polizei gibt es eine Verbindung. Das Parlament stimmte im Juli 2018 zeitgleich über die PNR-Umsetzung und das Datenschutzgesetz ab, das mittlerweile als unzureichende Regelung der Datenbanken gilt. Die CNPD warnte in beiden Fällen davor, dass es klare Bestimmungen braucht, wenn es um Justiz und Polizeigewalt geht.
Das Gesetz droht der Anfang eines Überwachungsstaats zu sein, einer Art transnationalem Big Brother.“Marc Baum, Déi Lénk
Das Problem: Die Passagierdaten werden von der zuständigen Polizei-Abteilung mit Datenbanken abgeglichen. Fluggäste werden nach „im Voraus festgelegten Kriterien“ bewertet, wie es im Artikel 10 des Gesetzes steht. Doch die CNPD kritisierte, dass der Text weder definiert, um welche Datenbanken es sich handelt, noch welche Kriterien herangezogen werden. Laut den begleitenden Dokumenten des Vorschlags sollen die Daten vor allem mit Fahndungslisten von Interpol und des Schengen-Systems verglichen werden. Problematisch ist auch, dass in der zuständigen Abteilung unter anderem SREL-Agenten arbeiten, ohne dass ihre Zuständigkeit klar abgegrenzt ist.
Neu ist allerdings, dass Airlines offenbar versuchen, die Daten, die sie für die Behörden sammeln, selbst für kommerzielle Zwecke zu nutzen. Das ist der Vorwurf an den französischen IT-Dienstleister Conztanz, der eng mit dem Luxemburger Staat zusammenarbeitet.
Parlament ignoriert Warnungen
Die Warnungen der CNPD ignorierten sowohl die Regierung als auch eine überwältigende Mehrheit im Parlament. Lediglich Déi Lénk stimmten im Juli 2018 gegen den Text. „Das Gesetz droht der Anfang eines Überwachungsstaats zu sein, einer Art transnationalem Big Brother, der die Essenz der Bürgerrechte begräbt“, warnte damals der Abgeordnete Marc Baum.
Der CSV-Abgeordnete Léon Gloden spottete über „eis gréng Kolleegen“, die ihre Ideale über Bord werfen würden. Denn Minister Claude Turmes habe zuvor im Europäischen Parlament gegen die PNR-Richtlinie gestimmt. Der Abgeordnete Henri Kox (Déi Gréng) gab anlässlich der Debatte zu, sich beim Ja seiner Fraktion nicht „wohlzufühlen“, denn Grundrechte stünden für ihn noch immer im Vordergrund. Allerdings sei man in einer „neuen Welt“. Die PNR-Richtlinie war geprägt durch die Pariser Attentate im November 2015 und der Angst vor IS-Kämpfern, die nach Europa zurückkehren.
Debatte über Ausdehnung auf Bahn- und Busreisen
Vor allem Belgien drängt darauf, nicht nur die Daten von Flugpassagieren zu speichern, sondern das System auf Bahn und Fernbusse auszuweiten. Anlässlich der Ausarbeitung des Luxemburger PNR-Gesetzes waren allerdings ähnliche Forderungen aufgekommen. Das Attentat auf die Thalys-Verbindung Paris-Brüssel-Amsterdam im August 2015 zeige die Notwendigkeit über Flugreisen hinauszugehen, schrieb die Generalstaatsanwältin Martine Solovieff in ihrem Gutachten.
Belgien und Finnland forderten am 3. Juli in einer Arbeitsgruppe des EU-Rates erneut, das Sammeln auszuweiten, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“. Allerdings sind die Mitgliedsstaaten weit von einer gemeinsamen Position entfernt. In der Zusammenfassung des Treffens heißt es, die EU solle den Ausgang der deutschen Klage gegen die PNR-Richtlinie abwarten.
