Das EU-Parlament nimmt sexuelle Belästigung nicht ernst, kritisieren Mitarbeiter. Tätern drohen kaum Konsequenzen. Nun soll die Kampagne #MeTooEP das Problem benennen. Auf einem Blog erscheinen täglich Erfahrungsberichte von Opfern. Es handelt sich keinesfalls um Einzelfälle.
Die Titel sind immer ähnlich. „Damals, als er anbot mich aufzuwärmen.“ „Damals, als er mir sagte er stellt am liebsten Osteuropäerinnen ein, denn die machen alles für einen westlichen Pass.“ „Damals, als es ihn erregte, dass ich Milch absonderte.“ Oder: „Damals, als ich von einem Arbeitskollegen vergewaltigt wurde“. Es handelt sich nicht etwa um eine zufällige Auswahl an Zeugenaussagen, sondern all diese Zeilen beschreiben Vorfälle, die laut Opfern im Europäischen Parlament passiert sind.
Unangebrachte Bemerkungen, sexuelle Belästigung und sogar körperliche Übergriffe sind dort keine Seltenheit. Und dennoch wird kaum darüber geredet. Nun haben Mitarbeiter des Parlaments die Aktion #MeTooEP ins Leben gerufen, um auf das Problem aufmerksam zu machen.
Keine Konsequenzen
Teil der Aktion ist der Blog „metooep.com“. Dort erscheint jeden Tag ein Erfahrungsbericht – die Berichte stammen von MitarbeiterInnen im EU-Parlament, wurden überprüft und erscheinen anonym. „Ich habe damals noch gestillt und hatte Milchflecken an der Brust […]. Der Abgeordnete fragte, ob er daran saugen darf“, heißt es etwa in einem Beitrag von Mitte Oktober. „Mein Arbeitskollege mailte mir Fotos von mir, die er heimlich mit einem Handy aufgenommen hatte. Der Betreff lautete: ‚Ich habe noch mehr Bilder von dir’“, steht in einem anderen.
In der Regel wissen die Täter aber genau, was sie tun und nutzen besonders ihren Status, ihre Macht aus.“Alfiaz Vaiya
Die wenigsten Täter wurden bis heute zur Verantwortung gezogen, bestätigt Alfiaz Vaiya. Er koordiniert die interfraktionelle Arbeitsgruppe gegen Rassismus und für Vielfalt (ARDI) des Europäischen Parlaments und hat die Kampagne mit ins Leben gerufen. „Obwohl das Parlament im Oktober 2017 eine Resolution zur Bekämpfung von sexueller Belästigung annahm, hat sich die Situation nicht geändert“, kritisiert Vaiya. 2017 wurde kein einziger Fall von sexueller Belästigung durch das Parlament sanktioniert. Das liegt aber nicht daran, dass keine Übergriffe passieren.
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