In welchen Gemeinden ist Platz für neue Bauschuttdeponien? Bereits 2016 gab das Umweltministerium eine Studie dazu in Auftrag. Doch das Dokument mit konkreten Standorten wurde bisher nicht veröffentlicht. Dabei liefert es überraschende Ergebnisse.

Immer wenn irgendwo ein Loch entsteht, muss irgendwo anders ein Haufen folgen: Es ist das Grundprinzip der Bodenbearbeitung. Doch was der Maulwurf problemlos meistert, stellt die Politik in Luxemburg schon seit Jahren vor Probleme. Zwar ist man sich im Kern einig, dass neue Standorte für Bauschuttdeponien gefunden werden müssen. Doch schon bei der Frage, wer die zusätzlichen Standorte finden soll, herrschte lange Zeit Uneinigkeit.

Bis heute ist also unklar, wo denn nun weitere Deponien entstehen könnten. Zumindest schien es so. Denn eigentlich weiß die Umweltverwaltung bereits seit Jahren, wo potenzielle Standorte liegen. Schon 2016 kündigte die damalige Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) an, dass das Ministerium eine Studie zu geeigneten Standorten durchführen lassen wolle. Wer jedoch nach der Studie sucht, der findet lediglich einen einzigen Verweis im Nationalen Abfallplan aus dem Jahr 2018. Dort heißt es auf Seite 31 lapidar: „Une étude qui a pour objectif la recherche de nouveaux sites pour décharges pour déchets inertes vient d’être finalisée fin 2016.“

Seitdem ist die Studie aber aus den öffentlichen Diskussionen um die Standortsuche verschwunden. Auch weil die Regierung die Rechtsgrundlage für die Suche reformieren wollte. Die Prozedur sollte vereinfacht werden. Die entsprechende Verordnung trat im August vergangenen Jahres in Kraft. Seitdem können auch Gemeinden oder Privatunternehmen neue Standorte für Deponien vorschlagen. Zuvor war dies einer staatlichen Kommission vorbehalten.

Insgesamt 15 geeignete Standorte

Die Studie, die Reporter.lu vorliegt, ist detailliert und ausführlich dokumentiert. Das zeigt bereits die Anzahl an potenziellen Standorten, die analysiert wurden. Sie reichen von Differdingen im Süden bis Wintger im Norden, von Koerich im Westen bis Grevenmacher im Osten. Insgesamt hat das Ingenieur-Büro „Eneco“ 2.378 sogenannte „Positivflächen“ untersucht, am Ende blieben 15 geeignete Standorte übrig. Zuvor wurden sogenannte „Negativflächen“ von der Analyse ausgeschlossen. Darunter fallen unter anderem Naturschutzgebiete, Industriezonen, Überschwemmungsgebiete sowie bebaute Flächen wie Friedhöfe oder Parkplätze.

Die zurückbehaltenen Standorte wurden dann ein weiteres Mal eingegrenzt. Als Grundlage dafür dienten jene Kriterien, die bereits 2006 im sektoriellen Leitplan zur Deponiesuche festgelegt wurden. Es sind zudem die gleichen Kriterien, die in der neuen Verordnung noch immer die Grundlage für potenzielle Standorte bilden. So findet sich im Anhang der im August 2021 verabschiedeten Verordnung derselbe Punktwertkatalog, den auch die Verfasser der Studie als Grundlage nutzen. Das heißt: Jene Standorte, die bereits 2016 vielversprechend waren, würden heute wahrscheinlich ähnlich positiv bewertet.

Unter anderem folgende Kriterien wurden für die Bewertung der Flächen herangezogen: Wie nah liegen sie an einem Wohngebiet? Wie groß ist der Standort? Verlaufen Stromtrassen über das Gelände? Wie ist die Straßenanbindung? Wie groß sind sie? Und wie sehen die Besitzverhältnisse aus? Für jedes der Kriterien wurde ein Punktwert zwischen null und drei Punkten vergeben. Je höher der Wert, desto geeigneter die Fläche.

Ungleiche regionale Verteilung

Auffällig nach dieser Analyse: Die meisten der 15 potenziellen Standorte liegen im Zentrum, im Süden und im Osten des Landes. In der Gegend um Bettemburg gibt die Studie beispielsweise gleich drei mögliche Standorte an. Weitere potenzielle Flächen befinden sich in den Gemeinden Dalheim, Differdingen, Flaxweiler, Grevenmacher, Hesperingen, Koerich, Leudelingen, Luxemburg-Stadt, Mamer, Monnerich und Roeser.

Im Norden hingegen wird lediglich ein einziger Standort in der Nähe von Stockem in der Gemeinde Wintger zurückbehalten. Für drei Landesteile, für die auch die aktuelle Verordnung eigentlich eine neue Deponie vorsieht, blieb die Suche erfolglos. In ihnen wurde laut den Autoren „keine vernünftige Option gefunden“. Dies gilt sowohl für die Region Nord-Osten, die Region Zentrum-Nord-West als auch für die Regionen Zentrum-Nord-Osten und Zentrum.

Dennoch liegen auch um die Hauptstadt einige vielversprechende Gebiete. Als „sehr gut geeignet“ wurde beispielsweise ein rund 43 Hektar großes Areal an der N3 zwischen Hesperingen und Frisingen bewertet. Dort könnten etwa 4,3 Millionen Kubikmeter Bauschutt abgeladen werden.

Ähnlich positiv bewertet die Studie ein Gelände zwischen Leudelingen und Kockelscheuer. Es verfügt über einen direkten Anschluss an die A4 und hat eine potenzielle Fläche von 92 Hektar. Einziges Problem dort, wie auch an anderen Standorten: Das Areal setzt sich aus über 100 unterschiedlichen Parzellen und somit vielen Besitzern zusammen. Im Zweifelsfall müsste jeder einzelne Besitzer einer Deponie zustimmen.

Die Frage nach dem „Crassier“

Es ist ein Grundproblem bei der Deponiesuche, das aktuell immer noch für Kopfzerbrechen sorgt. So brachte das Umweltministerium, nur ein Jahr nachdem die neue Verordnung in Kraft ist, bereits eine Anpassung der neuen Regelung auf den Instanzenweg. Der Grund: die Frage nach dem Besitzer. In Zukunft soll demnach die Genehmigungsprozedur für eine neue Deponie beginnen können, noch bevor alle Grundstückseigentümer des jeweiligen Standortes zugestimmt haben.

In der Studie finden sich aber auch zwei Standorte, bei denen sich die Eigentümerfrage weniger stellt. Etwa in Flaxweiler. Dort könnte im „Buchholz“ auf einer Fläche von 61,5 Hektar eine Deponie mit einer direkten Anbindung an die Autobahn A1 entstehen. Nur 15 Katasterparzellen müssen dafür den Besitzer wechseln.

Noch besser geeignet, zumindest was die Besitzverhältnisse betrifft, ist ein Gelände im Süden des Landes, über das Reporter.lu bereits in der Vergangenheit berichtet hatte. Den „Crassier“ in Differdingen/Sassenheim bewertet die Studie als „sehr gut geeignet“. Auch weil nur zehn Parzellen dafür nötig wären, die teilweise bereits dem künftigen Betreiber der Deponie gehören, dem Unternehmen „Cloos SA“. Allerdings merkt die Studie an, dass das Areal laut „Plan sectoriel“ als Industriezone ausgeschrieben sei, demnach müsste die Deponie als „Remblai technique“ ausgeführt werden. Dann könnten vier Millionen Kubikmeter Erdaushub dort abgeladen werden.

Bauunternehmer bleiben außen vor

Natürlich liegt die Studie bereits sechs Jahre zurück. Damit dürfte sich die Faktenlage zumindest bei Details geändert haben. Etwa, weil neue Schutzgebiete ausgewiesen wurden oder Gemeinden neue Baugebiete definiert haben. Dennoch bleibt die Studie eine wichtige Diskussionsgrundlage, die zudem das Potenzial von politischen Kontroversen auf Gemeindeebene birgt.

Doch die sachliche Grundlage bei der Suche nach neuen Standorten hielt die Regierung bisher unter Verschluss. Zwar betont das Umweltministerium immer wieder, dass die Prozeduren durch die neue Deponieverordnung vereinfacht und Gemeinden und Unternehmer besser in die Standortsuche eingebunden werden sollen. Doch allein der Umstand, dass die Studie nie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, zeigt wie widersprüchlich diese Aussagen sind.

Wir haben die Studie vom Umweltministerium nie zu Gesicht bekommen."Pol Faber, Groupement des Entrepeneurs

Die Folgen in der Praxis sind zum Teil absurd. Auf die Frage, ob die Erkenntnisse der Studie mit den Bauunternehmern geteilt wurden, antwortet Pol Faber, Generalsekretär des "Groupement des Entrepreneurs du Bâtiment et des Travaux Publics": „Wir haben die Studie vom Umweltministerium nie zu Gesicht bekommen.“ Doch damit nicht genug. Denn der Unternehmerverband hat laut Pol Faber inzwischen seine eigene Studie in Auftrag gegeben, um mögliche neue Standorte für Bauschuttdeponien zu finden. Diese bilde die Grundlage für die Branche, um neue Deponien zu erschließen. Ob sich die Ergebnisse daraus mit den Erkenntnissen aus der alten Studie des Ministeriums decken, bleibt abzuwarten.

Auf Nachfrage von Reporter.lu bestätigt das Umweltministerium die Aussage von Pol Faber: „Dass eine Studie durchgeführt wurde, ist den Betreibern bekannt.“ Was für die Existenz der Studie zutrifft, gilt jedoch nicht für deren Inhalt. Denn so das Ministerium von Joëlle Welfring (Déi Gréng) schriftlich: „Die Resultate der Studie wurden bisher nicht mit dem Sektor geteilt.“ Den Grund dafür liefert das Ministerium gleich mit: „Da viele Parameter der Studie sich zwischenzeitlich geändert haben, weil es zu PAG-Anpassungen kam oder neue Natur- und Wasserschutzzonen ausgewiesen wurden, ist ein direkter Vergleich der jetzigen Situation mit jener, die in der Studie beschrieben wird, nicht mehr direkt möglich.“


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