Nachdem der Verfassungsausschuss im Parlament beschlossen hatte, die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft aus der Reform des Grundgesetzes zu streichen, hagelte es von mehreren Seiten Kritik. Auch der Staatsrat spricht sich nun erneut für eine klare Gewaltenteilung aus.
Eigentlich war es bereits beschlossene Sache: Im Vorschlag für eine neue Verfassung einigten sich die Abgeordneten, die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft im Text festzuhalten. Als der Ausschuss eine komplette Verfassungsreform ablehnte und sich ausschließlich auf punktuelle Anpassungen einigte, war die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft wieder vom Tisch. Eine Rückkehr zum Status quo, in dem die Unabhängigkeit nicht erwähnt wurde, sei aber nicht möglich, befürchtet der Staatsrat.
Obwohl die Unabhängigkeit in der aktuell geltenden Verfassung nicht festgehalten wurde, hat sich das Justizministerium in der Praxis kaum in die Arbeit der Staatsanwaltschaft eingemischt, so ein rezentes Gutachten des Staatsrates. Dennoch befürchten die Gesetzesprüfer, dass diese implizite Gewaltenteilung in Zukunft infrage gestellt werden könnte. Der Rückzieher sei „eine explizite Anerkennung des Gesetzgebers des Verhältnisses zwischen der Staatsanwaltschaft und der Regierung“, schreibt der Staatsrat.
Trend zur stärkeren Unabhängigkeit
In seiner Analyse bezieht sich der Staatsrat auf mehrere Gutachten und weist die Abgeordneten darauf hin, dass es europaweit einen Trend zu einer stärkeren Unabhängigkeit gebe. Das Streichen der entsprechenden Textpassage, könnte als „eine Infragestellung der Position der Staatsanwaltschaft in der verfassungsmäßigen Ordnung verstanden werden“.
Zudem fehle es dem vorliegenden Reformtext an Kohärenz. Demnach sollen im künftigen nationalen Justizrat sowohl Richter als auch Staatsanwälte vertreten sein. Laut dem Reformvorschlag sind allerdings nur die Richter unabhängig, beide Gruppen innerhalb des Gremiums haben also nicht die gleichen Freiheiten.
Außerdem soll der Justizrat künftig Staatsanwälte und Richter nominieren. Da die Staatsanwälte im Nominierungsprozess der Richter ein Mitspracherecht hätten, „könne man einwenden, dass auch die Unabhängigkeit der Richter gefährdet sei“, so der Staatsrat in seinem Gutachten zu diesem Kapitel der Verfassungsreform.
Zurück zur ersten Fassung
Obwohl die hohe Körperschaft sich klar für die Erhaltung der Textpassage über die Unabhängigkeit ausspricht, schließt sie sich letztlich dem Kompromissvorschlag der Regierung an. Demnach wäre die Staatsanwaltschaft prinzipiell unabhängig. Die Regierung würde hingegen das Recht behalten, bestimmte inhaltliche Weisungen zu erteilen, die die „politique criminelle“ betreffen.
Tatsächlich wurde ein ähnlicher Vorschlag bereits zuvor im zuständigen parlamentarischen Ausschuss diskutiert. 2009 schlug Paul-Henri Meyers (CSV) in der ersten Fassung der Verfassungsreform bereits eine entsprechende Passage vor. Léon Gloden (ebenfalls CSV) kann sich nun vorstellen, auf diesen Text wieder zurückzugreifen.
Zur Erinnerung: Es war die CSV, die den ursprünglich bestehenden überparteilichen Konsens vor einem Jahr aufgekündigt hatte. Da eine Verfassungsreform eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament benötigt, haben die Regierungsparteien sich dem Willen der CSV in diesem Punkt gefügt.
Auslöser für den Sinneswandel der Partei war ein Brief von Martine Solovieff an den Parlamentspräsidenten. Die Generalstaatsanwältin kritisierte darin ausdrücklich einzelne parlamentarische Anfragen der CSV-Abgeordneten Laurent Mosar und Gilles Roth in der JUCHA-Datenbank Affäre. Dies habe die Entscheidung der Oppositionspartei, sich gegen die Unabhängigkeit auszusprechen, beeinflusst, räumte kürzlich Léon Gloden bei „Radio 100,7“ ein.