Der Fall des ehemaligen Polizeibeamten, der im April 2018 in Bonneweg einen Autofahrer erschoss, wird nochmals vor Gericht verhandelt werden. Der Beschuldigte hat nämlich offiziell Berufung gegen seine Verurteilung wegen Totschlags eingelegt, wie die Pressestelle der Justiz vergangene Woche auf Nachfrage bestätigte. Ende November 2022 war der 27-Jährige zu fünf Jahren Haft, davon drei auf Bewährung, sowie 5.000 Euro Geldstrafe verurteilt worden.

Die Richter waren zu der Überzeugung gelangt, dass der Beamte bei dem Vorfall nicht in Notwehr gehandelt habe. Er habe andere Möglichkeiten gehabt, als auf das Auto zu schießen, das auf ihn zufuhr. Wie sie zu dieser Schlussfolgerung kamen, hatte Reporter.lu rezent ausführlich dargelegt. Für den Anwalt des Beschuldigten hingegen ist weiterhin klar: Der damals 22-Jährige wähnte sich in Lebensgefahr, so Me Philippe Penning im Gespräch mit Reporter.lu.

Der Verteidiger verweist dabei auf das sehr kleine Zeitfenster, in dem sich das Ganze am Nachmittag des 11. April 2018 abspielte. Der gesamte Vorfall trug sich den vorliegenden Gutachten zufolge binnen 51 Sekunden zu. Für die Entscheidung, zu schießen oder etwa zur Seite zu springen, als der flüchtende Autofahrer erst zurücksetzte, dann beschleunigte und direkt auf ihn zuhielt, seien dem Polizisten aber weniger als zwei Sekunden geblieben, unterstreicht Me Philippe Penning. Die Schüsse seien aus Reflex erfolgt – und eben in Notwehr.

Einen möglichen Berufungsantrag hatte der Anwalt denn auch bereits am Tag der Urteilsverkündung angedeutet. Die Verurteilung hatte er damals als bedenkliches Signal an alle Polizisten bezeichnet: Diese sollten demnach wohl besser ihr Kommissariat nicht verlassen, die Dienstwaffe zu Hause lassen und auf keinen Fall einen Verdächtigen verfolgen. „Denn das Risiko, dass die Rechnung am Ende teuer ausfällt, ist zu groß“, so Me Philippe Penning. In zweiter Instanz – ein Termin steht noch nicht fest – erhofft sich der Verteidiger demnach ein anderes Urteil, im besten Fall einen Freispruch.

Ob die Berufungsrichter dieser Forderung nachkommen, wird sich zeigen. Interessant wird auch sein, ob die Anklage ihrer Linie treu bleibt. In erster Instanz hatte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von 30 Jahren gefordert. Die zuständige Anklägerin war der Überzeugung, dass der Beschuldigte bereits seit Längerem den Wunsch gehegt habe, einen Menschen zu töten. Im Polizeidienst, den der Mann mittlerweile verlassen hat, habe sich ihm am 11. April 2018 dann die Gelegenheit dazu geboten. (GS)


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