Die Regierung will in der Landwirtschaft kleinere Familienbetriebe fördern. Doch eine internationale Recherche zeigt, dass dieses Ziel weder in Luxemburg noch in der EU erreicht wird. Eine geplante Reform der Subventionen wird die Lage kaum verbessern.
Jedes Jahr ist in Luxemburg an vier Bauernhöfen Schluss. Die Maschinen stehen still, die Ställe leeren sich, die Äcker werden verkauft. Diese Bilanz der Jahre 2010 bis 2017 zieht das Landwirtschaftsministerium im „Nationalen Strategieplan“. In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe halbiert. Und das, obwohl die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU den Bauern ein stabiles Einkommen garantieren sollte.
„Kleine und mittelgroße Familienbetriebe stärken“: Das ist eine Priorität der Luxemburger Agrarpolitik. Doch die Zahl dieser familiengeführten Höfe geht dennoch zurück. „Trotz oder gerade durch Hunderte Millionen Euro falsch investierter Fördergelder“ habe die Politik diesen Trend hierzulande noch verschärft, kritisierten die Umweltverbände „Greenpeace“, „Natur an Emwëlt“ und „Mouvement écologique“.
Tatsächlich lässt sich die EU die Unterstützung der Bauern und des ländlichen Raums sehr viel kosten: Seit 2014 flossen über 450 Milliarden Euro in die Agrarpolitik – was über ein Drittel des gesamten EU-Haushalts in diesem Zeitraum ausmacht. Knapp 600 Millionen Euro wurden zwischen 2014 und 2021 in Luxemburg ausbezahlt. Von diesen Subventionen profitieren aber vor allem große Bauernhöfe und Unternehmen, wie eine neue grenzüberschreitende Recherche zeigt.
Die Datenbank „FarmSubsidy“ gibt erstmals Einblicke, wie diese Milliarden an Steuergeldern ausgegeben werden – und an wen. Die Daten wurden von „FragDenStaat“ in Zusammenarbeit mit „Arena for Journalism“ zusammengetragen. Eine gemeinsame Recherche von Reporter.lu mit „NDR“, „„WDR“ und „Süddeutsche Zeitung“ sowie „FragDenStaat„, „Der Standard“ und weiteren Partnern zeigt enorme Diskrepanzen unter den europaweit insgesamt mehr als 17 Millionen Empfängern.
Das oberste Prozent der Bauern
In allen EU-Ländern erhält eine kleine Zahl von Empfängern den größten Anteil der Hilfen. Das oberste Prozent der Empfänger bekam zwischen 2014 und 2021 über 150 Milliarden Euro, was mehr als einem Drittel der gesamten Gelder entspricht. In Deutschland profitieren Großkonzerne wie „Südzucker“ und der Molkerei-Riese „FrieslandCampina“. Die katholische Kirche ist dagegen in Polen mit über 160 Millionen Euro einer der größten Empfänger von EU-Agrarsubventionen. In Italien und den Niederlanden sind sehr große Kooperativen die Hauptnutznießer der Beihilfen. Doch auch große Konzerne, die nichts mit Landwirtschaft zu tun haben, bekommen hohe Summen. In Deutschland sind das etwa der Energieriese RWE und der Chemiekonzern BASF.
In Luxemburg ist die Diskrepanz laut der Analyse von Reporter.lu nicht so ausgeprägt. Etwas über 60 Millionen von insgesamt knapp 600 Millionen Euro ging an lediglich ein Prozent der Betriebe. Es geht aber um beträchtliche Summen: Diese 38 Empfänger erhielten in acht Jahren im Schnitt jeweils 1,6 Millionen Euro. Die Unterschiede sind gewaltig: Der Schnitt aller Akteure liegt nur bei knapp 160.000 Euro pro Betrieb über einen Zeitraum von acht Jahren – also ein Zehntel dessen, was das oberste Prozent erhielt. 15 Prozent der Empfänger vereinnahmen über die Hälfte der gesamten Subventionen.
Auch geografisch ist die Verteilung sehr unterschiedlich. Die Gemeinde Wintger vereinigt sieben Prozent der Subventionen auf sich. Wenig überraschend liegen der Norden und einige Westgemeinden deutlich vorne. Das zeigt aber auch, welch große wirtschaftliche Bedeutung die EU-Subventionen in den ländlichen Regionen haben (siehe Karte).
In diesem Gesamtbudget sind Programme wie die Verteilung von Milch und Obst an den Schulen sowie Fördermittel enthalten, die die Entwicklung des ländlichen Raumes fördern sollen. In Luxemburg sind vor allem die "Leader“-Projekte bekannt, die von Gemeinden und privaten Partnern getragen werden. Doch auch unter den Beihilfen, die exklusiv an Landwirte gehen, finden sich sehr große Unterschiede. Ein Beispiel ist dabei die sogenannte Basisprämie, die den Bauern ein stabiles Einkommen garantieren soll.
Das Problem: Die Basisprämie wird pro Fläche berechnet, also nach Größe der Äcker, Grünflächen oder Obstgärten. 2021 gab es einen Durchschnittswert von 182 Euro pro Hektar. Es gilt also das Prinzip: je größer der Betrieb, desto höher die Subvention.
Das zeigt sich in den Zahlen: Die obersten zehn Prozent erhielten 44 Millionen Euro – knapp ein Drittel der gesamten Basisprämien zwischen 2016 und 2021. Das oberste Prozent vereinnahmt so über zehn Millionen Euro. Diese Betriebe erhielten im Schnitt über 300.000 Euro innerhalb von sechs Jahren. Der Durchschnitt aller Landwirte lag dagegen bei 36.600 Euro in diesem Zeitraum – also knapp 500 Euro pro Monat.
Was ist ein Familienbetrieb?
Das Landwirtschaftsministerium erklärt die Diskrepanz mit der sehr unterschiedlichen Situation der Bauernhöfe. Von den knapp 1.750 Nutznießern einer Basisprämie seien nur 1.100 Landwirte in Vollzeit. Für über 500 Empfänger macht die Landwirtschaft weniger als die Hälfte ihrer beruflichen Tätigkeit aus – sie sind also im Luxemburger Sprachgebrauch „Hobbybauer“.
Familienbetriebe mittlerer Größe erhielten in Luxemburg 92 Prozent der Beihilfen gegenüber 72 Prozent im EU-Durchschnitt. Diese Zahl hebt das Landwirtschaftsministerium in der Bestandsaufnahme im nationalen Strategieplan hervor. Die großen Höfe mit über 250 Hektar bekämen die restlichen acht Prozent.
Die Definition eines besonders förderträchtigen Familienbetriebs ist allerdings auch schwierig. Denn das Ministerium hält fest, dass die Luxemburger Höfe mit einer durchschnittlichen Fläche von 70 Hektar zu den größeren in Europa zählen. Gleiches gilt für die Größe der Viehherden, die ebenfalls im europäischen Vergleich hervorsticht.
Eine Konzentration und eine Professionalisierung der landwirtschaftlichen Betriebe lässt sich auch am Anteil der Gesellschaften ablesen, die EU-Subventionen erhalten. Unter den größten Betrieben ist die Gesellschaftsform der „Société civile“ vorherrschend. Die Form der „Société à responsabilité limitée“ ist bisher noch selten. Dennoch entstehen so Betriebe mit beträchtlichem Kapital. Der größte Empfänger von Beihilfen „Agricol SC“ hatte 2017 ein Kapital von über 1,6 Millionen Euro. Da Zivilgesellschaften nicht verpflichtet sind, Jahresbilanzen im Handelsregister zu hinterlegen, ist es aber unmöglich, sich ein genaues Bild zu machen.
Klar ist aber, dass die mehr als 100 Betriebe, die als Gesellschaft organisiert sind, zu den Gewinnern der EU-Subventionen gehören. Mit im Schnitt über 450.000 Euro an Beihilfen in acht Jahren erhalten diese Betriebe das Dreifache an finanziellen Zuwendungen wie der Durchschnitt aller Akteure. Bei den Basisprämien ergab die Analyse von Reporter.lu das gleiche Bild.
Eine Reform mit ungewissem Ausgang
Ab Januar tritt die Reform der GAP in Kraft, über die die EU jahrelang verhandelte. Luxemburg will unter anderem eine fairere Verteilung der Beihilfen und die Förderung von jungen Landwirten erreichen, heißt es im nationalen Strategieplan. Mit der Neugestaltung der Subventionen erhalten die Mitgliedstaaten mehr Spielraum, um ihre Agrarpolitik zu gestalten.
Luxemburg zielt dann auf mehr Fairness ab. Die Beihilfen schwanken heute noch zwischen 110 und über 400 Euro pro Hektar je nach Betrieb. Der Wert orientiert sich an Ansprüchen, die zum Teil auf das Jahr 2000 zurückgehen. Diese enorme Bandbreite soll bis 2027 abgebaut werden. Mit einer sogenannten Umverteilungsprämie sollen Betriebe mit einer Größe bis 70 Hektar zusätzlich gefördert werden – also im Grunde die Familienbetriebe.
Doch es bleibt das Problem: Die großen Betriebe haben einen Vorteil. Wachsen ist für viele nicht einfach, trotz erhöhter Förderungen der jungen Bauern. Das Landwirtschaftsministerium will den Kauf zusätzlicher Flächen nicht fördern, obwohl das im EU-Rahmen möglich wäre. Denn: „Die Spekulation mit Land ist exzessiv in Luxemburg.“ Und so bleiben die Kleinen klein und die Großen groß.